Etihad-Chef James Hogan verläßt die Airline aus Abu Dhabi

JamesHogan_1_Wide.jpg
James Hogan/Foto: Etihad

James Hogan, Chef der Etihad Aviation Group, geht von Bord.  In der zweiten Jahreshälfte will er zu einer Investmentgesellschaft der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) wechseln, gemeinsam mit Finanzchef James Rigney. Die Suche nach Ersatz laufe bereits.

„Wir sind James Hogan sehr dankbar“, schrieb Mohamed Mubarak Fad-hel AI Mazrouei, Verwaltungsratschef der Etihad Aviation Group. Binnen nur zehn Jahren habe er es geschafft, das Unternehmen von einem rein regionalen Carrier zu einem globalen Luftfahrtkonzern zu machen. Hogan sei schon seit Weihnachten entmachtet, ist aus Abu Dhabi zu hören. Der 1956 in Australien geborene Manager hinterlasse zwar eine globale Airline, aber eine mit einem Beteiligungs-Portfolio, das den Scheichs mittlerweile schlaflose Nächte bereite. Vor allem Air Berlin und Alitalia verbrennen seit Jahren Geld, ohne dass ein Ende absehbar ist. Fehler will Hogan gleichwohl nicht einräumen. Noch vergangene Woche verteidigte er auf einer Branchenveranstaltung in Dublin trotzig seine Strategie des Einstiegs bei angeschlagenen Fluggesellschaften: „Die Investitionen hatten einen unmittelbaren Einfluss auf unsere Ertragsseite. Denn sie haben unseren Umsatz um Hunderte Millionen Dollar gesteigert und es uns ermöglicht, unsere Anschlussflüge zu füllen.“

Verkauf verlustträchtiger Beteiligungen ist eine Option

Doch bei den Vertretern der Eigentümer Etihads, der Herrscherfamilie von Abu Dhabi, der Hauptstadt der VAE, klingt das mittlerweile anders. „Wir müssen uns weiterentwickeln und unsere Kapitalbeteiligungspartnerschaften mit anderen Fluggesellschaften jeweils anpassen“, so Mazrouei. Kurz vor Weihnachten wurde bekannt, dass Etihad seine Strategie auf den Prüfstand stellt. Der Verkauf der verlustträchtigen Beteiligungen ist eine Option, wie in Abu Dhabi zu hören ist.

Noch allerdings gibt es am Persischen Golf keine abschließenden Entscheidungen. Es gebe im Verwaltungsrat Mitglieder, die für eine harte Sanierung stehen, aber auch Stimmen, die eher kleinere Schritte bevorzugen, heißt es im Umfeld von Etihad. Deshalb haben die Scheichs beschlossen, vorerst noch mal Geld bei den Investments nachzuschießen, bis eine Lösung gefunden ist. Alitalia bekommt 300 Millionen Euro. Air Berlin hat jüngst über einen Asset-Deal mit der Air-Berlin-Tochter Niki die gleiche Summe erhalten. Beiden soll damit zumindest das „Überwintern“ ermöglicht werden.

Herkulesaufgabe

2203040746
Thomas Winkelmann/Foto: Hans-Jürgen Bauer

Weit kommen die Airlines damit nicht. Das weiß auch Thomas Winkelmann. Anfang Februar übernimmt der Noch-Lufthanseat bei der zweitgrößten deutschen Airline das Ruder – und hat eine echte Herkulesaufgabe vor sich. Er muss die Dreiteilung des Unternehmens umsetzen. Die touristischen Verkehre gehen in ein Joint Venture mit Tuifly unter Beteiligung von Etihad. 38 Flugzeuge werden an die Lufthansa-Plattform Eurowings vermietet. Air Berlin selbst konzentriert sich auf die Drehkreuze Berlin und Düsseldorf mit Zubringer- und Langstreckenflügen.

Experten wie Gerald Wissel vom Luftfahrt-Berater Airborne Consulting sehen für die Airline, wenn überhaupt, nur eine Chance: „Air Berlin sollte sich endlich aus der Abhängigkeit von Etihad befreien. Das gilt vor allem bei der Flugplanung und der Steuerung.“ Die neue Führung dürfe konsequent nur noch jene Strecken besetzen, die auch wirklich wirtschaftlich zu verantworten seien. „Deshalb muss allerdings nicht gleich die Partnerschaft mit Etihad aufgekündigt werden“, glaubt Wissel. Gleichzeitig müsse sich der neue Air-Berlin-Chef von der Idee freimachen, eine zweite Lufthansa bauen zu wollen, mahnt Wissel: „Das hat bislang nicht funktioniert, und es wird auch in Zukunft nicht funktionieren.“ Auch müsse geprüft werden, inwieweit die Mitgliedschaft in der Luftfahrtallianz One World für alle Beteiligten noch wirtschaftlich sinnvoll sei. „Die Frage stellt sich, welchen Nutzen Air Berlin daraus künftig noch ziehen will.“

Rahmenbedingungen denkbar ungüstig

„Doch selbst wenn Winkelmann all das beherzigen sollte“, schreibt das Handelsblatt, „die Rahmenbedingungen, unter denen er startet, sind denkbar ungünstig. Da sind nicht nur der gewaltige Schuldenberg von mehr einer Milliarde Euro sowie das negative Eigenkapital in fast der gleichen Höhe. Auch die Dreiteilung selbst hat es in sich, kann die Situation vorübergehend sogar weiter verschärfen.“ Mit künftig 75 Flugzeugen ist Air Berlin auf die Größe einer eher kleinen Fluggesellschaft geschrumpft, hält aber vorerst weiterhin die Strukturen eines Full-Service-Anbieters vor, mit eigenem Direktvertrieb, Loyalitätsprogramm, Technikbetrieb und anderem mehr. Der geplante Abbau von bis zu 1200 Stellen brauche Zeit und koste erst einmal. Das seien Kosten, die Winkelmann gar nicht so schnell drücken könne, wie es erforderlich sei. Gleichzeitig zeige der Trend bei der Treibstoffrechnung nach oben. Lufthansa hat das Budget für die Tankrechnungen im laufenden Jahr bereits um 400 Millionen Euro heraufgesetzt. Auch hier drohen zusätzliche Ausgaben. Zu allem Überfluss könnten Anleger ab März eine Wandelanleihe zurückgeben, die Frage der Finanzierung sei bis heute ungeklärt.

Immerhin: Die Auslagerung großer Teile der Flotte und Crews ins Joint Venture mit Tui und zu Eurowings reduziere die operativen Risiken und stabilisiere den Umsatzstrom. Dennoch dürften die finanziellen Verpflichtungen kaum aus dem laufenden Betrieb gedeckt werden. „Air Berlin verbrennt weiter täglich Geld“, heißt es im Umfeld der Airline, die solche Informationen unkommentiert lässt.

Scheichs haben nur begrenztes Interesse

Erneut auf Hilfe aus Abu Dhabi, so das Handelsblatt, sollte Winkelmann besser nicht setzen. Die Scheichs hätten nur noch ein begrenztes Interesse an den Etihad-Beteiligungen. Die Zeitenwende sei an einer aktuellen Entscheidung des scheidenden Air-Berlin-Chefs Stefan Pichler abzulesen. Kurz bevor er sich
verabschiedet, habe er beschlossen, ab dem Winterflugplan 2017 fünf Mal in der Woche direkt von Berlin nach Hongkong zu fliegen. Damit greife er den Großaktionär an, der nicht dagegen vorgehe. Bislang kann man Hongkong aus Berlin nur über das Drehkreuz Abu Dhabi erreichen.

Die Streckenwahl ist zudem intern bei Air Berlin hochumstritten. „Die Flugzeuge zu füllen wird eine echte Herausforderung“, bringt eine Führungskraft von Air Berlin die Sorgen im Management auf den Punkt. „Denn weder im Business- noch im Touristikbereich gibt es in Berlin ausreichend Fluggäste.“ Und ein Drehkreuz, an dem es viele Umsteigepassagiere gibt, ist Berlin auch nicht. Doch Pichler schwärme schon seit seinem Amtsantritt vor zwei Jahren von Asien-Verbindungen. Warum er allerdings ausgerechnet Berlin als Start-Flughafen gewählt habe, wisse auch intern bei Air Berlin keiner. Zur Auswahl stand auch die Verbindung von Düsseldorf nach Schanghai, die in internen Wirtschaftlichkeitsrechnungen deutlich besser abschnitt.

Derzeit 14 Airbus A330 bis 2019 auf 22 aufstocken

Bei Air Berlin wolle man diese Informationen nicht kommentieren. Zu hören sei  aber, dass die dortige Mannschaft auffällig langsam an die Realisierung des Projekts „Hongkong“ herangehe. Viele wollten wohl die Zeit bis zum Amtsantritt von Winkelmann überbrücken, in der Hoffnung, dass dieser die Entscheidung wieder kassiere, bevor größerer wirtschaftlicher Schaden entstehe. Doch selbst wenn es so kommen sollte, habe Winkelmann ein Problem: Wohin sollen die Langstreckenflug-zeuge, die die Airline bestellt hat, fliegen? Deutschlands zweitgrößte Fluggesellschaft will die Langstreckenflotte von derzeit 14 Airbusse 330 bis 2019 auf 22 aufstocken. Die Leasingverträge seien bereits unterzeichnet. Doch der Markt sei eng, der Wettbewerb gewaltig. Auf den Verbindungen nach Nordamerika tobe bereits ein heftiger Preiskampf. Auch viele Asien-Verbindungen wären  mit Anbietern gut besetzt. Im Umfeld von Air Berlin werde deshalb nicht ausgeschlossen, dass Winkelmann auch den einen oder anderen Langstrecken-Airbus samt Crew Eurowings zur Miete anbieten wird. Lufthansa-Chef Carsten Spohr schielt laut Handelsblatt schon länger auf diese Flugzeuge, um die Eurowings-Flotte für die Fernziele aufzustocken. Hinzu komme: Der bisherige Mietpartner für die Langstrecke, das mit Turkish Airways betriebene Joint Venture Sunexpress Deutschland, habe bei der operativen Umsetzung nicht geglänzt. Maschinen seien ausgefallen, es fehle an Crews, die Passagiere saßen teils mehrere Tage am Urlaubsortfest. Mit Winkelmann bei Air Berlin hätte Spohr jemanden, von dem er weiß, dass er sich auf ihn verlassen kann.

Plan B: Übernahme durch Lufthansa?

Und sollte es am Ende mit der Sanierung doch nicht klappen, gebe es ja noch Plan B: die Übernahme durch Lufthansa. Die ist zwar nicht ganz trivial. So betonte Spohr vor wenigen Tagen erst die Hürden einer solchen Transaktion. Die Kosten von Air Berlin würden „keinem Shareholder Spaß“ machen. Auch die Frage, wer denn die Schulden von Air Berlin übernehme, sei ein Problem. Hinzu kämen möglicherweise kartellrechtliche Hürden etwa auf EU-Ebene. Und geschickt kolportieren Lufthansa-Kreise in diesen Tagen die Informationen, der Air-Berlin-Deal werde erst dann infrage kommen, wenn Winkelmann den Rivalen saniert habe.

Doch Insider sehen solche Aussagen als Teil des gerade laufenden Verhandlungspokers um die Zukunft von Air Berlin. Lösbar seien die Probleme mittelfristig, heißt es im Umfeld von Lufthansa. So kursiere zum Beispiel als Lösung für die Frage der Übernahme der Schulden das Szenario, ein Staatsfonds aus Abu Dhabi könnte sich mit einem Anteil (drei bis zehn Prozent) an Lufthansa beteiligen, im Gegenzug für das Glattstellen der Air-Berlin-Schulden. Bestätigt seien, so das Handelsblatt, solche Spekulationen bislang allerdings nicht.

Quelle: Handelsblatt

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert