Das ehemalige Zisterzienser Kloster Eberbach ist für die Aufführung von Carl Orffs musikalischem Feuerwerk „Carmina Burana“ der perfekte Ort. Er wurde auch für die Verfilmung von Umberto Eco´s „Der Name der Rose“ aus 300 Klöstern ausgewählt, als nach einem passenden mittelalterlichen Spielort gesucht wurde. Es verwundert nicht, dass Carmina Burana beim diesjährigen Rheingau Musik Festival dreimal komplett ausgebucht ist. Das betonte auch Michael Herrmann, Intendant und Geschäftsführer des Festivals, in seiner Begrüßungsrede in der Basilika. Die Landschaft im Rheingau, in die das Kloster eingebettet ist und die schlichte, zwischen 1136 und 1186 erbaute, dreischiffige romanische Basilika, haben eine magische Anziehungskraft.
Eröffnet wurde der Konzertabend mit Aram Chatschaturjans (1895-1982) Szenen aus dem Ballett „Spartacus“, mit dem Adagio von Spartacus & Phrygia aus der Suite Nr. 2 zum Ballett Spartacus und mit Aegina´s Variation & Baccanals aus der Suite Nr. 1. Der sowjetisch-armenische Komponist war einer der wichtigsten sowjetischen Komponisten der 1930er bis 1950er Jahre. Seine Musik galt in der Sowjetunion zur Stalin Zeit als konform und weniger sperrig als die eines Prokofjew oder Schostakowitsch.
Carmina Burana, lateinisch für “ Beurer Lieder oder Lieder aus Benediktbeuern“ ist der Titel einer szenischen Kantate von Carl Orff aus den Jahren 1935/1936. Die Texte in mittellateinischer und mittelhochdeutscher Sprache sind den Carmina Burana entnommen, einer Sammlung von im 11. und 12. Jahrhundert entstandenen Lied- und Dramentexten. Sie wurden in der Klosterbibliothek von Benediktbeuern gefunden. 1934 sucht der knapp 40-jährige Orff nach einem Stoff, der ihm zum großen Durchbruch verhelfen soll. In einem Würzburger Antiquariats-Katalog entdeckt er einen Titel, der ihn mit magischer Gewalt anzog: die Sammlung „Carmina Burana“ mit Lied- und Dramentexten, mit Trink- und Liebesliedern, moralische und satirisch gleichermaßen, ein Kompendium aus dem tiefsten Mittelalter. Die Urheber der Texte sind meist unbekannt. Die einzige erhaltene Handschrift stammt von etwa 1230. In diesem Buch wird das Leben gefeiert, die Liebe, der Eros. Und, es enthält die Klage über das Wirken der launischen Glücksgöttin Fortuna. Orff nutzt aus dieser Sammlung nur Teil und Einzelstrophen. Er sucht in Carina Burana nach Aussagen, die über dem Musikalischen stehen. Er findet auch Texte, die mitten im Leben stehen: „Estanus interius“ etwa ist eine ungehemmte Würdigung des Diesseits, eine Fress- und Sauforgie von Mönchen und Äbten. Die Auswahl umfasst eine weite Spanne weltlicher Themen: die Wechselhaftigkeit von Glück und Wohlstand, die Flüchtigkeit des Lebens, die Freude über die Rückkehr des Frühlings sowie die Genüsse und Gefahren von Trinken, Völlerei, Glücksspiel und Wollust.
Bei der Vertonung handelt es sich um eine völlige Neukomposition. Zur Entstehungszeit von Orffs Werk war noch kaum eine der originalen mittelalterlichen, Melodien rekonstruiert. So gestaltete er die Musik nach bereits bekannten Stilmerkmalen des Mittelalters.
Carmina Burana, das sind 24 Lieder und ein Instrumentalstück von rund einer Stunde Länge. Vieles ist ungewöhnlich, so zum Beispiel die Besetzung mit zwei Klavieren und Celesta sowie besonders großem Schlagzeug und verschiedenen Chören. Auch die Verwendung der einzelnen Instrumente ist ungewöhnlich. Die Streicher sind nicht oder kaum federführend, dafür die Bläser umso dominanter. Mit diesem Apparat gelingt es Orff die Texte zu durchleuchten und ihre poetische Idee freizusetzen. „Das Wort kann sich entfalten, ohne vom Orchester gefährdet zu werden“, heißt es im Programmheft.
„Das Wichtige ist der Text. Der wurde mit den Mitteln der Musik Klang und mit den Mitteln der Darstellung Bild. Die Sprache ist Geist und der Geist, der hinter diesen Worten ist, der wurde lebendig.“ (Carl Orff über Carmina Burana)
Carl Orff (1895-1982), der nie gemacht hat, was andere für richtig hielten, war Individualist, der sich für Sinfonie, Streichquartett oder Konzert nicht interessierte. Sein bekanntestes Werk die szenische Carmina Burana, wurde eines der populärsten Chorwerke des 20. Jahrhunderts. Die Uraufführung erfolgt am 8. Juni 1937 in der Oper in Frankfurt am Main.
Mit seiner „Carmina Burana“ hat Orff sein Lebensziel erreicht: er wurde zum Komponisten, der im Spielplan bleibt!
Die wunderschönen Stimmen der Sopranistin Anna Nekames, Ensemblemitglied der Oper Frankfurt, des Tenors Agustin Gómez, des Baritons Mario Cassi, der Limburger Domsingknaben, des Coro Sinfonico di Milano unter der Leitung von Massimo Fiocchi, das Orchestra Sinfonica Di Milano und die Akustik der Basilika ließen Carmina Burana zu einem magischen Klangerlebnis der ganz besonderen Art werden.
Wie populär Carl Orffs Carmina Burana ist, zeigen viele Beispiele. Ob Michael Jackson, ob bei Rappern und in der Kinogeschichte, ob als Klangkulisse für Boxkämpfe oder Werbespots: Orff Musik zieht ein breites Publikum in den Bann. Vor allem gilt das für das einleitende „O Fortuna“, dem hymnischen Eröffnungschor mit der wankelmütigen Glücksgöttin, die in ihrem Schicksalsrad thront. Er ist ein musikalischer Powerseller. Im Film „Excalibur“ wurde der rhythmische Chorgesang der Anrufung der Schicksalsgöttin Fortuna zentral einsetzt. Immer geht es um die Sinnesreizung des Archaischen.
Auf dem Höhepunkt der alles entscheidenden Schlacht wird im Leinwandepos aus dem Jahre1981 der Ruf nach Fortuna wach. Orffs Carmina Burana geben den dramatischen Soundtrack.
Was wäre, wenn Carl Orff Synthesizer zur Verfügung gehabt hätte?
Der legendäre The Doors Sänger Jim Morrison starb 1971 in Paris in einer Badewanne. Sein Grab auf dem Friedhof Père Lachaise ist zur ewigen Pilgerstätte geworden. Was das mit Carl Orff zu tun hat? Zunächst nichts. Doch! Im Film „The Doors „ von Oliver Stone erklingen die Carmina Burana. So weit, so gut. Wäre da nicht die Bearbeitung der Carmina Burana des inzwischen ebenfalls verstorbenen Keyboarders Ray Manzarek. Er war das musikalische Gehirn der Doors. Ein Jahr nach Orffs Tod, 1983, veröffentlichte er seine Carmina Burana, eine Art Recomposing in Zusammenarbeit mit Philip Glass, dessen Minimal Music das zyklisch-repetitive Moment in Orffs Musik fortsetzt. Manzarek und Glass verbannten das Orchester aus ihrer Bearbeitung und setzten den Synthesizer in den Mittelpunkt. Es lohnt sich, The Doors ebenso zu hören wie Orff und sich mit ihrer Geschichte auseinanderzusetzen, um die Einheit in der Vielfalt wie die Vielfalt in der Einheit, die für Orff sehr bedeutend war, für sich zu entdecken. Philip Glass hätte sich damals gefragt, „was Orff wohl getan hätte, wenn er dabei gewesen wäre und Synthesizer zur Verfügung gehabt hätte?“
Johanna Wenninger-Muhr
Quellen: RMF, Wikipedia, Internet