Der Spiegel titelt mit „Schrumpfhansa“ – Deutschlands einstige Vorzeigeairline verschärft ihren Sparkurs“. Dass sich das Drama zuspitzt, habe auch die Bundesregierung zu verantworten. Welche Optionen Konzernchef Carsten Spohr hat, anaysieren die Spiegel-Autoren Dinah Deckstein und Martin U. Müller.
Was habe, so schreiben die Autoren, für eine Euphorie geherrscht, als die Aktionäre der Lufthansa vor etwa zwei Monaten dem sogenannten Rettungspaket für die in Schwierigkeiten geratene Lufthansa mit überwältigender Mehrheit zustimmten. Selbst der aufmüpfige neue Großaktionär, Knorr-Bremse-Patriarch Heinz Hermann Thiele habe auf der Hauptversammlung Ende Juni im letzten Moment eingelenkt. Das Ringen sei endlich zu Ende, frohlockten Beobachter, auch die Kunden und Mitarbeiter könnten sich freuen, da das Schlimmste – die drohende Insolvenz – erst einmal abgewendet sei.
Welch ein Trugschluss, das Drama um Deutschlands einstige Vorzeigefluglinie habe gerade erst begonnen. Und daran sei auch die Politik Schuld. Sie hatte dem moribunden Unternehmen Bedingungen aufgedrückt, die allenfalls eine kerngesunde Firma erfüllen könnte: Die stille Einlage von knapp sechs Milliarden Euro muss in den ersten zwei Jahren mit vier Prozent verzinst werden und danach sukzessive mit bis zu neuneinhalb Prozent. Traumkonditionen in Zeiten negativer Zinsen – für den Geldgeber. Gleichzeitig durfte der Bund seine direkte Beteiligung von 20 Prozent zum Schnäppchenpreis erwerben.
Am 21. September erfolgte das Revanchefoul des Lufthansa-Vorstands. Konzernchef Carsten Spohr und seine Kollegen wollen 150 Flugzeuge aus dem Verkehr ziehen und deutlich mehr als die bislang geplanten 22.000 Stellen abbauen, auch über Kündigungen.
Der freundliche Herr Spohr, so die beiden Spiegel-Autoren, sei zum knallharten Sanierer geworden. Ihm bleibe angesichts der sinkenden Nachfrage kaum anderes übrig, als aus der Lufthansa eine Schrumpfhansa zu machen und Notverkäufe einzuleiten. Sonst rausche der Konzern doch noch in die Pleite oder der Bund muss der Lufthansa helfen, ein Albtraum aus Sicht des Konzernvorstands nach dem monatelangen Gezerre um die Staatshilfen im Frühsommer.
Bloß keine weiteren Staatshilfen
Variante zwei sei für Spohr und seine Mitstreiter ohnehin von vornherein ausgeschieden, das habe sein Vorstandskollege Harry Hohmeister verraten, dessen Vertrag am Montag vorzeitig verlängert wurde, Ende August in einem Interview mit dem SPIEGEL. „Wir wollen nicht durchgefüttert werden, sondern unternehmerisch tätig sein“, sagte Hohmeister damals, “ und deshalb müssten die Kosten runter.“ Auf keinen Fall wolle man „noch einmal in eine Finanzierungsrunde mit der Bundesregierung gehen“.
Im kommenden Jahr sollen 50 Prozent Sitzplatztauslastung reichen, um keine Verluste einzufliegen. Ab 2022, wenn voraussichtlich die Regelung zum Kurzarbeitergeld ausläuft, müssten es schon 66 Prozent sein.
Doch was, wenn das nicht aufgeht? Aktuell sehe es mies aus, die Herbstferien dieses Jahr etwa fänden im Lufthansa-Buchungssystem so gut wie nicht statt. Mehr Schulden könne und wolle Lufthansa nicht aufnehmen. Zunächst könnte man Unternehmensteile verkaufen. Als prädestiniert würden die noch vorhandenen Teile des Caterers LSG Sky Chefs gelten, ein Minderheitsanteil der Lufthansa Technik oder der Finanzdienstleister AirPlus. Doch vor allem für die LSG und die Lufthansa Technik gebe es aktuell wohl keinen Käufer, der in diesen ungewissen Tagen viel Geld auf den Tisch legen würde – deshalb heiße es hier warten, um nicht unter Wert zu verkaufen.
Miles & More gilt noch als unantastbar
Töchter wie das Vielfliegerprogramm Miles & More würden laut Konzern-Insidern derzeit noch als unantastbar gelten – es liege zu nahe am Kerngeschäft. Springe das Geschäft nicht wieder an und würden folglich die Sparpläne nicht ausreichen, müssten Flugzeuge verkauft werden. Doch auch die dürften noch lange Zeit am Markt wenig wert sein. Entweder müsste der Staat dann direkte Zuschüsse an den Konzern zahlen, was Lufthansa in der Vergangenheit bei Wettbewerbern immer kritisiert hatte. Oder Deutschlands größte Fluggesellschaft flüchtet sich doch noch in ein sogenanntes Schutzschirmverfahren, eine Art Insolvenz light.
Quellen: Lufthansa, Der Spiegel,