Ein Forscherteam des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) Göttingen hat das Flugboot Dornier Seastar mit einem sogenannten Standschwingungsversuch geprüft. Der Test ist Teil des Zulassungsverfahrens, das alle Flugzeuge durchlaufen müssen.
Die Versuche wurden im Auftrag der Dornier Seawings GmbH in Oberpfaffenhofen durchgeführt. Standschwingungsversuche sind ein Schlüsselelement des Versuchsprogramms für jedes neue Flugzeug zur Erlangung der zertifizierten Flugtauglichkeit. Die anhand der Standschwingungsversuche ermittelten experimentellen Versuchsdaten dienen sowohl der Anpassung und Verbesserung des mathematischen Strukturmodells des Flugzeugs, als auch der Vorhersage von Schwingungsamplituden im Betrieb bis hin zum Ausschluss von Flatterrisiken in der Flugcharakteristik. Wie eine Fahne im Wind schwingen auch Flugzeuge im Flug. Dabei dürfen kritische Bereiche nicht überschritten werden.
Die Göttinger Aeroelastik-Forscher sind internationale Experten auf dem Gebiet von Standschwingungsversuchen. Sie führten auch die entsprechenden Tests am Airbus 350 oder dem Airbus Beluga XL durch.
Ein Spezialist für Graspisten, Wasser-,Schnee- und Eisflächen
Die Dornier Seastar ist ein zweimotoriges Amphibienflugzeug, das in den frühen 1980er Jahren entwickelt wurde. Spezialität sollte der Einsatz für Graspisten sowie Wasser-, Schnee- und Eisflächen ohne Spezialausrüstung sein. Die Musterzulassung für die Dornier Seastar in Ihrer damaligen Konfiguration wurde Anfang der 1990er Jahre erteilt und ein Vorserienflugzeug gebaut. Nach der Gründung der Dornier Seawings GmbH in 2013 erfolgte am 28. März 2020 der erfolgreiche Erstflug der neuen Generation „next generation“ der Dornier Seastar mit der Registrierung D-IDSW am Flugplatz Oberpfaffenhofen.
Die älteste Luftfahrtforschungseinrichtung Deutschlands
Die aktuellen Versuche der Göttinger DLR-Forscher fanden 100 Jahre nach den ersten Forschungen zu Flugbooten von Dornier statt. Dornier galt als Pionier auf dem Gebiet der Flugboote und entwickelte die ersten kommerziell erfolgreichen Typen. Wichtige Untersuchungen dazu fanden in den Windkanälen des DLR-Vorgängers AVA (Aerodynamische Versuchsanstalt) in den 1920er und 1930er Jahren in Göttingen statt. Die AVA hatte als älteste Luftfahrtforschungseinrichtung in Deutschland die meiste Erfahrung mit Windkanalversuchen. Untersucht wurden damals die Typen Dornier X, seiner Zeit das größte Flugzeug der Welt. Und zuvor die Dornier „Wal“, der Urvater vieler künftiger Wasserflugzeuge und auch der Ahnherr der heutigen Seastar.
Bei den Versuchen an der Do X, die im Jahr 1929 durchgeführt wurden, hat man verschiedenartige Gondelausführungen für wassergekühlte Motoren untersucht. Außerdem wurden in weiteren Messungen Auftrieb, Widerstand und Höhenmoment des Do X-Flügels mit Motorengondeln und Gondelunterbauten ermittelt. In einem weiteren Versuch hat man die an einem schwimmenden Flugzeug angreifenden Luftkräfte untersucht. In gewisser Weise gab es eine Parallele zu den heutigen Versuchen, denn schon damals interessierte man sich für die optimale Anbringung der Motorengondeln auf den Tragflächen.
„Die Do Wal war ein sehr zuverlässiges Flugboot, das für verschiedene Zwecke eingesetzt wurde. Es wurde als Passagierflugzeug, für den Postflug und als Expeditionsflugzeug verwendet. Dadurch, dass die Do Wal vielseitig einsetzbar war und nicht nur vom Land, sondern auch vom Wasser aus starten konnte, war es ein beliebtes „Hybridflugzeug“ und konnte sich daher auch als neue Kategorie durchsetzen“, sagt Jessika Wichner, Leiterin des Zentralen Archivs im DLR.
Quelle: Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt