Schmerz, Trauer, Trost – Stabat Mater von Antonin Dvořák

RMF 2019: Eröffnungskonzert mit dem hr-Sinfonieorchester und dem MDR Rundfunkchor unter der Leitung von Andrés Orozco-Estrada in der Basilika von Kloster Eberbach/Foto: RMF. Ansgar Klostermann

Mit  Antonin Dvořáks großartigem sakralen Chorwerk „Stabat Mater“ wurde das 32. Rheingau Musik Festival am 22. und 23. Juni 2019 eröffnet. In der Basilika des Kloster Eberbach dirigierte Andrés Orozco-Estrada das hr-Sinfonierochester und den 60 Personen starken MDR-Rundfunkchor. Gerlind Romberger (Alt), Hanna-Elisabeth Müller (Sopran), Benjamin Bruns (Tenor) und Günther Groissböck (Bass) vollendeten mit ihren Soli, Duetts und Quartetts die gewaltige Klangwolke.

Eine Besonderheit des Eröffnungskonzerts war

RMF 2019: Einführungsvortrag von Prof. Dr. Dr. Julien Michel Friedmann/Foto: RMF, Ansgar Klostermann

der Einführungsvortrag von Prof. Dr. Dr. Julien Michel Friedmann. In seiner Rede ging er auf die aktuelle Stimmung in Deutschland, nach dem Mord an Regierungspräsident Walter Lübke, ein. Er appellierte an den Mut aller Bürger, sich zu äußern und nicht wegzuschauen, wenn einem etwas missfalle, vor allem wenn es sich um Respektlosikeit und Diskriminierung von Mitmenschen handele. Er forderte auf, Verantwortung zu übernehmen und nachzudenken, welcher Partei man seine Stimme bei Wahlen gebe und bekam dafür viel Applaus.

Der trauernden Muttergottes ist das Werk von Antonin Dvořák gewidmet. Doch es ist nicht nur das religiöse Bekenntnis, auch seinen ganz persönlichen Schmerz hat Dvořák den Noten eingeschrieben: die Trauer eines Vaters, dem der Tod seine drei Kinder nahm. Mit großem Einfühlungsvermögen hat er 1876 ein opulentes Chorwerk geschaffen, das zarte Töne ebenso anschlägt wie romantisches Pathos, das mitfühlen lässt. 1875 war seine Tochter Josepha zwei Tage nach der Geburt gestorben. Zwei Jahr später starb Innerhalb von wenigen Wochen seine knapp eineinhalbjährige Tochter an einer Vergiftung, danach sein Sohn an den Pocken.

Im Stabat Mater geht  es um Schmerz, um Marias Geschichte, die prototypisch für Leid und Trauer zahlloser Generationen steht. Der Text bot Dvořák die Möglichkeit, seinen persönlichen Schmerz zu kanalisieren, in Musik münden zu lassen. Gleichzeitig stellte er sich mti seinem Werk in eine Tradition abendländischer Kirchenmusik, die bis heute fortgeschrieben wird. Über 400 Komponisten leisteten bis in die Gegenwart hinein ihren Beitrag zur Geschichte der Stabat mater Vertonungen.

Die geistliche Kantate für Soli, Chor und Orchester gliedert sich in zehn Sätze ohne Pause von insgesamt 90 Minuten. Dem auwühlenden ersten Satz folgt im zweiten Satz, dem Quartett, ein sich stetig wiederholendes Motiv, das halb Seufzer und beschwichtigende Geste ist. Der dritte Satz erinnert an einen Trauermarsch. Im fünften Satz kommt ein auffallender Stimmungswechsel. Von nun an dominiert Dur das harmonische Geschehen. Nur der neunte Satz führt nochmal zurück in die düstere Grundstimmung. Im neunten Satz wird an die Moll-Welten des ersten Teils angeknüpft. Im zehnten und letzten Satz spürt man eine Art `Prozess der Heilung´. Am Ende lässt Dvořák sein Stabat Mater im dreifachen Pianissimo ausklingen. Frenetischer Applaus und standing Ovations waren die Zeichen für Anerkennung und die Begeisterung des Publikums für das Eröffnungskonzert 2019. jwm

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