Bewegt sich die Luftfahrt auf eine Krise zu?

Quo vadis Luftfahrt?/Foto: dlr.de

„Die Luftfahrtbranche bewegt sich auf eine Krise zu, deren Dimension bislang keiner erfasst. Ein wesentlicher Treiber ist die Branche selbst“,  schrieb Jens Könen, Leiter des Handelsblatt-Büros in Frankfurt, am 17. Juni 2019. Was ist dran an dieser düsteren Prognose?

Die Luftfahrtindustrie sei traditionell eine mit starken wirtschaftlichen Ausschlägen. Viele der Faktoren, die die Nachfrage einer Fluggesellschaft beeinflussen, lägen außerhalb der Steuerungsmöglichkeiten des Managements: etwa Epidemien oder geopolitische Krisen. Grundsätzlich sei es deshalb erst einmal nichts Außergewöhnliches, wenn eine Airline ihre Prognose korrigiert. Wenn allerdings eine etablierte Gesellschaft wie Lufthansa zum zweiten Mal innerhalb weniger Monate die Investoren mit schlechten Nachrichten überrasche, sei das einen tieferen Blick wert.

Der bringe zuerst die Erkenntnis: Es gab kein ungeplantes Ereignis wie etwa einen Terroranschlag, mit dem die überraschende Ad-hoc-Mitteilung von Lufthansa zu begründen wäre. Es scheine aber vielmehr eine schleichende, aber gleichwohl signifikante Verschlechterung der Geschäfte zu geben.

Das wiederum führe zu einer zweiten Erkenntnis: Die Prognosekorrektur der „Hansa“ ist der Vorbote einer Krise, deren Dimension bislang noch keiner überschaut. Die Luftfahrt – insbesondere die in Europa – bewege sich auf einen perfekten Sturm zu. Perfekt ist dieser, weil er aus gleich mehreren Quellen gespeist werde.

Ein wesentlicher Treiber der sich ankündigenden Krise sei die Branche selbst. Besser gesagt die Unvernunft, die in der DNA der Industrie mittlerweile eingebaut zu sein scheint. Obwohl alle sähen und vor allem in den Bilanzen spürten, dass immer niedrigere Ticketpreise in den Abgrund führen, machten sie unverdrossen weiter. Nur so ließen sich die Überkapazitäten beseitigen und ließe sich die Konsolidierung vorantreiben, hätte etwa Ryanair-Chef Michael O’Leary getönt.

Machen Ryanair & Co das Produkt Fliegen kaputt?

Foto: Ryanair

Was aber der durchaus erfolgreiche irische Manager und seine Kollegen gern übersähen: „Sie machen das Produkt Fliegen damit systematisch kaputt“, schreibt Koenen. Immer günstigere Tickets mögen die eine oder andere Airline, deren Existenzberechtigung sowieso infrage stehe, aus dem Markt treiben. Aber der Preis, den die gesamte Branche dafür bezahlen werde, sei definitiv zu hoch. Denn der ruinöse Wettbewerb treffe auf zunehmend widrige Rahmenbedingungen.

Treibstoff, nach wie vor der größte Kostenblock einer Fluggesellschaft, hat sich seit Jahresbeginn verteuert. Die sich zuspitzende Lage im Iran hat den Ölpreis weiter steigen lassen. Eine Entspannung ist nicht in Sicht. Die Frage sei laut Koenen, ob die Absicherungen beim Treibstoffpreis, die viele Airlines traditionell vornehmen, einen solchen Anstieg berücksichtigt haben.

Hinzu komme der zweite große Kostenblock: das Personal. Viele Jahre hätte die Branche – vor allem das Billigsegment – auch deshalb so stark wachsen können, weil das Personal knappgehalten wurde. Doch diese Zeiten seien vorbei. Auch bei Ryanair hätten sich die Mitarbeiter organisiert und setzten sukzessive Tarifverträge durch.

Die Herausforderungen der Flugbranche

Es sei naheliegend, dass die Mitarbeiter in einer schweren Krise ihre Interessen durch eine schlagkräftige Vertretung eher noch stärker durchsetzen werden als bisher. Auch an dieser Front gebe es also keine Entspannung. Das starke Wachstum habe zudem die Infrastruktur am Boden und über den Wolken überfordert. Der Chaos-Sommer 2018 sei allen noch gut in Erinnerung.

Mit viel Energie versuche die Branche nun, eine Wiederholung zu vermeiden. Doch die Maßnahmen kosteten Geld, kurz-, aber auch langfristig. Denn klar sei: Flughäfen und Flugsicherungen müssen ertüchtigt und modernisiert werden. Das koste viel, finanziert üblicherweise über Gebühren, die die Airlines entrichten. Auch hier dürften die Rechnungen künftig höher ausfallen.

Zudem habe der Nachfrageboom indirekt auch das Thema Klimaschutz auf die Agenda gebracht. Spätestens seit der Europawahl sei  klar, dass auf die Luftfahrt auch hier neue Belastungen zukommen werden – sei es in Form einer Kerosinbesteuerung, einer CO2-Abgabe oder einer europaweiten Ticketabgabe.

Gewinnwarnung der Lufthansa – bewusste Mahnung an die Politik

Die überraschende Gewinnwarnung von Lufthansa könne durchaus auch als bewusste Mahnung an die Politik interpretiert werden, hier bitte nicht zu übertreiben und die Branche nicht in massive Schwierigkeiten zu bringen. Um in diesem Umfeld überhaupt noch bestehen zu können, brauchen die Fluggesellschaften mehr denn je modernes und effizientes Gerät.

Auch das koste Geld, sehr viel sogar. Die sich deutlich eintrübenden Aussichten für die Luftfahrt würden aber auch die Geldgeber skeptischer stimmen. Sie würden  sehr genau hinschauen, wem sie Geld zu welchen Konditionen für neue Jets geben werden. Im Schnitt würden sich auch die Finanzierungskosten der Branche erhöhen.

Auch wenn vieles davon bekannt sein mag: In Summe seien die Folgen all dieser Entwicklungen bislang noch nicht richtig bewertet worden, schreibt Koenen. Doch allmählich schienen die Investoren zu realisieren, dass ein perfekter Sturm für die Luftfahrt im Anmarsch ist. Nicht nur die Lufthansa sei am 17. Juni an den Börsen bestraft worden, sondern die ganze Branche.

Man soll auch eines nicht verkennen: Auch die Bewegung „Fridays for future“ und das erstarkende „grüne“ Bewusstsein der Gesellschaft, werden ihre nachhaltge Wirkung haben. Auch das sind Fakten, womit sich die Branche auseinandersetzen muss. jwm

Quelle: Handelsblatt

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