Felix Mendelssohn Bartholdy´s Konzert-Ouvertüre „Die Hebriden“, seine Reformations-Sinfonie Nr. 5, und Jean Sibelius Konzert für Violine und Orchester standen auf dem Programm der beiden Eröffnungskonzerte des Rheingau Musik Festivals 2021. Bei den ersten Klängen der Konzert-Ouvertüre „Die Hebriden“ wandern meine Gedanken ganz spontan auf die schottische, grün-braune, romantische, melancholische Insel-Landschaft der Hebriden. Es ist der 27. Juni 2021. Ort des Geschehens ist aber der Rheingau, die mittelalterliche Basilika der Abtei des Kloster Eberbach bei Eltville am Rhein, die Bernhard von Clairvaux vor fast 900 Jahren gründete. Nach Monaten der Corona-Pandemie ist Aufbruchstimmung zu spüren. Trotz aktueller Corona-Verordnung, die von den Organisatoren strikt eingehalten wird, trotz Maskenplicht während des gesamten Konzerts (die absolut zu ertragen ist), ist die Begeisterung wahrnehmbar, dass es endlich wieder möglich ist, dieses einzigartige Rheingau Musik Festival! Wegen der Hygieneauflagen durften nur 650 Zuhörerinnen und Zuhörer in der Basilika Platz nehmen – halb so viele wie sonst.
In den beiden Eröffnungskonzerten des Rheingau Musik Festivals, die zugleich die letzten Konzerte von Andrés Orozco-Estrada in seiner Zeit als Chefdirigent des hr-Sinfonieorchesters Frankfurt sind, steht die Musik gewordene Selbstvergewisserung des aus einer jüdischen Familie stammenden, aber schon in jungen Jahren zum christlichen Glauben konvertierten Felix Mendelssohn Bartholdy, bekannt auch als »Reformations-Sinfonie« im Mittelpunkt. Darüber hinaus ist der deutsch-amerikanische Geiger Augustin Hadelich in der Basilika zu Gast mit dem berühmten Violinkonzert von Jean Sibelius.
Zu Beginn erklingt Mendelssohns Konzert-Ouvertüre »Die Hebriden«. Besonders die Elemente Wasser und Wind werden vom Komponisten eindrucksvoll in Töne gefasst und vom hr-Sinfonie Orchester eindrucksvoll wiedergegeben.
Darauf folgt das Konzert für Violine und Orchester d-Moll op 47 des Finnen Jean Sibelius. „Aus dem Nichts, der Tiefe finnischer Seen oder Ruhe des Waldes um den Konzertort Kloster Eberbach herum“ würden die zarten Streicherfiguren dieses Violinkonzert eröffnen. Das schreibt Ulrich Schardt im Artikel „Die Romantik erwacht aus der Stille“ im Programmheft. Die Naturassoziationen müssten nicht herbeigeschrieben werden, sie entstünden durch den malerischen Klangcharakter dieser eigentümlichen romantischen Musik, die ihresgleichen suche. Augustin Hadelich, geboren 1984 in Italien als Sohn deutscher Eltern in Italien, der sich derzeit als großer Geiger seiner Generation etabliert, beeindruckt auch an diesem Abend mit seiner Technik und der Überzeugungskraft seiner Interpretation. Er ist derzeit für drei Spielzeiten Associate Artist des NDR Elbphilharmonie Orchesters in Hamburg, das jungen Nachwuchsmusikerinnen und -musikern drei Spielzeiten lang Auftritte mit dem Orchester garantiert, um ihnen den Einstieg in den Konzertbetrieb zu erleichtern.
Auf Hadelich´s Zugabe, einem mitreißenden Louisana Medley auf der Violine – auch das hat er drauf – wäre in normalen Zeiten eine Pause gefolgt, in der man mit einem Gläschen Wein durch den Kreuzgang des Klosters geschlendert wäre. Das vermisse ich sehr.
Versöhnt hat mich wieder die darauf folgende „Reformations-Sinfonie“ Nr. 5 von Felix Mendelssohn Bartholdy. Im Zentrum der Sinfonie steht der letzte Satz, in dem der Komponist eine Choralbearbeitung des Luther-Liedes „Ein feste Burg ist unser Gott“ einfließen lässt. Die Soloflöte stimmt den Schluss-Satz, zum Glaubensbekenntnis im Bläsersatz, an. Beides gemeinsam bildet eine geniale Klammer. Gerade bei Mendelssohns Sinfonie Nummer 5, der sogenannten „Reformations-Sinfonie“, dirigiert Andrés Orozco-Estrada mit vollem Körpereinsatz und mit großen Gesten. „Wenn diese Sinfonie von Mendelssohn mit einem Choral beginnt und mit einem Choral aufhört, dann ist diese schöne deutsche Klangfarbe und Kultur wirklich sehr stark zu hören“, findet der Dirigent. In so einem Raum hat man ein starkes feierliches Gefühl und das ist ganz besonders.“ In seiner Funktion als Chefdirigent stand er zum letzten Mal vor dem hr-Sinfonieorchester. Ab September wechselt Orozco-Estrada zu den Wiener Symphonikern.
Dem Rheingau Musik Festival ist jedenfalls der „Neustart Kultur“ – der so dringend gebraucht wird – im Sommer 2021 mit den beiden Eröffnungskonzerten und dem Programm Angebot dieses Sommers bestens gelungen.
Das Rheingau Musik Festival bietet noch bis zum 5. September Konzerte aus Klassik, Jazz, aber auch Weltmusik und Pop.www.rheingau-musik-festival.de
Johanna Wenninger-Muhr