„Wenn du deinen Gegner nicht besiegen kannst, dann musst du ihn umarmen“

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Die Lufthansa Group/Foto: Lufthansa

Überkapazitäten im Markt produziert durch Billig- und Golf-Carrier – machen den klassischen Airlines in Europa das Leben schwer und eine Konsoli-dierung der ,Spieler am Himmel´  rückt immer näher.

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Foto: Emirates/Etihad

Dabei würden nicht mehr die Großen die Kleinen ,fressen´ sondern die Großen sich zusammentun, sind Airlines-Experten sich sicher. Wie, dazu ein Ausblick.

Es sieht nach Salamitaktik aus: Anfang 2015 beteiligte sich Qatar Airways zunächst mit knapp zehn Prozent an der International Airlines Group (IAG) um British Airways (BA) und Iberia. Im Mai stockte ihr Chef Akbar AI Baker den Anteil auf 15,7 Prozent auf. Anfang der Woche – der Aktienkurs der IAG steht nach dem Brexit-Votum der Briten mit knapp 4,50 Euro mehr als zwei Euro unter dem Jahreshoch  – kaufte AI Baker erneut nach. Sein Anteil liegt nun bei 20 Prozent.  Die Staatsairline aus dem Emirat Katar gehört mit ihren 8,9 Mrd. Euro Umsatz nicht zu den Großen am Himmel, ist aber  nach wie vor dank fließendem Öl in Katar, finanziell hochpotent –  und sie ist in Kauflaune. Vor wenigen Wochen hatte sie sich, bereits an der südamerikanischen La-tam beteiligt und bei der italienischen Nummer zwei, Meridiana, eingekauft.
Qatar-Chef Akbar Al Baker treibt Konsolidierung voran

„Die Strategie von CEO Akbar AI Baker unterscheidet sich gegenüber den anderen Golfcarrieren“, sagt Gerd Pontius, Chef der Airline-Beratung Prologis. Qatar kaufe sich über Minderheitsbeteiligung bei starken Partnern in strategisch wichtigen Märkten ein und treibe damit die Konsolidierung in der Luftfahrt voran. Das setze auch die Lufthansa-Gruppe unter Druck. Erklärtes Ziel deren Chefs Carsten Spohr sei es, selbst einen aktiven Part zu spielen bei der Neuordnung am Himmel. Daher

rede man mit jedem, und jeder rede mit uns, hätte Spohr in einem Interview erklärt. Er hätte damals auch erklärt: „Wir haben keine Eile!“ Das war Ende April 2016. Mittlerweile – nach Brexit-Votum, gescheitertem Türkei-Putsch und neuen Terrorattacken – sehe die Welt anders aus. Der Gegenwind bläst Lufthansa derzeit ins Gesicht. Wegen einer schlechten Buchungslage für das dritte Quartal werden Kapazitäten weiter gekappt. Besonders belastend ist laut Lufthansa-Chef Carsten Spohr die Unruhe in der Türkei. „Der Markt ist zusammengebrochen“, sagte er kürzlich gegenüber der Presse. Mittlerweile fliegt die Fluggesellschaft von Deutsch- land aus nur noch von Frankfurt nach Istanbul, Flüge von München gibt es derzeit nicht. Auch die Lufthansa-Töchter Swiss und Austrian haben ihre Direktflüge von Zürich und Wien an den Bosporus eingestellt. Nicht zuletzt leidet das touristische Geschäft von Sun-Express, der gemeinsamen Tochter von Lufthansa und Turkish Airlines, massiv.

Lufthansa rechnet für das 3. Quartal mit deutlich geringerem Ergebnis

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Lufthansa-Boeing-737-330/Foto: Lufthansa

Auch die Terroranschläge der vergangenen Wochen in Europa und die politische und wirtschaftliche Unsicherheit etwa nach dem Votum der Briten für den Brexit machen sich bei Lufthansa bemerkbar. Buchungen für Flüge aus den USA nach Europa haben der scheidenden Finanzchefin Simone Menne zufolge „deutlich nachgelassen“. Auch die Geschäfte in Asien und in Brasilien seien nicht zufrieden-stellend. Die Lufthansa habe deshalb ihre Kapazitätsplanung angepasst und wird im Winterflugplan einen Langstrecken- und sechs Kurzstreckenjets aus dem Betrieb nehmen. Auch geplante Investitionen würden überprüft. Für das dritte Quartal rechnet Spohr wegen der schwierigen Lage mit einem deutlich geringeren Ergebnis als 2015.

Die Angst vor Terror führt zu enormen Verschiebungen

Der Druck zur Konsolidierung ist enorm gewachsen. In Europa sind die Low Cost Carrier auf dem Vormarsch mit den größten Treibern Ryanair und Easyjet, die zunehmend Geschäftsreisen anbieten. Emirates dominiert den Flughafen in Dubai und lenkt Verkehrsströme aus Europa gezielt über das Drehkreuz. Dazu werden Überkapazitäten in den Markt gedrückt – nicht nur von den Lowcost Airlines. Im Ferienflugsegment hat die Angst vor Terror zu enormen Verschiebungen geführt. Weil den Menschen die Lust am Fliegen Richtung Türkei und Nordafrika vergangen ist, steuern die Carrier nun verstärkt Ziele in Spanien oder Portugal an.

Laut Touristik Magazin ,fvw´ will die Lufthansa Group mit dem bei Eurowings aufgehängten Wings-Konzept unter anderem die Konsolidierung in Europa treiben, schnell zu Größe gelangen und damit Ryanair und Easyjet Paroli bieten. Die Idee bei Wings sei, dass Airlines mit ihrem operativen Flugbetrieb unter das Vertriebs- und Marketing-Dach von Eurowings schlüpfen und selbst nur noch Flugzeuge und Crews managen. Alles andere sieht ,fvw´ Eurowings übernehmen. Parallel werde über Beteiligungsmodelle und Zukaufe nachgedacht. fvw prognostiziert, dass sich eine Kaufoption ganz konkret bei Air Berlin biete. Deren Hauptaktionär Etihad Airways sei unglücklich mit den Entwicklungen bei Air Berlin und wolle das dezentrale Fluggeschäft an Lufthansa beziehungsweise Eurowings abtreten.  Komme der Deal zustande, würde sich die Eurowings-Flotte auf einen Schlag von 90 auf 130 Maschinen vergrößern. Experten zufolge hätte das Geschäft seinen Reiz.
Die Entwicklung am Himmel in Richtung Westen und Osten
Auf den Routen von und nach Nordamerika dominieren einer Untersuchung des Airlines-Beraters Prologis zufolge drei strategische Bündnisse den Markt zu ähnlichen Teilen. So habe das Joint Venture von Lufthansa, Swiss, Austrian, Brussels, Air Canada und United dort von Europa aus einen Anteil von 28 Prozent, während die IAG mit American Airlines und Finnair 25 Prozent halte. Air France, KLM, Delta Air Lines und Alitalia seien mit weiteren 23 Prozent im Spiel. Auf Deutschland bezogen, seien die Unterschiede noch gravierender: Hier bestimme das Lufthansa-Bündnis 48 Prozent des Marktes und damit auch der Preise.
Die Marktlage versetze den Lufthansa-Konzern Richtung USA und Kanada in eine gute Position. Mehr noch, sie mache Lufthansa für die Golf-Carrier als Partner attraktiv. Diese seien nämlich ihrerseits interessiert an Verbindungen in die Staaten – gern via Europa.
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Flugbegleiterin Qatar Airways/Foto: Oliver Rösler

„Qatar dürfte an der IAG auch des- halb so viel Interesse haben, weil die zur Gruppe gehörende British Airways auf den USA-Routen sehr etabliert ist“, konstatiert eine Prologis-Vertreter.  Ähnliches ließe sich bei Etihad Airways ablesen, die an Air Berlin auch festhalte, weil sie den Arabern Richtung Nordamerika helfe. Zumal sich Air Berlin auch um die Aufnahme in das erwähnte Joint Venture um American Airlines bemühe. Das dürfte allerdings nicht Im Interesse von Qatar Airways sein. Aktuell scheine die Lufthansa-Gruppe mit ihren Angeboten und Partnern gut aufgestellt. Perspektivisch müsse sie allerdings bei den USA-Routen auf der Hut sein. Mit Eurowings schicke sie aus Köln den eigenen Low Coster nach Boston. Norwegian Air International, der Low-Cost-Langstreckenflieger von Norwegian, mische mit Angeboten von Stockholm, Kopenhagen und London-Gatwick Richtung USA bereits den Markt auf. Ungemach drohe auch aus westlicher Richtung: Mit der US-Airline Jet Blue, die 15 transatlantik-taugliche Airbus A-321 LR bestellt haeb, bringe sich eine Ex-Lufthansa-Beteiligung in Stellung. Laut Prologis wäre Spohr gut beraten, auch im Langstreckenbereich bei Eurowings aufzustocken und neben Sun Express weitere Airlines anzudocken.

Richtung Fernost drückten die Fluggesellschaften vom Golf, allen voran Emirates, aber auch Etihad, Qatar und Turkish Airlines, immer neue Kapazitäten auf den Markt und machten der Lufthansa-Gruppe und Air France-KLM das Leben schwer. Emirates bietet von Deutschland aus mittlerweile jeden Tag 9 400 Sitze nach Dubai und darüber hinaus. Für die Lufthansa-Gruppe sei das Geschäft Richtung Südostasien und Australien dadurch unattraktiv geworden, hätte ein hochrangiger Lufthanseat gegenüber fvw gesagt. Abu Dhabi etwa habe Lufhansa nicht mehr im Flugplan stehen.
Die ,Großen´ tun sich zusammen
Gerald Wissel, Luftfahrtexperte und Chef von Airborne Consulting ist der Meinung, dass die Golfcarrier „zugreifen“ müssen. Er erwartet in den nächsten zwei Jahren einen Konsolidierungsschub, das sagte er gegenüber der fvw. Überkapazitäten und sinkende Yields zwängen die Airlines zum Handeln. Die Zeiten wären vorbei, als die Großen die Kleinen schluckten. Die Großen würden nun zusammengehen. 
Und dabei müssten die Golf-Carrier eine starke Rolle spielen, denn sie hätten keine relevanten Heimatmärkte und müssten ihre Überkapazitäten absetzen. Sie hätten, anders als Europa, freie Flughafenkapazitäten, und finanziell den längeren Atem. Da sie keine Fans der Allianzen seien, gestalteten sie eigene Konstellationen.
Derzeit sei nach Einschätzung von Wissel, die Strategie von Qatar Airways-Chef Akbar AI Baker noch nicht klar. Er sei bisher auf dem Emirates-Weg gewesen. Doch mit der Annäherung an British Airways, Iberia sowie Meridiana kopiere AI Baker ein wenig Etihad.
Während die Lufthansa den staatlich unterstützten Golf-Carriern immer wieder ihre Wettbewerbsvorteile vorwerfe, habe sich Air France-KLM der Herausforderung gestellt und sei mit Ethiad ein Code Sharing eingegangen. Das sei eine Option, sich die Verkehre Richtung Golf-Region zu nutze zu machen. Denkbar wäre auch für Lufthansa eine Partnerschaft mit Etihad, zumal die Gespräche bereits aufgenommen seien. Doch Spohr und Etihad-Chef James Hogan wollen laut fvw nicht recht zusammenpassen. Gleiches gelte für Spohr und AI Baker.
Unterschiedliche Auffassungen zu einer möglichen ,Lufthansa-Emirates-Umarmung´
Scheichs vor Emirate Flugzeug
Eindrücke von der Dubai Airshow/Foto: Emirates

Unterschiedliche Auffassungen gibt es unter den Airline-Experten zu einer möglichen Zusammenarbeit von Lufthansa und Emirates. „In ihren aktuellen Marktstrategien, aber auch in ihrer Unternehmenskultur sind sich Lufthansa und Emirates noch am nächsten“, ist Gerd Pontius von Prologis überzeugt. Gerald Wissel, Luftfahrtexperte und Chef von Airborne Consulting hingegen meint, dass dies keine Perspektive sei, nachdem eine frühere Annäherung bereits scheiterte. Auch spreche die aktuelle Konstellation der Topmanager eher dagegen. Ex-Lufthansa-Manager Thierry Antinori nutze seine Marktkenntnisse gezielt, um den deutschen Markt für Emirates aufzurollen.
Pontius Rat hingegen : „Wenn du deinen Gegner nicht besiegen kannst, dann musst du ihn umarmen.“ So laute ein chinesisches Sprichwort, das den Weg von Lufthansa und Emirates weisen könnte. Es soll schon häufiger zu Gesprächen gekommen sein. Zudem mischten mit Thierry Antinori und künftig Christoph Müller ehemalige Lufthansa-Manager bei Emirates mit. „Lufthansa und Emirates könnten sich die Verkehre aufteilen: Lufthansa würde die Nordhalbkugel übernehmen, Emirates alles südwärts des Äquators“, sagt ein Manager, der mit beiden Airlines vertraut ist. 

Noch sind in Europa und Nahost – im Gegensatz zu den USA – viele Spieler am Himmel unterwegs. Mehr, als für einen gesunden Wettbewerb gut sind. Die Berater sehen Anzeichen für „einen Konsolidierungsschub in den nächsten zwei Jahren“.
Im Hintergrund läuft jedenfalls ein kräftiges Tauziehen um neue Partnerschaften. Wer wen umarmen wird, das wird sich zeigen. Es bleibt in jedem Fall spannend. jwm
Quellen: Der Tagesspiegel, Lufthansa, fvw, Prologis

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