Als erste Airline fordert Norwegian Air Shuttle von Boeing nun Schadenersatz wegen des Flugverbots für das Modell 737 Max. „Wir erwarten von Boeing, diese Rechnung zu übernehmen“, erklärte der Billigflieger. Norwegian strich am 13. März rund drei Dutzend Abflüge aus Skandinavien, buchte die Passagiere um und setzte andere Flugzeuge ein. Die finanziell angeschlagene Airline gehört zu den großen Abnehmern der neuen, spritsparenderen Version der Boeing 737 in Europa.
Die US-Luftfahrtbehörde Federal Aviation Administration (FAA) begründete das Flugverbot mit „neuen Indizien“, die am Absturzort gesammelt worden seien. Das berichtet der APA-Korrespondent aus Washington. Man habe neue Satellitendaten des US-Anbieters Aireon erhalten. Die geplanten Nachbesserungen an der 737 Max würden mehrere Monate dauern, hätte der geschäftsführende FAA-Chef Dan Elwell gesagt. Er wisse nicht, wie lange das Flugverbot gelten werde. Berichte, dass ein geplantes Softwareupdate für die 737 Max wegen des Shutdowns, also des budgetbedingten Stillstands der US-Behörden von 22. Dezember bis 25. Jänner, erst verspätet erfolgt sei, entbehrten jeglicher Grundlage, hätte die Behörde am 13. März bekannt gegeben.
Die FAA hätte lange keine Veranlassung für ein Verbot gesehen. Die Überprüfung aller verfügbaren Daten hätte keine „systemischen Leistungsprobleme“ bei dem Flugzeugtyp ergeben. Es hätte keine Grundlage gegeben, ihn aus dem Verkehr zu ziehen. In den USA haben zwei Fluglinien die Boeing 737 Max 8 in ihrer Flotte: Southwest hat 34 Maschinen gekauft, American Airlines 24. Beide erklärten, volles Vertrauen in den Jet zu haben. An der allgemeinen Verunsicherung änderte das allerdings nichts, zumal bekannt wurde, dass Piloten in mindestens fünf Fällen bereits vor Monaten auf Probleme mit der Software hingewiesen haben.
Nase nach unten
Übereinstimmend hätten sie der US-Raumfahrtbehörde Nasa, die unabhängig von der FAA Flugdaten sammelt, berichtet, dass sich die Nase ihres Flugzeugs kurz nach dem Start plötzlich nach unten richtete. Ein Kapitän gab zu Protokoll, dies sei zwei bis drei Sekunden nach dem Einschalten des Autopiloten geschehen. Er habe den Autopiloten abgeschaltet, worauf die Maschine ihren Aufstieg normal fortgesetzt habe.
Indem die FAA den Eindruck erwecke, sie gehe allzu routiniert über Einwände hinweg, sei sie gerade dabei, ihren guten Ruf zu verspielen. So jedenfalls sieht es Mary Schiavo, einst Generalinspekteurin im Verkehrsministerium, heute Rechtsanwältin. Man könne ein Flugzeugmodell nicht als sicher einstufen, wenn gerade zwei Maschinen dieses Modells vom Himmel gefallen seien, rügte sie. „Und wenn Sie die Gründe nicht kennen, dann spielen Sie mit dem Leben von Passagieren, wenn Sie darauf bauen, dass es nicht noch einmal passiert.“ Es drohe bleibender Imageschaden.
In puncto Flugsicherheit sehen sich die USA als Nummer eins in der Welt, als die eine Nation, die für alle die Standards setzt. Auch in der jetzigen Debatte mangelt es nicht an Stimmen, die betonen, wie sicher das Fliegen ist. Das letzte große Unglück ereignete sich 2009 in der Nähe von Buffalo, wo 50 Menschen ums Leben kamen. Nun aber sieht es so aus, als gehe es einer Behörde vor allem darum, den Boeing-Konzern zu entlasten. Tatsächlich sei sie eng mit ihm verbandelt, so der APA-Korrespondent. Hätte sie sich bis 2005 noch auf unabhängige Fachleute verlassen, um Sicherheitszeugnisse auszustellen, so stützte sie sich heute ganz wesentlich auf die Kapazitäten des Herstellers.
Berichten amerikanischer Medien zufolge würden Boeing-Ingenieure Tür an Tür mit den FAA-Prüfern arbeiten, oft sogar deren Arbeiten übernehmen. Das Verfahren solle Zeit sparen und die von Personalnot geplagte Dienststelle entlasten. US-Verteidigungsminister Patrick Shanahan arbeitete 31 Jahre für Boeing, bevor er ins Pentagon berufen wurde.
Quelle: APA