Die schwer angeschlagene Fluggesellschaft Air Berlin sucht Wege aus der Krise. Fünf Konzernchefs in sechs Jahren, seit 2012 steigende Verluste, rund 1,2 Milliarden Euro Verschuldung: Deutschlands zweitgrößte Airline gilt unter Experten seit Jahren als nicht überlebensfähig. Dennoch hält sich die Fluggesellschaft immer noch in der Luft – getragen vor allem von Großaktionär Etihad aus Abu Dhabi.
Doch langsam wird es eng, aber Luftfahrtexperten sehen Möglichkeiten, wie es mit der Airline weitergehen könnte. Eine Möglichkeit, Air Berlin wieder fit zu bekommen, wäre ein neuer, zusätzlicher Investor mit frischem Geld und frischen Ideen. Luftfahrtexperte Cord Schellenberg sagt allerdings: „Der Mann mit der Wundertüte war schon da.“ Er meint Etihad, die staatliche Fluggesellschaft Abu Dhabis, die über nahezu unbegrenzte Mengen Geld zu verfügen scheint und bisher wenig von Air Berlin profitiert hat. Für Schellenberg ist klar: „Warum sollte man ein schlechtes Geschäft wiederholen?“
Genannt wird immer wieder Easyjet, auch aus dem Umfeld Air Berlins. Die Briten brauchen für den Fall, dass Großbritannien die EU verlässt, einen Standort innerhalb der Gemeinschaft, um weiter die lukrativen innereuropäischen Strecken bedienen zu können, etwa Berlin-Amsterdam. Schellenberg sagt: „Easyjet ist eine börsennotierte Fluggesellschaft mit sehr guter Kostenstruktur. Die wollen sicher kein Geld versenken.“
Sanierung in Eigenregie?
Eine dritte Möglichkeit wäre die Sanierung in Eigenregie: Air Berlin hat sich im vergangenen Herbst einen Sanierungskurs verpasst. 38 Air-Berlin-Maschinen fliegen jetzt einschließlich Piloten und Kabinenpersonal für die Lufthansa-Töchter Eurowings und Austrian Airlines. Das Ferienfluggeschäft wurde auf die Tochter Niki übertragen, die wiederum in einem Gemeinschaftsunternehmen des Reiseveranstalters TUI und von Etihad aufgehen soll. Mit den restlichen 75 Maschinen will sich Air Berlin auf die Flughäfen Berlin und Düsseldorf konzentrieren und vor allem die Langstrecke nach Nordamerika ausbauen. Doch Letzteres kostet erst einmal Geld, und daran fehlt es der Fluggesellschaft. Zudem ist Air Berlin in dem Geschäft nicht allein. „Die Nordamerikastrecken sind ein stabiler Markt, deshalb fliegen viele Fluggesellschaften sie“, sagt Schellenberg. „Entsprechend viel Kapazität gibt es. Und entsprechend niedrig sind die Preise. Sie können ab 350 Euro hin- und zurückfliegen.“ Kräftig in den Markt drängen auch Billigflieger wie Norwegian, die deutlich niedrigere Kosten haben als Air Berlin. Zudem legt Air Berlin bei der Vermietung der Flugzeuge an Lufthansa Geld drauf – allerdings sei der Verlust nicht so hoch wie zu der Zeit, als das Unternehmen die Flugzeuge selbst im Einsatz gehabt habe, sagt ein Insider.
Übernahme durch Lufthansa?
Seit bekannt wurde, dass Air Berlin Flieger und Besatzung an Lufthansa vermietet, heißt es immer wieder, die Nummer eins in Deutschland werde die deutlich kleinere Nummer zwei irgendwann übernehmen – zumindest den Flugbetrieb. „Das ist das wahrscheinlichste Szenario. Allerdings muss eine solche Hochzeit sehr gut vorbereitet werden. Bisher ist das nur eine Partnerschaftsanbahnung“, sagt Schellenberg. Bisher fliegen die Air-Berlin-Maschinen Kurz- und Mittelstrecke für Lufthansa. Bald könnten sie es auch auf der Langstrecke tun. „Das Nordatlantikgeschäft ließe sich mit der Kombination aus Eurowings und Air Berlin leichter entwickeln“, sagt der Luftfahrtexperte. Es entstünde eine starke deutsche Fluggesellschaft. Doch das Szenario hat Hürden: Zum einen die Frage, ob die Kartellbehörden eine noch engere Zusammenarbeit der Lufthansa mit der zweitgrößten deutschen Fluggesellschaft nicht doch kritisch sähen, zum zweiten die hohen Schulden von Air Berlin und zum dritten die hohen Kosten. Allerdings will weder in der Branche noch bei der Bundesregierung jemand die Insolvenz Air Berlins, schon gar nicht im Wahljahr. Sollte Etihad bereit sein, die rund 1,2 Milliarden Euro auszugleichen, könnte Lufthansa Air Berlin ganz auffangen und dafür Etihad im Gegenzug eine erweiterte Partnerschaft anbieten – etwa zusätzliche Flüge unter gemeinsamen Flugnummern.
Doch davon dürfte die Konkurrenz wenig halten. Der Widerstand vor allem bei Europas Nummer eins, Ryanai sei groß, meint Schellenberg. Ryanair-Chef Micheál O’Leary habe nichts zu verschenken. Er werde alles versuchen, den Zusammenschluss zu verhindern.
Anfang Februar hat der ehemalige Lufthanseat Thomas Winkelmann den Chefposten bei Air Berlin übernommen. Er hat am 28. April tiefrote Zahlen für 2016 vorgelegt, die noch sein Vorgänger Stefan Pichler zu verantworten hat.
Auch Pichler ist ehemaliger Lufthanseat. Er war in den 90er-Jahren Vertriebsvorstand der Lufthansa Passage Airline.
Air Berlin beschäftigt rund 8500 Mitarbeiter.
Quelle: Berliner Morgenpost