Wie werden Virtual Reality, Augmented Reality und 360°Videos Medien-konsum, Marketingaktivitäten und journalistische Produkte verändern? Wie wirkt die neue Technologie auf das Publikum? Darüber diskutierten ARD- Regisseur Klaus Wache, Dr. Torsten Wingenter, Leiter Digital Innovations bei Lufthansa, und Dr. Alexander Markowetz, Autor des Buches ,Digitaler Burnout´ am 12. September in Frankfurt.
Jetzt bloß keinen unbedachten Schritt machen und nicht nach unten schauen. Ich stehe auf einer Leiter, hoch oben in einer Lufthansa-Flugzeughalle, schwindeler-regend hoch…mir ist bange. Wenn ich jetzt falle und in die Tiefe stürze?… Ich bin kurz davor, die VR-Brille wieder abzunehmen. Doch dann suche ich mir eine andere virtuelle Szene und beame mich nach Mauritius. Jetzt stehe ich auf einem Boot, das durch türkisblaues Wasser gleitet und ich bin wieder ganz ruhig. Es ist wunderschön, das Wasser ist ganz klar und ich kann bis zum Meeresgrund sehen.
Szenenwechsel in die reale Welt: Ich bin in Frankfurt, im Bahnhofsviertel, im Latin Palace Changó, einer hippen Location, einer Latino Diskothek über zwei Etagen, die heute geschlossen ist und in die der Frankfurter Presse- club zu einer Netzwerkveranstaltung mit dem Titel ,Schöne neue Welt´ geladen hat. Die Virtual Reality Brille, kurz VR-Brille genannt, um Virtuelle Realität auszuprobieren, hat Dr. Torsten Wingenter von der Lufthansa mitgebracht. Wingenter ist bei Lufthansa unter anderem für die neue Technologie im Marketing zuständig. Er wird später mit Klaus Wache, einem ARD- Regisseur, der eine 360 Grad Dokumentation über Tschernobyl gedreht hat, und mit Dr. Alexander Markowetz, Autor des Buches ,Digitaler Burnout´, für den die neue Technologie weder ,Teufel noch Engel´ ist, über Virtual und Augmented Reality sowie über 360 Grad Videos, diskutieren.
Virtual Reality sei das Thema des Jahres, so Moderator Eberhard Nembach vom Hessischen Rundfunk, der die Talkrunde eröffnet und sich Klaus Wache zuwendet, der über seine Erfahrung mit dem 360 Grad Video-Dreh berichtet. Man sei noch in einer ,Bastelphase´, so beschreibt er es, müsse noch immer nicht nur beim Konsu-mieren eines 360 Grad Videos, sondern auch beim Drehen genau überlegen, wo man genau stehen will.
Nembach fragt Lufthansa- Marketingexperte Wingenter, worin der Mehrwert der neuen Technologie für die Passagiere zu sehen ist. Laut Wingenter geht es darum, das Erlebnis Reise besser zu transportieren, etwa an Bord virtuell Urlaub zu erleben, oder sich in einen Flugzeug-hangar hinein zu beamen (dieses Erlebnis hatte ich ja…) und zu beobachten, was dort gemacht wird. Wingenter erzählt auch von New York, wo sich Gäste an den Flughäfen in Newark und JFK die neue Lufthansa Premium Economy Class anschauen konnten. „Beinfreiheit lässt sich eben besser im dreidimensionalen Raum erkunden, als in einer Broschüre“, so der Lufthanseat. Gerade amerikanische Gäste hätten wenig Vorstellung davon, wie die Premium Eco bei Lufthansa aussehe – die Kaufbereitscheit für ein Upgrade steige jedoch enorm mit dem Einsatz von VR-Brillen. Einige hätten daraufhin sogar in die bessere Klasse umgebucht.
„Fürn´Arsch“ sei das alles, so ganz provokant und konträr der Buchautor des ,Digitalen Burnout´ Markowitz. Innovationszyklen dauerten derzeit gerade mal fünf Jahre. Danach komme wieder etwas Neues. Die Gesellschaft sei heute ohnehin schon an einer Grenze angelangt, an der sie keine weiteren Innovationen aufnehmen und verarbeiten könne, hätte einen ,Zukunftsschock´. Man müsse anfangen, Innovationen vor den Menschen zu verstecken, um sie nicht noch mehr zu überfordern. Auch der Journalismus sei an einem Punkt angelangt, wo man sich fragen müsse, wofür braucht man Journalisten überhaupt noch, wenn doch jeder mit seinem Smartphone Fotos schießen, Videos drehen und diese mit irgendwelchen Kommentaren in Sekundenschnelle im Netz, in sozialen Medien, verbreiten kann. Doch hier gab es Protest aus dem Publikum und vom Moderator. Der Journalist werde seine Daseinsberechtigung behalten, indem er Neuigkeiten einordnet, sie in einen Kontext stellt und somit begreifbar macht, auch werde er in Zukunft Gatekeeper oder Tourguide für Nachrichten sein.
Try before you buy
Wie wird Virtual Reality das Marketing verändern? Lufthanseat Wingenter erklärt es so: das iPhone habe die Reisenden ,rational ´verändert, Virtual Reality werde die Reisenden ,emotional ´ verändern, ihnen neue Horizonte eröffnen und das Marke- ting auf den Kopf stellen. Dabei müsse man immer wieder Neues ausprobieren. Aber muss man dann überhaupt noch nach Panama reisen, wenn man den Urlaub ebenso mit einer VR-Brille erleben kann? Dazu Wingenter: „Try before you buy“ sei das Motto der Zukunft.
Der Hype um Pokemon Go hat in jedem Fall gezeigt, dass Augmented Reality im Alltag vieler Menschen angekommen ist. Auch die Porno-Industrie reibt sich schon die Hände und die Spiele-Industrie ist mit Freuden dabei. Mixed Reality, Augmented Reality und Virtual Reality bieten die Möglichkeit, mit neuen Erzählformen und Erlebnisangeboten zu experimentieren. Virtual Reality ermöglicht das Eintauchen in eine andere, vermeintlich reale Welt. Mit einer Brille. Ob Klettern im Grand Canyon oder Berichterstattung aus Krisengebieten als Augenzeuge erleben, als wäre man live vor Ort – das alles ist mit Virtual Reality schon möglich und noch mehr wird kommen. Johanna Wenninger-Muhr
Finde den Artikel prima. Ich habe dieses Objekt vor 2 Jahren auf der ITB gesehen und damals gedacht – wie der Journalist – dass dieses Objekt tatsächlich den Urlaub ersetzen könnte?