Russland, das flächenmäßig größte Land der Erde, wird inzwischen von allen EU-Airlines vollständig umflogen. Flüge zu russischen Destinationen sind eingestellt und Ostasien-Flüge müssen Umwege fliegen, die zwei Stunden oder mehr zusätzlich in Anspruch nehmen. Der Treibstoff wird zudem durch den Krieg teuerer. Das wird auch zu höheren Ticket-Preisen führen.
Immer wieder nutzte Russland in der Vergangenheit die Drohkulisse von Flugverboten – wissend, dass der russische Luftraum für Airlines aus Europa wichtig für Flüge nach Fernost ist. Umwege kosten Zeit und Geld. Aus demselben Grund konnte sich Russland aber auch immer erlauben, die Gebühren für die Überflüge hoch zu halten.
Anchorage zentrale Drehkreuz während des Kalten Krieges
Während der Zeit des Kalten Krieges mussten Fluggesellschaften aus dem Westen den Luftraum des größten Landes der Welt meiden. Eine wichtige Rolle spielte damals der Flughafen Anchorage in Alaska. Der Flughafen war während des Kalten Krieges ein beliebter Umschlagplatz für Langstreckenflüge. Denn westliche Fluggesellschaften hatten auf den Strecken von Europa nach Asien keinen Zugang zum russischen Luftraum. Sie mussten Tankstopps einlegen.
2019, vor der Covid-19-Pandemie, wurde Anchorage von 47 Fluggesellschaften angeflogen, 27 inländischen und 18 internationalen. Der Flughafen hatte nur 21 Passagierziele, aber 44 Frachtziele. Ein Jahr später war Anchorage der viertgrößte Frachtflughafen der Welt, hinter Memphis, Hongkong und Shanghai.
Anchorage selbst wirbt mit seiner Lage. 90 Prozent der industrialisierten Welt seien in 9,5 Stunden erreichbar, so der Flughafen. Das sei einzigartig. Nach Angaben des Verbands Airport Council International verzeichnete er aufgrund der Pandemie den größten prozentualen Anstieg in Tonnen unter den zehn größten Frachtflughäfen der Welt.
Laut der Nachrichtenagentur Reuters erhielt und erhält der Flughafen Anfragen von Fluggesellschaften bezüglich Kapazitäten und verfügbarer Dienste für den Fall, dass internationale Strecken als Folge des Ukraine-Krieges betroffen sind.
Lufthansa mehrfach getroffen
Der Krieg Russlands gegen die Ukraine trifft Lufthansa mehrfach. Flugziele fallen weg, Umwege müssen geflogen werden und der Treibstoff wird teurer. Destinationen in der Ukraine und Russland machen zusammen ungefähr einen Prozent des Umsatzes der Lufthansa-Gruppe aus, teilte der Konzern auf seiner Jahrespressekonferenz am 3. März mit. „Dieses eine Prozent verlieren wir zurzeit leider, aber wir sind uns wohl einig, es gibt noch ganze andere Dinge die uns beschäftigen, als dieser einprozentige Umsatzrückgang, bei der Tragik, die wir da sehen“, sagte Lufthansa-Chef Carsten Spohr. Finanziell hat der Ausfall dieses Marktes somit nur eine geringe Auswirkung auf Lufthansa.
Die Einstellung der Russland- und Ukraine-Ziele sei aber nicht das einzige Problem für Lufthansa. Ostasien-Flüge müssten bemerkbar längere Routen fliegen. Der längste Umweg sei der nach Tokio, mit mehr als zwei Stunden extra Flugzeit je nach Wind, so Spohr. Das sorge für zusätzliche Kosten, etwa durch höheren Treibstoffverbrauch, längere Arbeitszeiten der Crew und längere Einsatzzeit der Flugzeuge.
Ein Vorteil entstehe durch die Umwege allerdings auch. Der Luftraum über Sibirien sei verglichen zu anderen Lufträumen deutlich teurer und koste alleine in der EU Fluggesellschaften jährlich etwa 400 Millionen Euro, so der Lufthansa-Chef. Weil der alternative Luftraum kostengünstiger sei, könne ein Teil der durch die Umwege entstehenden Zusatzkosten abgefedert werden. Insgesamt würden sich die geschätzten Kosten der Umwege gruppenweit auf einen einstelligen Millionenbetrag jeden Monat belaufen. Präzisere Zahlen lägen noch nicht vor.
Aufgrund der wegen der Corona-Pandemie starken Einschränkungen im Ostasien-Geschäft sei die Auswirkung erheblich kleiner, als in normalen Zeitend. 2019 hätte der Markt in Asien 20 Prozent aller Sitzkilometer der Lufthansa-Gruppe ausgemacht. Aktuell seien es nur noch zwei Prozent. Eine Öffnung Chinas erwartedt die Lufthansa-Führung nicht vor 2023.
Zu Zeiten der Sowjetunion fanden einige Flüge zwischen Europa und Ostasien über Anchorage in Alaska statt. Das sei für den Konzern jedoch keine Option. Zumindest für die Passagierairlines der Lufthansa-Gruppe nicht. „Wir haben das früher gemacht, aber zurzeit überwiegen die Vorteile der Südroute“, erklärt Spohr. Wenn überhaupt komme das nur für die Frachtsparte infrage. Das Netzmanagement der Fracht prüfe das, so Spohr. Weitere Details über einen potenziellen Stopp in Alaska von Lufthansa Cargo sind allerdings noch nicht bekannt.
Quellen: Reuters, Lufthansa, Airport Council International