Sie wurden ausgesiebt wie für eine Miss-Wahl und sahen wirklich was von der Welt: Früher hatten Flugbegleiterinnen noch Glamour. Ex-Stewardess Alexa Hengstenberg erinnert sich an die goldenen Jahre, als sie und ihre Kolleginnen nicht Saftschubsen waren, sondern Stars – und sexy.
„Die Bombendrohung erreichte uns bei der Zwischenlandung in Köln-Bonn. Wir waren von Frankfurt aus gestartet, an Bord die Elite des deutsche Journalismus. In Köln-Bonn sollten wir dann eigentlich nur kurz stoppen, um Willy Brandt, Walter Scheel und deren Entourage aufzunehmen, um dann weiter nach Moskau zu fliegen.
Doch statt in Richtung Eiserner Vorhang durchzustarten und die Gespräche über die Ostverträge zu führen, fanden sich Passagiere und Crew erstmal auf der Wiese neben dem Rollfeld wieder. Solange, bis die Bombenexperten das ganze Flugzeug geprüft und sichergestellt hatten, dass es sich hier um einen Fehlalarm handelte. Ich machte das Beste aus der Situation: Ich servierte Sekt.
Dies ist einer von zwei Momenten aus meinem Leben als Stewardess, den ich nie vergessen werde. Nummer zwei ist ein Film, der von einem Fernsehsender über meine Kolleginnen und mich gedreht wurde. Das Thema: unser Alltag über den Wolken. Stewardessen waren damals, Ende der Fünfziger, Anfang der sechziger Jahre, fast Popstars. Es gab keinen anderen Frauenberuf, der so viel Glamour versprühte, außer vielleicht Schauspielerin oder Mannequin. In Hochglanz-Magazinen berichteten Stewardessen von exotischen Orten, die sie bereisten, und von ihren wohlhabenden Gatten, die sie während der Arbeit kennengelernt hatten.
Harte Auslese
Unser Leben wurde regelrecht inszeniert, das Fernsehteam filmte mich während eines Stop Overs in Beirut im Bikini am Pool. Und später noch einmal zusammen mit einer Kollegin in der Maschine. Ich wog damals gerade mal 49 Kilo, sie ebenfalls unter fünfzig Kilo. Wir waren so schlank, dass wir nebeneinander durch den Mittelgang der Boeing 727 gehen konnten, ohne uns in die Quere zu kommen. Später, im Film, stellte uns der Sprecher bei dieser Szene vor. „Alexa Hengstenberg, die erste geschiedene Stewardess im Dienste der Lufthansa.“
Darauf war ich mächtig stolz. Denn bis dato hatte die Lufthansa keine geschiedenen Frauen eingestellt. Ich aber war trotz meiner gerade mal 22 Jahre bereits einmal geschieden, wovon ich mir meinen Traum jedoch nicht vermiesen lassen wollte. Ich hatte mich trotz dieses Makels beworben, und zu meiner Überraschung wartete ein paar Wochen später tatsächlich ein Flugticket im Briefkasten auf mich.
Man kann sich heute kaum noch vorstellen, welchem Ausleseprozess wir damals unterworfen wurden. Allein die ärztlichen Untersuchungen dauerten einen ganzen Tag. Wir mussten zwei Fremdsprachen sprechen, und zwar fließend. Unser Deutsch musste wie in der „Tagesschau“ sein, nur reines Hochdeutsch wurde geduldet.
Mit einer Brille hatte man keine Chance
Auch äußerlich durfte kein Makel das Gesamtbild stören, schon eine Brille allein reichte, um aussortiert zu werden. Dabei wandelten wir stets auf einem schmalen Grat: Zu auffälliges Make-Up wurde als ordinär gewertet und führte ebenfalls zur Aussortierung.
Waren Physis und äußeres Erscheinungsbild geprüft, mussten wir uns einem IQ-Test unterziehen und anschließend stundenlange Gespräche führen, in denen unsere Allgemeinbildung abgeklopft wurde. Auf französisch, englisch und deutsch, mit der damaligen Chefstewardess der Lufthansa, Ursula Tautz. Die war eine Berühmtheit! Weil sie darüber entschied, wer genommen wurde und wer nicht. Daumen hoch, Daumen runter – Ursula Tautz fällte die endgültige Entscheidung.
Wir Stewardessen waren damals viel mehr als heute Aushängeschild der Airline, deswegen wurde so streng auf Einheitlichkeit geachtet. Fliegen, das war nur einer ganz kleinen gesellschaftlichen Schicht vorbehalten. Es war zwar nicht mehr ganz so elitär wie in den fünfziger Jahren, als in der Super Constellation noch die Betten standen, aber meilenweit entfernt von dem, was man heute an Bord eines Flugzeuges erlebt.
Lange Aufenthalten an exotischen Orten
Und unsere Fluggäste, die viel Geld für ihren Flug bezahlt hatten, sollten standesgemäß versorgt werden. Wir waren nicht einfach Kellnerinnen in der Luft, sondern „Gastgeberinnen an Bord“. Das wurde uns während der Ausbildung immer wieder eingebläut, so stand es in der Speisekarte, das war unser Anspruch.
Dieser Anspruch kam natürlich vor allem auf den Interkontinentalflügen zum Tragen, da entstand 10 000 Meter über dem Boden eine richtige Gesellschaft. Wir zogen uns nicht bei jeder Gelegenheit in die Bulks, die Zwischenräume zurück, sondern eigentlich nur zum Essen. Den Rest der Zeit widmeten wir allein unseren Fluggästen. Ob es nun darum ging, älteren Damen die Flugangst zu nehmen oder mit Geschäftsleuten Small-Talk zu halten – wir waren die Gastgeberinnen an Bord, wir mussten dafür sorgen, dass sich jedermann wie ein König fühlte.
Im Gegenzug fühlten wir uns wie Königinnen, sobald der Flieger gelandet war. Denn anders als heute, wo die Crew nach ihrer gesetzlich vorgeschriebenen Ruhezeit sofort wieder den nächsten Flieger übernimmt, hatten wir lange Aufenthaltszeiten. Schon bei manchen Mittelstreckenflügen, so wie zum Beispiel nach Beirut, hatten wir zwei Tage Aufenthalt. Und bei Intercontinentalflügen waren es bis zu fünf Tage Aufenthalt für die gesamte Crew.
Zwischen den Flügen auf Safari
Tokio, New York, Chicago, Johannesburg, Nairobi, Bangkok, Karachi, Hong Kong – weil ich englisch und französisch sprach, flog ich vor allem Asien, Amerika und Afrika. Und die Aufenthalte waren einfach herrlich. Wir haben uns meist beim Abendessen überlegt, was wir am nächsten Tag unternehmen wollten und uns entsprechend aufgeteilt.
Ausflüge in den Krüger-Nationalpark mit Übernachtung im Zeltlager während des Stop-Overs in Johannesburg standen genau so auf dem Plan wie Expeditionen zu den Tempelanlagen von Chiang Mai im Norden Thailands bei Stop-Overs in Bangkok. Bei Aufenthalten in New York bin ich immer mindestens einmal ins Theater gegangen – auch wenn ich hin- und wieder aufgrund des Jetlags eingeschlafen bin. In diesen Momenten habe ich mich auch genauso gefühlt, wie ich es mir beim Lesen der Artikel über das Leben von Stewardessen erträumt hatte. Wenn ich bei Sonnenschein über die 5th Avenue in New York spazierte, dann wurde mein Schritt wippend vor Freude, und ich dachte immerzu: „Unfassbar, jetzt bist du hier, in New York und kannst all das mit deinen eigenen Augen sehen.“
Echte Höhepunkte waren auch die Sonderflüge, zu denen man von der Lufthansa bei vorbildlichem Verhalten und viele Belobigungen durch Fluggäste eingeteilt wurde, quasi als Belohnung. Sonderflüge etwa wie der mit Willy Brandt zu den Gesprächen über die Ostverträge.
Mit der Nationalmannschaft nach Mexiko
Ein anderes Mal flog ich mit der deutschen Fußballnationalmannschaft zu der Weltmeisterschaft 1970 nach Mexico. Einige Fußballer blieben die ganze Zeit vorne sitzen, Franz Beckenbauer zum Beispiel, mit seiner Frau Brigitte. Andere aber kamen nach hinten und haben mit uns Stewardessen geplaudert, Wolfgang Overath zum Beispiel, mit dem ich ein langes Pläuschchen hielt.
Das war dann aber auch schon der Gipfel des Glamours – danach ging es, zumindest nach meinem Empfinden, rapide bergab. Die Einführung der Boeing 747, dem Jumbo, mag für viele ein positiver Meilenstein in der Geschichte der Verkehrsfliegerei gewesen sein, für mich markiert er den Anfang vom Ende. Auf einmal hatten wir Stewardessen nicht mehr ein ganzes Flugzeug vor uns, denen wir eine Gastgeberin sein konnten, sondern nur einzelne Abschnitte, die zu bewirten waren. Die Crews wurden unübersichtlich groß und auch das Publikum änderte sich grundlegend.
Bislang waren vor allem Geschäftsleute und wohlhabende Menschen geflogen. Für die war das Flugzeug ein angenehmes und schnelles Transportmittel, sie wollten in der Regel vor allem ihre Ruhe haben. Etwas zu essen, klar, gerne auch mal einen Small-Talk, aber dann warteten wieder ihre Papiere. Auch die Stars, die wir flogen, waren oft bescheiden. Ray Charles zum Beispiel wollte in der ersten Klasse nur ein Glas Milch!
Der Anfang vom Ende
Die rasante Expansion der Verkehrsfliegerei Anfang der siebziger Jahre dagegen spülte ein ganz anderes Publikum zu uns in die Flieger. Die hatten sich den Flug in den Urlaub vom Munde abgespart und wollten nun auf ihre Kosten kommen. Drinks, Illustrierte, Essen – wir konnten nie genug bringen.
Auch die Stop-Overs waren auf meistens nur eine Übernachtung geschrumpft. Statt ein- oder zweimal in der Woche wurden die großen internationalen Ziele nun fast täglich angeflogen – wir übernahmen dann die Maschine am nächsten Tag. Keine Ausflüge mehr, kein Skatspielen am Pool, keine Spaziergänge über die 5th Avenue.
Alexa Hengstenberg, 70, studierte Literaturwissenschaft und flog von 1964 bis 1971 im Dienst der Lufthansa. Heute arbeitet sie gelegentlich als Übersetzerin.