Jahrelang haben Emirates, Etihad und Qatar Airways die europäischen Airlines vor sich hergetrieben. Jetzt hätten sie selbst mit Problemen zu kämpfen, das berichtet das Handelsblatt am 9. März. Eine Konsolidierung am Persischen Golf habe hohe Hürden, sei aber nicht mehr ausgeschlossen.
Es wäre der denkwürdigste Moment gewesen auf der ansonsten von warmen Worten und Danksagungen geprägten Pressekonferenz von Lufthansa und Etihad am 1. Februar in Abu Dhabi. Kaum hätten Lufthansa-Chef Carsten Spohr und der scheidende Etihad-Chef James Hogan ihre neue Zusammenarbeit bekanntgegeben, folgte vom obersten Lufthanseaten ein Satz, den seine Gastgeber wahrscheinlich nicht auf ihrer Rechnung hatten: „Ich bin sicher“, so Spohr, „dass wir
am Golf mehr Rationalität sehen werden“, dabei habe er H.E. Mohamed Mubarak Fadhel Al Mazrouei angelächelt, den Verwaltungsratschef der Etihad Aviation Group, der vor dem Podium Platz genommen hatte.
Was Spohr unter mehr Vernunft versteht, dazu schweige er. Doch die Aussage befeuere Spekulationen, die seit einigen Wochen im Raum stünden: Werden die konkurrierenden Airlines Emirates und Etihad angesichts wachsender Probleme enger zusammenrücken, vielleicht sogar unter einem gemeinsamen Holding-Dach? Bei Etihad selbst würden derlei Überlegungen dementiert. Weder würden Szenarien einer Zusammenarbeit oder eines Zusammenschlusses mit Emirates durchgespielt, noch gebe es derzeit Gespräche zwischen beiden Airlines, habe ein Sprecher auf Anfrage des Handelblatts erklärt. Emirates hätte erst gar nicht auf eine Anfrage reagiert. Doch entscheidend seien in diesem Fall die Eigentümer, die beiden Emirate Dubai und Abu Dhabi, die traditionell sehr verschwiegen wären und auch in diesem Fall für eine Anfrage nicht zu erreichen.
Es gibt Handlungsdruck
Nach Informationen des Handelsblatts aus mehreren voneinander unabhängigen Quellen hätte es aber auf Ebene der Scheichs in beiden Emiraten zumindest Gespräche über das Thema gegeben.
Fest stehe zudem: Es gibt Handlungsdruck. Mit Emirates, Etihad und Qatar Airways bauten die Scheichs gleich drei gewaltige Airlines in unmittelbarer Nachbarschaft auf. Sie lägen zudem in einem Gebiet, das kaum eigene Passagiere habe. Emirates und Etihad gehörten zum Beispiel zu den Vereinigten Arabischen Emiraten, die mit rund neun Millionen Bürgern in etwa so viele Einwohner haben wie London. Viele Jahre hätte das das Wachstum dennoch funktioniert, nicht zuletzt dank der Umsteiger aus Europa. Doch nun kämen die Golfanbieter an ihre Grenzen. Emirates hätte in der ersten Hälfte des zeitlich versetzten Geschäftsjahres einen Rückgang des Ergebnisses um 75 Prozent zu verkraften gehabt. Tim Clark, Präsident von Emirates, überlege zurzeit, einen eigenen Billigableger für die Langstrecke auf die Beine zu stellen. Und auch Etihad habe Ende vergangenen Jahres eine Überprüfung der weltweiten Strategie angekündigt und kämpfe mit anhaltenden Verlusten bei den Beteiligungen Air Berlin und Alitalia.
Ein „Weiter so“ scheine nahezu ausgeschlossen. Auch Lufthansa-Chef Spohr gehe davon aus, dass es Veränderungen in der Wettbewerbslandschaft am Golf geben wird. Darauf deute nicht nur sein Zitat hin. Auch die eher zurückhaltend gestaltete Partnerschaft mit Etihad sei ein Indiz. Die Lufthansa-Flüge, die nun auch Etihad vermarkten dürfe (Codesharing), gehen von Frankfurt nach Rio de Janeiro und Bogota. Das seien für die „Hansa“ Nebenstrecken, intern „Karatchi-Strecken“ genannt – in Anlehnung an die pakistanische Hauptstadt, die Lufthansa gar nicht mehr ansteuere. Bei der angekündigten Zusammenarbeit in der Flugzeugwartung tue sich bislang nichts. „Da ist seit Anfang Februar wenig passiert“, hätte eine Führungskraft des Konzerns berichtet. „Herr Spohr wartet ab, wie es am Golf weitergeht. Er will die Tür zu Emirates nicht zuschlagen“, heißt es aus dem Umfeld des Aufsichtsrats.
Hürden für das Zusammenrücken
Doch die Hürden für ein Zusammenrücken von Etihad und Emirates seien groß. „Ökonomisch und auch strategisch würde eine Zusammenarbeit oder sogar ein Zusammenschluss von Etihad und Emirates ohne Frage sinnvoll sein“, sagt Gerald Wissel von der auf Luftfahrt spezialisierten Beratungsfirma Airborne Consulting in Hamburg. Beide Airlines gehören zu den Vereinigten Arabischen Emiraten. Die Drehkreuze in Abu Dhabi und Dubai liegen gerade einmal 140 Kilometer auseinander – in der Luftfahrt ein Klacks. „Aber dazu müssen viele nationale Befindlichkeiten überwunden werden. Das ist kein einfaches Thema“, sagt Wissel. Um das zu verstehen, muss man in die Vergangenheit zurückschauen. Anfang der 70er-Jahre flog dort nur eine Airline, Gulf Air. Sie gehörte den vier Staaten Bahrain, Katar, Abu Dhabi und Oman. Doch dann starteten 1985 die Herrscher in Dubai mit ihrer Airline Emirates. Unter Führung des Australiers Tim Clark wuchs Emirates rasch und weckte Begehrlichkeiten auch bei den Nachbarn. 1993 stieg Katar bei Gulf Air aus und gründete Qatar Airways. Zeitgleich verlegte Oman seinen Fokus auf die eigene Oman Air. Und 2003 startete Abu Dhabi seine Etihad. Nach dieser von Neid und Eifersucht begleiteten Trennung nun wieder zusammenzufinden dürfte den Herrschern in Abu Dhabi und Dubai nicht leicht fallen.
Vor allem in Dubai, so sei zu hören, werde das Thema Kooperation „eher mit spitzen Fingern angefasst“. Doch könnte Abu Dhabi, sollte man eine Zusammenarbeit mit dem Rivalen präferieren, durchaus Druck ausüben. Das Emirat verfüge anders als Dubai über Öl. Als 2009 das Immobilienunternehmen Dubai World in Folge der Finanzkrise in Schwierigkeiten geriet, hätte Abu Dhabi dem Nachbarn mit zehn Milliarden Dollar kurzfristig ausgeholfen.
Drei unterschiedliche Geschäftsmodelle am Golf
Die drei Airlines am Golf arbeiten zudem mit drei unterschiedlichen Geschäftsmodellen. Qatar setzt auf Investments und eine Zusammenarbeit mit der IAG, einer der drei großen europäischen Airlines. Emirates versucht den Alleingang mit großen Flugzeugen über das Drehkreuz Dubai. Und Etihad baut auf Beteiligungen an kleineren europäischen Airlines. „Vor allem Etihad musste erkennen, dass die Idee, sich über Beteiligungen schnell Zugang zum europäischen Markt zu verschaffen, nicht funktionierte“, sagt Wissel. Auch Emirates habe Probleme. Es zeige sich, dass eine ausschließlich aus Großraumjets bestehende Flotte Grenzen hat. An vielen Flughäfen wären solche Flugzeuge schlicht nicht zu füllen, sagt Berater Wissel. Außerdem seien die sehr langen Umsteigezeiten von Emirates in Dubai für europäische Fluggäste ein Hindernis.
Wie stark solche Argumente am Persischen Golf zählen, sei schwer einzuschätzen. Vielleicht, so schreibt das Handelsblatt, kommen die Herrscher in Dubai und Abu Dhabi zur Erkenntnis, dass es nicht sinnvoll ist, sich gegenseitig zu bekämpfen, während Qatar Airways nebenan in Doha zusammen mit dem starken Partner IAG weiter an einem Airline-Imperium baut.Angesichts dessen erscheine es sinnvoll, für Emirates und Etihad eine abgestimmte Wachstumsstrategie zu formulieren – gegen den gemeinsamen Gegner Qatar. Das wäre zwar nur ein kleiner Kompromiss, aber doch das, was Lufthansa-Chef Spohr prognostiziere: mehr Vernunft.
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