Am Sonntag, 31. Januar 2021, startet ein Lufthansa-Airbus A350-900 mit Forschern und Besatzungsmitgliedern des Forschungsschiffes Polarstern an Bord zum längsten Nonstop-Flug der Lufthansa-Geschichte: 13.700 Kilometer von Hamburg zur Militärbasis Mount Pleasant auf den Falkland-Inseln.
Um 21.30 Uhr heißt es für 16 Crewmitglieder und 92 Passagiere „Ready for take-off“. An Bord des Sonderfluges sind Wissenschaftler, die im Auftrag des Alfred-Wegener-Instituts, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) in Bremerhaven, für die kommende Expedition mit dem Forschungsschiff Polarstern auf den 15-stündigen Flug gehen. Der Airbus mit der Kennung D-AIXP zählt zu den weltweit nachhaltigsten und wirtschaftlichen Langstreckenflugzeugen.
Von Port Stanley starten sie zwei Tage später mit dem Forschungseisbrecher Polarstern des Alfred-Wegener-Instituts, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) ihre zweimonatige Expedition ins antarktische Weddellmeer. Zielregion ist das Gebiet vor dem Filchner-Ronne-Schelfeis weit im Süden des atlantischen Sektors des Südozeans.
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Polarstern-Expedition wollen auch in diesem Jahr die Langzeitdatenmessungen im Südpolarmeer fortsetzen, weil sie die Grundlage für das Verständnis der polaren Prozesse und die dringend benötigten Klimavorhersagen bilden. Auch unter Pandemie-Bedingungen kann das internationale Wissenschaftsteam nach gut zweiwöchiger Quarantäne und mehreren negativen Corona-Tests Richtung Antarktis aufbrechen.
Erforschung der Wechselwirkung und Veränderung des Systems Ozean-Eis-Biologie im Klimawandel
Die gut 50 Forscherinnen und Forscher wollen die Wechselwirkungen und Veränderungen des Systems Ozean-Eis-Biologie im Klimawandel entschlüsseln und deren Folgen besser vorhersagen. „Diese Prozesse beeinflussen sowohl den Meeresspiegelanstieg als auch den globalen Kohlenstoffkreislauf und damit die Fähigkeit der Ozeane, Kohlenstoffdioxid (CO2) aus der Atmosphäre aufzunehmen und langfristig zu speichern“, erläutert Dr. Hartmut Hellmer, physikalischer Ozeanograph am Alfred-Wegener-Institut und Leiter der Expedition.
Am Kontinentalhang nördlich des Filchner-Ronne-Schelfeises steigt die Wassertiefe von wenigen hundert Metern rasch auf über 3.000 Meter an. Große Mengen kalten Eisschelfwassers und salzhaltiges Schelfwasser treffen hier auf relativ warmes Tiefenwasser aus dem Norden und vermischen sich. Diese Tiefenwasserbildung ist ein wesentlicher Bestandteil der globalen Ozeanzirkulation, über die sauer- und nährstoffreiches Wasser aus den hohen Breiten Richtung Äquator strömt und im Gegenzug Wärme in die polaren Regionen gelangt. Durch die Vermischung der Wassermassen strömt seinerseits modifiziertes warmes Tiefenwasser in Richtung Schelfeis und kann dort von unten das Schelfeis – also die Ausläufer der Gletscher, die auf dem Meer schwimmen – schmelzen. „Unsere eigenen Daten der Jahre 2014 bis 2018 und die Messungen von norwegischen und französischen Kollegen zeigen auf, dass sich im Jahr 2017 warmes Tiefenwasser intensiver und weiter Richtung Schelfeis ausgebreitet hat als in den Vergleichsjahren. Deshalb sind wir jetzt sehr gespannt, was uns die Messungen seit 2018 zeigen“, berichtet Hartmut Hellmer.
Anstieg des Meeresspiegels und eine Veränderung der Ozeanzirkulation
„Eine dauerhafte Erwärmung würde die Ozeanzirkulation unter dem gesamten Filchner-Ronne Schelfeis beeinflussen. Unsere Modellrechnungen zeigen, dass das Schelfeis etwa in der Mitte unseres Jahrhunderts von unten stärker abschmelzen und sich damit der Eintrag von Inlandeis beschleunigen könnte. Der zusätzliche Süßwassereintrag hätte einen Anstieg des Meeresspiegels und eine Veränderung der Ozeanzirkulation und der Meereisbildung zur Folge mit Konsequenzen für die gesamte Biologie der oberen Wassersäule“, so der AWI-Ozeanograph.
Als Helfer für die Forschung agieren in nächster Zeit auch Robben: Bis zu zwölf Weddellrobben erhalten Sensoren, die Salzgehalt, Temperatur und Tiefe messen. Biologinnen und Biologen kleben sie den Tieren auf den Kopf; beim nächsten der jährlichen Fellwechsel werden die Robben auch den Sender mit ablegen. Die Sender übermitteln die unter Wasser gesammelten Daten per Satellit an die Heimatinstitute immer dann, wenn die Tiere auftauchen. Die Tauchmuster der Robben unter dem Eis zeigen ergänzend auf, wo sich vermutlich größere Mengen an Nahrungsorganismen aufhalten, denn nur dort werden die Robben längere Zeit zum Jagen verweilen.
Vorbereitungen für den Sonderflug auch für Lufthansa enorm
Da die Hygieneanforderungen rund um diesen Flug extrem hoch sind, ging die Lufthansa Crew vor zwei Wochen zeitgleich mit ihren Passagieren in einem Bremerhavener Hotel in Quarantäne, begleitet von einem virtuellen Informations- und Sportprogramm. Insgesamt sind die Vorbereitungen für den Sonderflug auch für Lufthansa enorm, beginnend mit zusätzlichen Trainings für die Piloten bis zu speziellen elektronischen Flug- und Landekarten, teilt das Unternehmen mit. Weil eine Nachbeladung am Zielort nicht möglich sei, werde das Flugzeug bereits in Frankfurt mit Catering versorgt. Außerdem werden Reinigungsmaterial und Staubsauger für die Falklandinseln mitgegeben, weil es örtlichen Bodencrews nach der Landung nicht erlaubt ist, an Bord zu gehen. Deshalb gehörten zur Lufthansa Crew auch Techniker und Bodenpersonal für die Abfertigung und Wartung vor Ort.
Der Rückflug startet am 3. Februar unter der Flugnummer mit Ziel München. Die Landung wird am Donnerstag, 4. Februar um 14:00 Uhr erwartet. An Bord werden dann auch Besatzungen der Polarstern sein, die am 20. Dezember in Bremerhaven aufgebrochen waren. jwm
Quellen: Konzernkommunikation Lufthansa Group, Informationsdienst Wissenschaft
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