„Richard Wagner (1813 – 1883) und Hector Berlioz 1803 – 1869) kannten einander gut, begegneten sich im direkten Kontakt mit Respekt, sprachen für eine gewisse Zeit ihrer langjährigen Bekanntschaft sogar von inniger Freundschaft zueinander“, dennoch dürfe man von einer gepflegten Hassliebe ausgehen. So beschreibt es Ilona Schneider im Programmheft des Eröffnungskonzerts des Rheingau Musik Festivals, das sich diesem Sommer zum 30. Mal jährt.
Dass ausgerechnet Wagner und Berlioz zu den Zentralgestirnen des musikalischen Aufbruchs im 19. Jahrhundert zählen, daran bestehe keine Zweifel. Sie seien es gewesen, die radikaler als die meisten ihrer Zeitgenossen den Bruch mit den Traditionen wagten, Formen und Inhalte von Musik neu dachten. So hat man denn auch beide Komponisten für das Eröffnungskonzert ausgewählt, denn ihr Bruch mit den Traditionen passt zum Leitgedanken „Aufbruch“ des 30. Rheingau Musik Festivals.
Aufgebrochen war auch Michael Herrmann vor 30 Jahren, als er sich in den Kopf setzte, ganz besondere Orte der Rheingaus zu Spielstätten für ein Musik Festival zu machen und es in diese Region zu bringen. Er wollte Schlösser, Kirchen und Weinberge des Rheingaus mit hochkarätiger Musik füllen. Aus den „bescheidendsten Anfängen“, von denen Ministerpräsident Volker Bouffier in seinen Eröffnungsworten sprach, wurde ein Festival von europäischem Rang.
Absolute Stille herrscht in der bis auf den letzten Platz besetzten Basilika des Kloster Eberbach. Ganz leise kommen die ersten Takte des Vorspiels zur Oper „Lohengrin“ von Richard Wagner, „nicht mehr Musik, sondern ein Raum, der sich mit jedem neuen Takt weiter und weiter dehnt, bis er so groß ist, dass er alles umfasst, Musiker, Publikum gleichermaßen“, so beschreibt es Brian Eno und genauso ist es und es passt. Die Atmosphäre in der Basilka ist eine ganz besondere. Dieser ,Kraftort´ den die Mönche vor 900 Jahren ausgesucht haben, um ihr Kloster darauf zu bauen, hat bis heute nichts von seiner ganz besonderen Atmospäre verloren.
Der Ouvertüre zu Lohengrin folgen die Ouvertüre „Rienzi, der Letzte der Tribunen“. Anfangs mit tiefen Celli-Fluten bis hin zur temporeichen Ouvertüre zum „Fliegenden Holländer“.
Mit Hector Berlioz und der „Symphonie fantastique“ stand nach der Pause ein weiterer „Aufbruch“-Musiker des 19. Jahrhunderts auf dem Programm. Das Ziel von Berlioz, Wagners künstlerischem Gegenspieler, war es, Gattungsgrenzen zu sprengen und Traditionen, Inhalte und Formen neu zu denken. Beginnend mit dem ersten Satz „Träumereien – Leidenschaften, über den zweiten Satz mit Walzerklängen in Allegro non troppo“ bis hin zur furiosen ,Traum einer Sabbatnacht` im fünften Satz gelang es den HR-Sinfonikern, Berlioz’ „idée fixe“ klangmächtig herauszuarbeiten. jwm