Derzeit befinden sich über 40 Impfstoffe gegen SARS-CoV-2 in der Testphase. Wissenschaftler halten die Zulassung eines Mittels gegen das neuartige Coronavirus im ersten Halbjahr für realistisch. Alle großen Frachtairlines treffen Vorkehrungen für den Tag X, an dem ein zugelassener Impfstoff zur Verfügung steht und schnell weltweit verteilt werden muss. Nach einer Schätzung des Linienluftfahrtverbands IATA wird die Verteilung eines Impfstoffs eine logistische Herkulesaufgabe, die rechnerisch bis zu 8.000 747F-Flüge erfordern könnte. Die Luftfrachtindustrie scheint aber nur bedingt auf die Verteilung vorbereitet zu sein.
Zu diesem Ergebnis kommt eine Umfrage des Internationalen Luftfrachtverbandes TIACA. Nur 28 Prozent der insgesamt 181 befragten Unternehmen fühlten sich gut gerüstet für die reibungslose, sichere und schnelle Verteilung des Impfstoffes.
Geantwortet haben Vertreter von Airlines, Flughäfen, Speditions- und, Bodenabfertigungsunternehmen sowie Anbieter von Logistik- und Softwarelösungen. Sie alle sind am Transport von Medikamenten und Impfstoffen beteiligt – und sollten es auch bei der Vorbereitung sein.
Impfdosen sind eine hochsensible Fracht
Impfdosen stellen ein höchst sensibles Frachtgut dar, das konstant gekühlt werden muss und so schnell wie möglich zu seinem Einsatzort gelangen sollte. Dies in einem Umfang zu bewerkstelligen, den Regierungen und Bevölkerungen vor dem Hintergrund der aktuellen Pandemie erwarten, ist eine Herausforderung.
Da bisher kein Impfstoff gegen SARS-CoV-2 allgemein anerkannt wurde, sind die genauen Bedingungen, die es beim Transport einzuhalten gilt, noch nicht weitläufig bekannt.
Am besten vorbereitet auf den Transport fühlen sich denn auch die 20 Prozent an Airlines und Unternehmen, die schon in direktem Kontakt mit Impfstoffentwicklern stehen. „Was sie im Austausch mit den Pharmaunternehmen an ihren bestehenden Prozessen geändert haben?“, wollte TIACA wissen.
Globale Verteilungskämpfe
65 Prozent gaben an, dass ihre aktuellen Standards dem Transport des Impfstoffes genügen. Die übrigen 35 Prozent haben Expertenteams eingesetzt, die sich ausschließlich mit der Verteilung des SARS-CoV-2-Impfstoffes befassen.
Zudem erweitern und vertiefen sie ihre Zusammenarbeit mit den jeweils anderen Beteiligten am Transport. Einige verbessern Verpackungsmethoden und Kühlungslösungen mit Trockeneis.
Darüber hinaus investieren sie in Technologien, mit denen sie die Lieferungen dokumentieren und nachverfolgen können. Denn auch das ist eine Herausforderung, die bei den Impfstoffen gegen SARS-CoV-2 neu ist: sie sind weltweit heiß begehrt, Regierungen sichern sich schon vor der Zulassung Millionen von Dosen und werden die Lieferung der ersten Chargen misstrauisch verfolgen.
Und auch dies: genauere Informationen ließen sich die ihrer Ansicht nach gut vorbereiteten Unternehmen nicht entlocken. Denn ihr Wissen bedeutet einen enormen Vorteil im Wettbewerb um die Verteilung des Mittels gegen das Virus.
Vom Frachtgeschäft, das mit den Transporten der Impfstoffe gegen SARS-CoV-2 einhergeht, erhoffen sich insbesondere Airlines eine finanzielle Erleichterung nach den wirtschaftlichen Einbußen, die eben jenes Virus verursacht hat.
Corona verlängert Lebenszeit der MD-11F
Die Corona-Krise könnte der alt gedienten MD-11F von Lufthansa Cargo zu einer weiteren Verlängerung verhelfen. Die Airline will die Frachter laut Insidern als Reserve über den 31. Dezember 2020 hinaus in der Flotte behalten, denn beim weltweiten Transport von Impfstoffen wird Luftfracht zum wichtigsten Glied in der Kette. Die Trennung war eigentlich schon beschlossen: 2020 sollte die gemeinsame Zeit von Lufthansa Cargo und der MD-11F enden. Das sei auch weiterhin „der aktuelle Sachstand“, so ein Lufthansa-Cargo-Sprecher.
Lufthansa Cargo hat gerade die achte 777F erhalten, eine neunte wird in Kürze in Frankfurt erwartet. Dass sechs MD-11F überhaupt noch Teil der Flotte sind, liegt am Luftfrachtboom in der Pandemie. In der Krise könnte die MD-11F noch weiteres Mal eine wichtige Rolle spielen. „Alle großen Frachtairlines treffen Vorkehrungen für den Tag X, an dem ein zugelassener Impfstoff zur Verfügung steht und schnell auf die Welt verteilt werden muss“, sagt ein mit dieser Aufgabe befasster Luffhansa Cargo Manager. Nach einer Schätzung des Linienluftfahrtverbands IATA wird die Verteilung eines Impfstoffs eine logistische Herkulesaufgabe, die rechnerisch bis zu 8.000 747F-Flüge erfordern könnte. Lufthansa Cargo prüfe vor diesem Hintergrund, die MD-11F noch „bis Frühjahr 2021“ in Frankfurt zu belassen. Lufthansa betreibt an den Drehkreuzen Frankfurt und München eigene „Pharma Hubs“ zum Umschlag kühlpflichtiger Medikamente. Wenn es darum gehen wird, einen Impfstoff gegen das Corona-Virus zu transportieren, werde Lufthansa Cargo alles unternehmen, um eine schnelle Verteilung über den Luftweg zu ermöglichen“, hatte Lufthansa-Cargo-Fracht Spezialist Jörg Bodenröder Ende August auf einem Fachkongress erklärt.