Verborgene Schätze unter Lima 608, Quebec 102 und Mike 984

Foto: Nationalpark Hohe Tauern

Die Luftstraßen ,Lima 608´, ,Quebec 102´ und ,Mike 984´ führen über eines der schönsten Gebiete der Ostalpen, über ein Stück Europa, das weitgehend unerschlossen geblieben ist, über ein Stück unberührte Natur, über den Nationalpark Hohe Tauern.

In Zeiten wie diesen werde es immer wichtiger gemeinsam den Weg weitergehen, um erfolgreich zu sein für unsere Mutter Erde, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel am 1. Juni nach der Ankündigung Donald Trump´s aus dem Pariser Abkommen auszusteigen. Wir brauchen dieses Pariser Abkommen, um unsere Schöpfung zu bewahren. Nichts kann und wird uns dabei aufhalten.“

Der Großglockner/Foto: NPHT

Die höchsten Gipfel Österreichs, Großglockner und Großvenediger, die größte zusammenhängende Gletscherfläche der Ostalpen, über 150 Dreitausender, über 100 Bergseen, 27 Gletscherbäche, die Krimmler Wasserfälle, die höchsten Europas, mächtige Felswände und weite Rasenlandschaften bilden die Kernzone des Nationalparks Hohe Tauern, die sich unter diesem Luftstraßennetz verbirgt.

Zwei Zonen mit unterschiedlichem Schutzcharakter sorgen dafür, dass Planzen und Tiere in ihrer Vielfalt erhalten bleiben. Die Kernzone wurde niemals vom Mensch mitgestaltet. Almen, Bergmähder und Schutzwälder führen vor Augen, was der Mensch in Harmonie mit der Natur über Jahrhunderte geschaffen hat. Auf der Suche nach Lebensraum besiedelten die Menschen schon vor Jahrtausenden die Täler der Hohen Tauern. Diesen Bauern, Hirten und Jägern fehlten die technischen Mittel, der Natur Gewalt anzutun. Sie nutzten den Verstand, um ihre Lebensweise den Gesetzen der Natur anzupassen. So gestaltete die Arbeit das alpine Kulturland, ohne die Ökologie in Konflikt mit der Ökologie zu bringen.

Schödersee, Salzburger Land/Foto: Nationalpark Hohe Tauern

Das Gebirge aber flößte den Menschen Angst ein. Vermutete man dort, wo sich Unwetter, Hagel, Lawinen und Muren zusammenbrauen, den Sitz böser Geister und Hexen. In einem Hexemprozess bezeugte 1575 ein Pinzgauer Hirte, auf einem Gletscher einen Hexensabbat gesehen zu haben: ‚“Diese Wettermacherinnen“ seien auf Besenstíelen über die Berggrate geritten, hätten Gletscherblöcke zu Hagelkörnern zerhackt und damit die erntereifen Felder im Tal verwüstet. Was die Menschen trotz allem auf die Berge der Hohen Tauern lockte, war das Gold. Zur Blütezeit des Goldbergbaus Mitte des 16. Jahrhunderts kamen von dort rund zehn Prozent der Weltproduktion. Zudem führten seit dem Altertum die wichtigsten Handelswege zwischen Adria und Deutschland über die Pässe der Hohen Tauern.

Angst vor den Bergen schlägt um in Angst um die Berge

Im Juni blühen die Almrosen im Nationalpark Hohe Tauern/Foto NPHT

Die Erschließung der Alpen durch Bergbahnen, Straßen und Tourismus entwickelte aber schon vor Jahrzehnten eine derartige Dynamik, dass sich die Angst vor den Bergen in die Angst um die Berge, um die unberührte alpine Landschaft, verwandelte. 1909 enstand in München der Verein ,Naturschutzpark´. Er verschrieb sich der Aufgabe, in den Hohen Tauern die alpine Flora und Fauna zu schützen, Gebirgsbäche, Bergseen und Wasserfälle in ihrem natürlichen Verlauf zu erhalten und sie vor Ausnutzung für Industrie oder Eisenbahnzwecke zu bewahren. An diesem Punkt setzte die Entwicklung zum Nationalpark Hohe Tauern ein. 

Die Idee, in den Hohen Tauern einen Nationalpark zu errichten, wurde kurz nach der vorigen Jahrhundertwende geboren. Die Verwirklichung ließ aber bis in die 1980er-Jahre auf sich warten. Der Nationalpark Hohe Tauern, der 1 800 Quadratkilometer umfasst, existiert in Kärnten seit 1981, in Salzburg seit 1984 und seit 1992 in Tirol. Die Besitzverhältnisse stellen sich dar wie in keinem anderen Nationalpark Europas. Bis auf Gebirgsbäche und Seen, etwa 45 Hektar, ist der Nationalpark in Privateigentum: 44 Prozent Agrargemeinschaften, zehn Prozent bäuerliche Einzelbesitzer und 46 Prozent der österreichische Alpenverein. Er hat 278 Quadratkilometer zur Verfügung gestellt und ist somit größter Grundbesitzer. Ein Nationalpark auf Privatgrundbesitz ist nur möglich durch eine starke Einbindung der einheimischen Bevölkerung.

Euro-Charta für nachhaltigen Tourismus

Der unterste der Krimmler Wasserfälle. Die feinen Wassertropfen des Sprühnebels sind 200 mal feiner als jene, die aus Asthmasprays kommen/Foto NPHT.

Einst hieß der Urlaub in den Bergen „Sommerfrische“ und das war stets sanfter Tourismus, der auf die Kraft der zwei Beine statt auf den Komfort der vier Räder setzte. Der sanfte Tourismus ist naturverträglich und nationalparkkonform, zumal der Nationalpark Hohe Tauern ausdrücklich dem Wohle des Menschen dienen soll. Körperliche Anforderungen ohne Stress, beobachtendes Wandern und Beschaulichkeit helfen manch verschüttete Erlebnisfähigkeit wieder freizulegen und zu schärfen. So etwa wird im Winter Schneeschuhwandern in unberührter Natur angeboten. Viele Themenwanderungen stehen zwischen Juli und September zur Wahl. Von leicht bis anspruchsvoll ist man entweder Tieren auf der Spur, folgt dem Weg des Wassers, überquert Gletscher, kocht Wildfrüchte oder sammelt Kräuter.

Themenwanderungen mit Nationalparkrangern

90 Kilometer südlich der Stadt Salzburg laden traditionsreiche Bergdörfer des Pinzgaus, Pongaus und Lungaus ein zum Urlaub vom Alltag.

HABITALP – Entwicklungen in den Alpen besser einschätzen und vorhersagen

300 Teilnehmer aus 34 Nationen beschäftigten sich 2002 mit dem Thema Nationalpark und Tourismus. Den Hohen Tauern wurde dabei die Auszeichnung `Euro-Charta für nachhaltigen Tourismus´ verliehen. Zu einem einzigartigen Forschungsprojekt haben sich elf Schutzgebiete, davon acht Nationalparks aus europäischen Ländern zusammengeschlossen. Mit dem von der EU finanzierten Projekt werden Instrumente geschaffen, die es ermöglichen, Entwicklungen in den Alpen besser einschätzen und vorhersagen zu können. Dabei bedient sich die Forschung bestimmter Methoden, die einen größtmöglichen Überblick bei bestmöglicher Detailschärfe erlauben: der Luftbildinterpretation.

Infrarot-Lichtbilder werden als Grundlage für die Erstellung eines über den gesamten Alpenraum anwendbaren, einheitlichen Klassifizierungsmodus zur Interpretation von Luftbildern verwendet. Damit werden Fragen, wie sich der Klimawandel auf die alpinen Hochlagen, der landwirtschaftliche Strukturwandel auf die Almregionen oder bauliche Maßnahmen auf die Schutzgebiete tatsächlich auswirken, alpenweit beantwortet werden können. Initiiert und ausgearbeitet haben dieses Großprojekt der Nationalpark Hohe Tauern und Nationalpark Berchtestgaden.

Foto: WWF.at

 

Zu hoffen bleibt, dass der nachhaltige Schutz der Alpen dadurch gewährleistet wird und davon abhält, noch mehr Lifte und Bahnen in unwegsames Gelände zu bauen, um es für den Tourismus zu erschließen. Nach internationaler Übereinkunft sollen Nationalparks landschaftlich besonders eindrucksvolle und bewahrenswerte Lebensräume von Pflanzen und Tieren erhalten und der Mensch sich versagen, in natürliche Abläufe einzugreifen.

Johanna Wenninger-Muhr

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