Showdown in Frankfurt – Schicksalstag für Lufthansa

Quo vadis Lufthansa? Entscheidung fällen die Aktionäre am 25. Juni 2020 /Foto: Lufthansa

In der Lufthansa Hauptversammlung sollen die Aktionäre morgen, am 25. Juni 2020, in Frankfurt über die mühsam mit dem Staat ausgehandelte Rettung abstimmen. Es ist das letzte und auch das entscheidende Votum. Stimmen die Aktionäre zu, erhält die Lufthansa das von der Bundesregierung zugesagte Stabilisierungspaket über neun Milliarden Euro und kann damit die Folgen der Coronakrise im Kern unbeschadet überstehen.

Alle Blicke richten sich aber derzeit auf den Selfmade-Milliardär Heinz Hermann Thiele, der als größter Aktionär mit einem Anteil von 15,5 Prozent den Staatseinstieg im Alleingang verhindern könnte. Grund ist die geringe Beteiligung von weniger als 38 Prozent der Stimmrechte an der Hauptversammlung, die Thiele eine Sperrminorität verschafft. Damit kann er die erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit verhindern. Zu wenige Aktionäre haben sich für die Hauptversammlung angemeldet, oder die Möglichkeit der Briefwahl nicht wahrgenommen. Eine Enthaltung von Thiele würde den Weg für das Paket dagegen freimachen, weil diese Stimmen dann nicht mitgezählt werden. Doch daran glauben die meisten mittlerweile nicht mehr – weder im Management noch im Kontrollgremium. „Es ist eine bedrückende Sandwichposition, in der wir uns befinden“, sagt ein Lufthansa-Manager. Auf der einen Seite stehe der Bund mit seinem Rettungsangebot, an dem die Politik nicht rütteln will. Auf der anderen Seite stehe Thiele, der Nachbesserungen fordert und sich an der hohen Staatsbeteiligung und dem Vorzugspreis für den Bund stört. 2,56 Euro muss der Staat pro Anteilsschein bezahlen. An der Börse kostet die Lufthansa-Aktie rund 9,50 Euro.Thiele hat beklagt, dass das Lufthansa-Management intensiver über die Bedingungen des Rettungspakets hätte verhandeln können. In einem Interview in der „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ (FAZ) hat er den geplanten starken Staatseinfluss ebenso kritisiert wie die seiner Meinung nach kaum zu erfüllenden Bedingungen für einen Wiederausstieg. Seine Entscheidung hat der Industrielle, der bereits die Mehrheit am Bremsenhersteller Knorr-Bremse und dem Bahntechnikkonzern Vossloh besitzt, auch nach einem Gespräch mit den Bundesministern Olaf Scholz (SPD) und Peter Altmaier (CDU) vom Montag offen gelassen. In der „FAZ“ hatte er jedoch schon betont, dass er sich bei der Lufthansa langfristig engagieren und „nichts blockieren“ wolle.

Fondsgesellschaften wie DWS und Union Investment wollen  für die Kapitalmaßnahme stimmen, denn im Fall einer Pleite droht den Anteilseignern der Totalverlust. Die  Deka-Nachhaltigkeitsexpertin Vanessa Golz erklärt: „Uns Aktionären bleibt nichts anders übrig, als der Kapitalerhöhung für den Einstieg des Staates zähneknirschend zuzustimmen. Ansonsten wäre der Kranich kein Vogel mehr.“ In Branchenkreisen wird aber spekuliert, dass der 79 Jahre alte Thiele den verborgenen Plan verfolgen könnte, seinen Einfluss bei Lufthansa in einer Insolvenz noch auszubauen. Allein oder mit Partnern könnte er nach einem von ihm verhinderten Staatseinstieg einen Massekredit über mehrere Milliarden Euro anbieten.

Lufthansa Konzern  auf ein mögliches Scheitern des Rettungsplans vorbereitet

Der Konzern hat sich nach Worten von Vorstandschef Carsten Spohr auf ein mögliches Scheitern des Rettungsplans vorbereitet. „Der Vorstand wird, falls die Stabilisierungsmaßnahmen nicht umgesetzt werden können, versuchen, ein sogenanntes Schutzschirmverfahren zu beantragen“, heißt es in der Einladung zur Hauptversammlung. Unbedingt verhindert werden soll der abrupte Stopp des Flugbetriebs, ein sogenanntes Grounding. Über notwendige Überbrückungskredite will Spohr in diesem Fall schnell erneut mit dem Staat sprechen.

Der Schutzschirm ist die mildeste Form einer Insolvenz nach deutschem Recht und bereits beim Ferienflieger Condor erprobt. Er gibt dem weiter amtierenden Management freie Hand, sich kostspieliger Verträge mit Lieferanten, Dienstleistern, Vermietern und auch mit dem eigenen Personal zu entledigen. Auch die Passagiere müssten um die Erstattungen für bezahlte Tickets bangen. Der Konzern mit 138.000 Beschäftigten hat zudem nach eigener Einschätzung 22 000 Stellen zu viel an Bord. Bislang soll das Problem noch einvernehmlich gelöst werden, wobei sich die Verhandlungen über Sparbeiträge des Personals hinziehen.

Die Arbeitnehmer fürchten bei einer Pleite einen Kahlschlag. Nicht umsonst haben die Gewerkschaften nach eigenen Angaben allein für das fliegende Personal in Deutschland Einsparungen im Wert von mehr als einer Milliarde Euro angeboten, wenn es dafür Jobsicherheiten gibt.

Zu einer Lösung wird es vor der Hauptversammlung wohl nicht mehr kommen. Laut Handelsblatt hätten die Minister unmissverständlich deutlich gemacht, dass es keine Nachbesserungen mehr geben wird. Daran hätten sie keinen Zweifel erkennen lassen, heiße es in Berliner Kreisen. Thiele wiederum habe seine Position deutlich gemacht, sich aber nicht in die Karten schauen lassen. „Seine Motive legte er nicht offen.“ Entsprechend angespannt sei die Atmosphäre gewesen.

Nur ein kleines Zeitfenster für Plan B

Nun bereiten sich alle auf das Szenario eines Scheiterns am Donnerstag vor – auch wenn bei einigen noch ein kleiner Funken Hoffnung zu spüren ist. „Der Bauch sagt, dass ein Scheitern eigentlich undenkbar ist, der Verstand sagt, dass alles möglich ist“, sagt eine Führungskraft. Sollte Thiele tatsächlich Nein sagen, stünden dem Lufthansa-Management noch hektischere Tage bevor als sie es bisher schon waren. Zwar hat der Vorstand in den letzten Tagen immer wieder betont, dass bei einer Ablehnung eine zeitnahe Insolvenz nicht ausgeschlossen werden könne. Doch der Lufthansa-Spitze bleibt wohl noch ein kleines Zeitfenster, um einen Plan B zu entwerfen. Man wird nicht sofort zum Amtsgericht gehen müssen.

Vorbereitungen getroffen, um ein Grounding zu verhindern

Vermutlich hat das Unternehmen allein wegen seiner Größe noch ein paar Möglichkeiten, um die für den Betrieb notwendige Liquidität durch verschiedene kurzfristige Maßnahmen für einige Tage zu sichern. Darauf deutet auch eine andere Aussage von Spohr in dem Mitarbeiterbrief hin. Lufthansa habe „umfangreiche Vorbereitungen getroffen, unter anderem, um ein Grounding zu verhindern“. Muss ein Unternehmen Insolvenz anmelden, werden alle Zahlungen umgehend gestoppt. In der Luftfahrt kann das drastische Folgen haben. Weil Partner wie Flughäfen, Treibstofflieferanten oder die Bodendienste Sorge um ausstehende Zahlungen haben, können sie unter Umständen Flugzeuge der Airline, die gerade am Flughafen etwa im Ausland stehen, als eine Art Pfand festsetzen.

Wie viel Zeit der Lufthansa bleibt, um eine alternative Lösung für die heikle Situation zu finden, ist nicht bekannt. Auch wie diese Alternativen aussehen können, ist nicht klar. Fakt ist aber, dass während der wochenlangen Verhandlungen mit der Bundesregierung über die Rettung des Unternehmens mehrere Varianten durchgespielt wurden. Darunter war auch der Vorschlag, dass der Bund in einem ersten Schritt Aktien bis zu einer maximalen Grenze von zehn Prozent des Grundkapitals erwirbt. Das wäre durch einen entsprechenden Vorratsbeschluss der Aktionäre gedeckt, bräuchte also nicht die erneute Zustimmung in einer Hauptversammlung. Durch verschiedene Instrumente könnte der Schutz vor einer feindlichen Übernahme, der der Bundesregierung wichtig ist, gesichert werden.

Bei den Verhandlungen wurde diese Variante abgelehnt. Vor allem die SPD wollte nach außen ein klares Zeichen setzen, dass es eine Staatshilfe in der Dimension wie bei der Lufthansa nur gegen eine deutliche Beteiligung des Staates gibt.

Vielleicht wird der Plan aber unter den geänderten Bedingungen einer Ablehnung des Rettungspakets wieder hervorgeholt?

Quellen: FAZ, Handelsblatt, dpa-AFX, Finanzen.net

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