Hogan beteiligte sich 2011 mit 29,2 Prozent an Air Berlin und machte Etihad damit zum größten Aktionär der deutschen Airline. Im September 2013 übernahm Etihad Air Serbia, drei Monate später stieg Hogan bei Alitalia ein. Die Beteiligungen hätten sich als Fehlinvestitionen entpuppt und flogen in Summe über die vergangenen Jahre mehr als 2,5 Milliarden Euro Verlust ein. Air Berlin schloss allein 2015 mit einem Minus von 477 Millionen Euro ab. Wie die Zeitung berichtet, hätten mehrere Quellen bestätigt, dass Etihad im Januar mit dem Rückbau ihres Europageschäfts beginnen wolle.
Aufsichtsratsmitglied Ahmed Ali AI Say-egh werde dabei die Führung übernehmen. Geprüft werde etwa ein Notverkauf deutlich unter Wert, berichten Insider. Etihad ließ alle Fragen zum Thema unbeantwortet.
Der gebürtige Australier wolle als der Manager in die Branchengeschichte eingehen, der vielleicht nicht die größte, dafür aber die beste Fluggesellschaft der Welt aufgebaut hat. Ob der 60-jährige Hogan dieses Ziel erreichen wird, sei fraglich. Laut mehrerer voneinander unabhängiger Quellen hätte der Eigentümer der Fluggesellschaft, die Vereinigten Arabischen Emirate, Hogan vor wenigen Tagen mitgeteilt, sich von ihm trennen zu wollen.
Die erst im Juli 2003 gegründete Fluggesellschaft stecke in einer Krise. Zwar zeigten die nur rudimentär verfügbaren Geschäftszahlen bis 2015 Wachstum bei Umsatz und Passagierzahl. So etwa sei der Umsatz im vergangenen Jahr von 7,6 auf 9,02 Milliarden US-Dollar gestiegen. Der Nettogewinn sei von 73 auf 103 Millionen US-Dollar gestiegen. Doch auch wenn diese Zahlen laut Etihad nach IFRS-Standard erhoben und von Deloitte geprüft wurden, hätte die Airline keinen detaillierten Geschäftsbericht vorgelegt.
Anders sei das, was zurzeit bei Etihad passiere, kaum zu erklären. Das Unternehmen stehe vor einem radikalen Umbau. Das schier endlose Wachstum der ersten 13 Jahre sei Vergangenheit. Bei der Staatsairline sollen bis zu 3 000 der gut 26 000 Stellen wegfallen. Betroffen seien Bodenmitarbeiter, aber auch das fliegende Personal. Und das sei erst der Anfang.
Nach Informationen des Handelsblatt steht das gesamte Europa-Engagement zur Disposition. Hogan beteiligte sich 2011 mit 29,2 Prozent an Air Berlin und machte damit Etihad zum größten Aktionär der nach Lufthansa zweitgrößten deutschen Fluggesellschaft. Im September 2013 stieg Etihad bei Air Serbia ein, drei Monate später bei Alitalia. Zudem kaufte er ein Paket am Schweizer Regionalflieger Darwin Airlines. Das Ziel: Etihad wollte schnell Zugang zu europäischen Kunden, ist Europa doch einer der größten Reisemärkte der Welt. Aus eigener Kraft war es schwer, das geplante rasante Wachstum darzustellen. Ausländische Airlines sind gesetzlich limitiert, was Verkehrsrechte angeht. Sie dürfen in einem europäischen Land nur eine begrenzte Zahl von Flughäfen oder Verbindungen ins Programm aufnehmen.
Europäische Beteiligungen entpuppen sich als Verlustbringer
Doch in Wirklichkeit hätten sich die größten europäischen Beteiligungen als Verlustbringer entpuppt. Alitalia schrieb in den vergangenen drei Jahren 1,3 Milliarden Euro Nettoverlust. Air Berlin schloss allein 2015 mit einem Minus von 477 Millionen Euro ab. Erst vor wenigen Tagen schoss Etihad 300 Millionen Euro nach, indem man kurzfristig die Hälfte der österreichischen Air-Berlin-Tochter Niki kaufte, bevor diese Anteile in ein Joint Venture mit Tuifly gehen. Nur Air Serbia stehe wirtschaftlich besser da, schloss das Jahr 2015 mit einem Nettogewinn von 3,9 Millionen Euro ab, einem Plus von 44 Prozent. Allein das Engagement bei Air Berlin habe Etihad bislang über eine Milliarde Euro gekostet. Bei Alitalia summiert sich das Investment sogar auf 2,54 Milliarden Euro. Zunächst sah es danach aus, als ob Etihad hier die Trendwende hinbekommen könnte. So konnte Alitalia den Verlust 2015 von 580 auf 199 Millionen Euro reduzieren. 2017 sollen dann schwarze Zahlen erreicht werden.
Doch nach jüngsten Informationen aus Etihad-Kreisen soll Alitalia wieder rote Zahlen schreiben. Italienische Medien berichten, dass für 2016 ein Verlust von 400 Millionen Euro und im kommenden Jahr von sogar 500 Millionen Euro erwartet werde.
Strategiewechsel beginnt im Januar
Für Luftfahrtexperten wie Gerald Wissel vom Beratungsunternehmen Airborne Consulting steht diesen Ausgaben ein bislang nur mäßiger Erfolg gegenüber. Er verweist darauf, dass Etihad den Auftrag habe, die Zukunft des Emirates jenseits der Öleinnahmen zu sichern und nennt den Wettbewerber Emirates als Beispiel. „Dort wird die Stadt Dubai, der Flughafen und die Airline als eine Einheit vermarktet, um den Tourismus als Standbein der Zukunft zu stärken“, sagt er: „Air Berlin, Alitalia oder Air Serbia helfen Etihad hierbei nicht.“ Das habe offenbar auch der Board of Directors, der Verwaltungsrat von Etihad, erkannt. Wie mehrere Quellen aus dem Umfeld des Kontrollgremiums bestätigen, sollen die Aufseher Hogan das Vertrauen entzogen haben. Im Januar solle mit dem Strategiewechsel begonnen werden, heißt es. Das Gremium habe Aufsichtsrat Ahmed Ali AI Say-egh auserkoren, die Neuordnung des Europa-Geschäfts zu überwachen. Er gilt im Kontrollgremium schon länger als eher kritischer Beobachter der Strategie von Hogan.
Geprüft werde laut Insidern etwa ein Notverkauf, also ein Verkauf der Beteiligungen unter Wert. Die Vorbereitungen liefen bereits, zum Beispiel bei Air Berlin. Ein Teil der Airline soll in ein Joint Venture mit Tuifly eingehen. An dem will sich Etihad mit 25 Prozent beteiligen. Ob es dabei bleibe, sei derzeit offen. Der Rest von Deutschlands zweitgrößter Fluggesellschaft dürfte früher oder später bei Lufthansa landen.
Alitalia: Neuer Investor gesucht
Und in Italien habe Hogan schon gedroht sich zurückzuziehen. Bei der Regierung in Rom sei das nicht gut angekommen. Es wird berichtet, dass die Regierung bereits auf der Suche nach einem alternativen Investor ist.
Noch länger Hunderte von Millionen Euro in marode Airlines in Europa zu stecken sei definitiv ausgeschlossen, berichten Kenner der Situation. Etihad selbst schweige zu den Vorgängen. Ein Sprecher der Fluggesellschaft hätte per Mail gegenüber der Nachrichtenagentur Bloomberg lediglich bestätigt, dass sich das Unternehmen neu organisieren und restrukturieren, Kosten senken, die Produktivität und Einnahmen überprüfen wolle. Airlines Berater Wissel begrüßt den sich abzeichnenden Strategiewechsel. „Die Positionierung von Etihad ist nicht klar. Einerseits ist man Premiumanbieter, andererseits gehören zur Gruppe schwache Fluggesellschaften“, sagt er. Insofern sei es eine Chance für die Staatsairline, wenn man nun umsteuere.
Golfairlines verwundbar?
Dass die bislang aggressiv auftretenden und stark wachsenden Fluggesellschaften vom Persischen Golf verwundbar sind, hätte keiner für möglich gehalten. Nicht nur die Staatsgesellschaft Etihad habe offenbar Probleme. Mit Emirates, so schreibt das Handelslblatt, müsse auch die sehr viel ältere und weitaus etabliertere Airline der Vereinigten Arabischen Emirate deutliche Rückschläge erleiden. So sei das Nettoergebnis von Emirates im ersten Halbjahr um 75 Prozent auf 214 Millionen US-Dollar eingebrochen. Der Umsatz habe trotz der um neun Prozent gestiegenen Passagierzahl leicht auf 11,4 Milliarden US-Dollar nachgegeben. Die Zahlen zeigten: Auch an Emirates geht der Preiskampf in der Branche nicht spurlos vorüber. „Der verstärkte Wettbewerb sowie die anhaltende wirtschaftliche und politische Unsicherheit in vielen Teilen der Welt haben zu einem Abwärtstrend bei Preisen sowie einer gedämpften Reisenachfrage beigetragen“, erklärte Verwaltungsratschef Scheich Ahmed bin Saeed AI Mak-toum den Abwärtstrend. Wie der gesamten Branche machen auch den Fluggesellschaften aus Abu Dhabi, Dubai und Doha mehrere Entwicklungen zu schaffen. Erstens herrschen im Luftverkehrsgeschäft zurzeit massive Überkapazitäten. Im Kampf um Marktanteile werfen die Airlines weltweit Angebot auf den Markt. Die Folge: Die Auslastung der Flugzeuge sinkt und damit auch die Profitabilität. Zweitens treffen diese Überkapazitäten auf eine sinkende Nachfrage, weil immer mehr Länder unter den geopolitischen Krisen leiden und beispielsweise Touristen ausbleiben. Drittens greifen zum Beispiel mit Norwegian in Europa oder Jet Blue in Nordamerika Billigfluggesellschaften im Langstreckenverkehr an, der bislang ausschließlich den Premiumanbietern vorbehalten war. Getrieben werde diese Entwicklung durch den zuletzt sehr günstigen Ölpreis, der Kampfpreise auch auf Langstreckenverbindun- gen möglich mache.
Besserung nicht in Sicht – auch nicht am Golf
Eine Besserung sei nicht in Sicht, auch nicht am Persischen Golf. So gehe die Weltluftfahrtorganisation lATA in ihrer jüngsten Prognose davon aus, dass die im Mittleren Osten angesiedelten Airlines im kommenden Jahr ein addiertes Nettoergebnis von 300 Millionen US-Dollar erzielen werden, nach immerhin 900 Millionen US-Dollar, die wohl im laufenden Jahr in den Büchern stehen werden. Gleichzeitig werden die Golf-Airlines ihre Kapazität 2017 wohl erneut um in Summe zehn Prozent ausbauen, was den Druck auf die Preise erhöhen dürfte. Hinzu kommen laut IATA steigende Gebühren an Flughäfen.
Die Entwicklung zwinge die Airline-Manager zum Umdenken. Nicht nur in Abu Dhabi, dem Sitz von Etihad, wird an einer neuen Strategie gebastelt. Auch in Dubai, wo Emirates sein Hauptquartier hat, denke man über neue Wege nach. So prüfe die Spitze der Fluggesellschaft aktuell Pläne, einen eigenen Billigableger für Langstreckenflüge zu gründen. „Mehr und mehr internationale Netzwerk-Fluggesellschaften beginnen, in das Geschäft mit Low-Cost-Flügen auf der Langstrecke zu drängen“, sagte Tim Clark, President von Emirates, kürzlich bei einer Veranstaltung in Berlin. Der Ausblick für das kommende Jahr sei zwar eher schwach, „aber wir werden unser Geschäft weiter ausbauen, wir haben da noch einige Pläne in Arbeit“, kündigte Clark an.
Die ersten Warnungen gibt es bereits. Sollte die zweitgrößte deutsche Fluggesell-schaft Air Berlin tatsächlich mehr oder weniger ganz im Branchenprimus Lufthansa aufgehen, würden die Ticketpreise durch die Decke gehen, heißt es. Das sei laut Handelsblatt auf den ersten Blick eine durchaus nachvollziehbare Sorge. Allein – sie ist nicht wirklich begründet. Die „Roten“ und die „Gelben“ bekämpften sich, wo es nur ging. Air Berlin-Chef Hunold etwa attackierte Lufthansa vor Jahren mit einer für Air Berlin damals neuen Verbindung von Frankfurt nach Hamburg. Das traf mitten ins Herz der größten Fluggesellschaft Europas. Lufthansa konterte mit Kampfpreisen und verjagte den Rivalen nach kurzer Zeit wieder. Die Fluggäste freuten sich über solche Auseinandersetzungen. Doch diese Zeiten sind vorbei. In den letzten Jahren musste sich Lufthansa gar nicht mehr groß mit dem heimischen Erzrivalen auseinander-setzen. Viel zu schwach war der geworden. Ständige Verluste, negatives Eigenkapital, ein Schuldenberg von über einer Milliarde Euro, eine total verkorkste Strategie – wie soll angesichts solcher Voraussetzungen ein ernst zu nehmender Wettbewerb gegenüber dem Branchenführer generiert werden?
Natürlich habe Lufthansa das Sticheln gegen den deutschen Konkurrenten nicht gelassen. Über Monate hätte man im politischen Berlin zum Beispiel alle Register des Lobbyismus gezogen, um die sogenannten Codeshares, Gemeinschaftsflüge von Air Berlin und dem Großaktionär Etihad, zu bekämpfen. Doch diese Attacken richteten sich gegen die Golf-Airline, ein weitaus gefährlicherer Konkurrent als der kleine deutsche Rivale.
Zwingender, absolut richtiger Schritt
Die jetzt sich abzeichnende Konsolidierung auf der deutschen Anbieterseite sei ein zwingender und absolut richtiger Schritt. Auch ein so wirtschaftlich starkes Land wie Deutschland brauche nur eine nationale Fluggesellschaft. Kaum ein anderes Land in vergleichbarer Größe leiste sich heute noch zwei „nationale Carrier“. Selbst am Persischen Golf, wo bislang Geld in Mengen verfügbar war, merke man, wie schwer das ist. Mit Emirates und Etihad gibt es in den Vereinigten Arabischen Emiraten gleich zwei Premium-Anbieter, Letzterer ist eine reine Staats-Airline. Schon länger fragten sich Experten, wie das auf Dauer gutgehen könne. Wichtiger sei es, in einem so exportorientierten Land wie Deutschland dafür zu sorgen, dass der eine nationale Anbieter stark genug ist, um gegen die anderen bestehen zu können. Denn der Wettbewerb werde massiv zunehmen. Daran werde das Verschwinden von Air Berlin nichts ändern. Der aus Verbrauchersicht durchaus positive Kampf um jeden Kunden werde dadurch vielmehr angeheizt. Es sei zu erwarten, dass das Kartellamt im Zuge einer Übernahme zumindest auf jenen Strecken, wo die „Gelben“ und „Roten“ zusammen den Markt beherrschen, verlangen wird, Kapazitäten an Rivalen abzugeben. Aggressiv wachsende Airlines wie Ryanair oder Easyjet lauern bereits.
Norwegian und Wow Air bauen Billigangebot massiv aus
Mit Norwegian oder Wow Air gibt es zudem Gesellschaften, die ihr Billigangebot auf der Langstrecke massiv ausbauen – auch an den großen deutschen Drehkreuzen wie Frankfurt oder Düsseldorf. Hinzu komme: Der wichtige Reisemarkt Deutschland wird bei einem Brexit für europäische Airlines interessanter denn je sein. Vor allem britische Fluggesellschaften wie Easyjet oder die IAG dürften Kapazitäten nach Deutschland verlagern. Nur so kommen sie weiterhin in den Genuss europäischer Verkehrsrechte, die Großbritannien nach einem Austritt aus der EU wohl verlieren wird. Was in jedem Fall falsch sei, sei der Eindruck, mit Air Berlin würde die einzige deutsche Fluggesellschaft neben der Lufthansa verschwinden. Mit Airlines wie Condor und Tuifly gebe es noch andere respektable und in ihrer Nische sehr erfolgreiche Unternehmen. Hinzu kämen viele kleinere Anbieter wie etwa Germania. Sie alle sorgten für Wettbewerb, der sich dann vor allem gegen Lufthansa richte.