Elektrisches Fliegen bietet ungekannte Chancen für die nachhaltige Mobilität der Zukunft. Eine wachsende Anzahl an Projekten aus Forschung und Industrie gehen der Frage nach, wie sich elektrische und damit emissionsfreie und geräuscharme Flugzeugkonzepte realisieren lassen und welche Anwendungsszenarien erfolgsversprechend sind.
Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) gehört zu den Vorreitern im Bereich des elektrischen Fliegens. Alle für die Elektrifizierung des Luftverkehrs notwendigen Kompetenzen kommen im DLR zusammen: Dazu gehören Batterie- und Brennstoffzellentechnologie, Know-how zu elektrischen Antrieben, die Integration alternativer Antriebssysteme ins Flugzeug ebenso wie die Flugerprobung und die Gesamtsystembewertung. Ende März tauschten sind mehr als 120 Vertreter aus Wissenschaft und Industrie zum Thema elektrisches Fliegen in Leinfelden-Echterdingen nahe Stuttgart aus. Zu den Schwerpunkten des Symposiums gehörten in diesem Jahr unter anderem Konzepte für elektrisches Fliegen, hybride Antriebssysteme, technische und Zulassungsaspekte sowie die Antriebsintegration anhand aktueller Projekte.
Emissionsfrei, kostengünstig, weniger Lärm
Elektrisches Fliegen verspricht im Wesentlichen drei Vorteile, beschreibt Dr.-Ing. Andreas Klöckner, Koordinator für Elektrisches Fliegen beim DLR: „Als erstes ist rein elektrisches Fliegen lokal emissionsfrei. Das bedeutet, das Flugzeug selbst stößt keine Schadstoffe aus. Als zweites ist zu erwarten, dass die elektrischen Antriebssysteme dank der geringeren Anzahl beweglicher Teile auch weniger Kosten bei Herstellung und Wartung verursachen. Und der dritte Vorteil: elektrische Antriebe ermöglichen komplett neue Flugzeugkonfigurationen, die den Treibstoffverbrauch und damit die Emissionen sowie die Lärmentwicklung weiter reduzieren dürften.“ Vor diesem Hintergrund rücken in naher Zukunft auch völlig neue Transportleistungen in den Bereich des Möglichen, wie beispielsweise Lufttaxis.
Flugzeuge für Kurz- und Mittelstrecken
Die Branche habe das Potenzial von elektrischem Fliegen definitiv erkannt, fasst der DLR-Forscher Prof. Josef Kallo zusammen. Fast alle großen Hersteller von Flugzeugen, Antrieben und Turbinen seien bereits aktiv auf diesem Gebiet. Auch die Förderer in Deutschland und Europa hätten das Potenzial erkannt, genehmigten und unterstützten diverse Vorhaben. Im Fokus stünden Projekte mit Leistungsgrößen zwischen einem und zwei Megawatt. Damit ließen sich Flugzeuge mit 20 bis 40 oder 50 Passagieren für Kurz- und Regionalstrecken realisieren. Wissenschaft und Industrie untersuchten, was mit vorhandenen Technologien möglich sei.
Kallo selbst betreut die vom DLR genutzte Forschungsplattform HY4: Das weltweit erste viersitzige Passagierflugzeug mit einem Wasserstoff-Brennstoffzellenantrieb hob im Jahr 2016 zum ersten Mal ab. Aktuell rüstet das Team um Josef Kallo das Forschungsflugzeug mit einem komplett neuen Antriebssystem aus, um im Herbst 2019 zu weiteren Flügen zu starten. Der Plan ist, nach und nach die Leistungsfähigkeit der Brennstoffzelle mindestens zu verdoppeln und Wasserstoff drei Mal so effizient zu speichern.
Fluglärm – limitierender Faktor
Fluglärm wird in Zukunft einer der limitierenden Faktoren beim Flugverkehr sein. Schon heute gibt es an den meisten Flughäfen Einschränkungen, zum Beispiel in den Nachtstunden. Leise Flugzeuge beseitigen die negativen gesundheitlichen Auswirkungen von Lärm und ermöglichen es, dem weiter steigenden Mobilitätsbedarf nachzukommen. Im Flug ist die Geräuschentwicklung, unabhängig von der Antriebsart, vorwiegend aerodynamisch bedingt: Schall entsteht an den Rotoren der Propeller oder Strahltriebwerke und bei der Umströmung der Flugzeugzelle. „Elektrische Antriebe sind dabei nicht immer und von selbst leise. Trotzdem ist erhebliches Lärmminderungspotenzial denkbar – dazu ist in den nächsten Jahren intensive Forschungsarbeit notwendig“, erklärt DLR-Forscher Prof. Jan Werner Delfs vom Institut für Aerodynamik und Strömungstechnik in Braunschweig. „Denn bei elektrisch angetriebenen Flugzeugen kann die Anordnung und Verteilung von Triebwerken am Flugzeug und deren Betrieb ganz neu gedacht werden“, so Delfs weiter. Das Flugzeugdesign kann wesentlich freier erfolgen in Verbindung mit vielen kleinen, verteilten elektrischen Triebwerken. So könnte zum Beispiel die Form der Tragflächen optimiert werden, das Seitenruder wesentlich kleiner aus- oder ganz wegfallen. Wie diese alternativen Flugzeugarchitekturen aussehen könnten, auch daran arbeiten die Wissenschaftler des DLR. jwm
Quelle: DLR