Die Hoffnung auf das Zwei Grad Ziel – Der UN-Klimagipfel von Paris

cop-paris-perspective-croppedEin Heer von Fachleuten und Politikern hofft und versammelt sich seit 30. November und noch bis 11. Dezember in Paris zur UN-Klimakonferenz mit dem Ziel ein bindendes Abkommen zu erreichen, das die Staaten dazu verpflichtet, adäquate Beiträge zur Reduktion der Kohlendyoxidemissionen zu leisten.

Viele Beobachter wünschen sich, dass man sich auf ein Reduktionsszenario einigt, das die globale Erwärmung auf maximal zwei Grad gegenüber dem vorindustriellen Niveau begrenzt. Diese zwei Grad gehen unter anderem auf Hans Joachim Schellnhuber vom 1992 gegründeten Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung zurück, der seine Erfah-rungen aus mehreren Jahrzehnten Klimadebatte in seinem Buch mit dem Titel ,Selbstverbrennung´ zusammengefasst hat. Würden die zwei Grad überschritten, so schreibt er, vermiede man nach dem heutigen Stand der Forschung fast alle sogenannten Kipp-Punkte, bei denen schwere, irreversible Änderungen des Erdsystems mit hoher Wahrscheinlichkeit einträten: vom Verschwinden des arktischen Sommereises, der grönländischen und der westantarktischen Eisschilde bis hin zu Verlagerungen der großräumigen Meeresströmungen, deren Teil der Golfstrom ist. Nur den Untergang der Korallen würde auch das Einhalten der Zwei-Grad-Grenze nicht verhindern.

Auch eine zwei Grad wärmere Welt wäre also nicht mehr der Planet, den wir heute kennen. Die Sorge wird nicht geringer, wenn man im fünften Sachstandsbericht des  IPCC  (Intergovernmental Panel on Climate Change) nachliest, was zur Einhaltung der Zwei-Grad-Grenze erforderlich wäre. Es gelänge nur, wenn 75 bis 80 Prozent aller bekannten und wirtschaftlich nutzbaren Vorräte an fossilen Brennstoffen im Boden blieben und von 2011 bis 2100 nicht mehr als 1000 Gigatonnen (1 Billion Tonnen)  Kohlendioxyd frei werden. Das Problem dabei: Allein zwischen 2011 und 2014 wurden davon bereits 140 Gigatonnen (140 Milliarden Tonnen) emittiert.

un-klimagipfel-kohleenergieTrotzdem möchten engagierte Klima-forscher im Hinblick auf Paris Hoff- nung verbreiten und erklären, das sei machbar, wenn nur die Emissionen bis zum Ende des Jahrhunderts auf null zurückgefahren würden. Doch allein am Zeitplan gibt es Zweifel. So wies Kevin Anderson von der University Manchester unlängst in Nature darauf hin, dass dieser Optimismus negative Emissionen voraussetzt, also noch nicht verhandene Techniken, um CO2 aus der Luft zu entfernen. Ohne diese wäre das Zwei-Grad-Ziel nur durch eine komplette Dekarbonisierung bis zum Jahr 2050 zu erreichen. Sehr unrealistisch: In von heute an 35 Jahren dürfte kein einziges Auto mit Verbrennungsmotor mehr fahren, kein Flugzeug mehr mit Kerosin fliegen und kein Sack Zement mehr produziert werden.

Retten könne  uns nur noch ein Wunder. Hans Joachim Schellnhuber beschwört ein solches. Er hofft auf eine ,Weltbürgerbewegung´, die Politik und Wirtschaft in Sachen Klimaschutz Dampf macht. Das ist eher ein unwahrscheinliches Wunder. Realistischer sei ein technologisches Wunder schreibt Ulf von Rauchhaupt in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung, eine überraschende Innovation, die Energieerzeugung und Transport vom Kohlenstoff erlöse, die aber keines politischen Willens oder keiner Förderung bedürfe, sondern ,iPhone-artig´ über uns komme und sich durchsetze, nicht weil sie in hundert Jahren den Planeten rette, sondern weil sie vielen einen Vorteil bringe und ihre Erfinder reich mache. Denn nur so liefen sie ab die großen Transformationen.

Der Samenbunker von Spitzbergen

i-25411f3bbd72430b6c852ce416dd28f4-Svalbard_Global_Seed_Vault_main_entrance_1-thumb-500x381Wenn das Wunder ausbleibe, müssten wir auch klarkom- men. Oberhalb des Flughafens von Longyearbyen auf Spitzbergen ragt ein Sporn aus Beton aus dem Felsen.  Es ist der Eingang zu einer Schatzkammer. 120 Meter tief geht es dort in den Permafrost, wo bei minus 18 Grad Kisten voller Körner lagern. Der ,Global Seed Vault´ verwahrt die Samen von Nutzpflanzen aus aller Herren Länder, auf dass die ackerbauende Menschheit nach Kriegen und Naturkata-strophen nicht völlig von vorne anfangen muss. Die norwe-gische Regierung hat den Samenbunker vorausschauend gebaut: Der Eingang liegt 130 Meter über dem Fjord. So hoch steigt das Meer auch dann nicht, wenn die gesamte Westantarktis abschmelze.

Was wir jetzt brauchen, seien keine Maximalforderungen zur Abwendung der Erderwärmung, sondern eine realistische Poltik der kleinen Schritte, so eine konträre Meinung im Wissenschaftsteil in derselben Zeitung. Andreas Frey schreibt, dass die Wissenschaftler keine Angst verbreiten sollten, das sei nicht ihre Aufgabe. Zu lange sei darüber gesprochen worden, was der Klimawandel mit uns mache. Genau so wichtig sei es sich zu fragen, was wir aus dem Klimawandel machen. Es sei höchste Zeit für eine neue Klimaerzählung und ein überzeugtes „Wir schaffen das“ statt eines weiteren Weltuntergangsszenarios. Doch wie?

csm_800x566-WWF-Plakat-COP21-Paris-c-Saxoprint_db3176771fIst der große Wurf zu schaffen?

Diese Frage steht im Mittelpunkt der Pariser Klimakonferenz. Paris könne auch ohne die Unterstützung von Dürren, Stürmen und Hochwassern eine Wende in der Klimapoltik einlei- ten. Das liege vor allem daran, dass insgeheim die Strategie geändert wurde. Statt dem politisch unrealistischen Zwei-Grad-Ziel versuchten die Staaten nun einen pragmatischen Weg zu gehen. Das Hauptaugenmerk liege nicht mehr auf dem ökologisch Wünschenswerten, sondern auf dem politisch Machbaren, sagt Oliver Geden von der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin. Man versuche alle Länder an Bord zu holen und langsam auf Sicht zu fahren. „Jeder gibt was er kann“. Das wäre ein Anfang. Geden nennt es die Politisierung der Klimapolitik. Bisher hätte man versucht, das Zwei-Grad-Ziel um jeden Preis durchzusetzen und einzuhalten. Das mag wissenschaftlich sinnvoll gewesen sein, politisch geschickt sei diese Entweder-Oder-Logik nicht. Lieber zweieinhalb oder Grad Temperaturerhöhung bis Ende des Jahrhunderts als vier oder gar fünf Grad. Allmählich setze sich diese Sichtweise auch zwischen den Verhandlungspartnern durch, denn der große Wurf sei vorerst ohnehin nicht zu schaffen. Die große Lösung für das Problem gebe es nicht. Es seien viele kleine Schritte, die zum Ziel führen können. Nur so schafften wir es.

Ein Großteil der an der Klimakonferenz teilnehmenden Länder hat die individuellen Ziele schon entwickelt und veröffentlicht. So wollen die EU-Länder ihre Emissionen bis zum Jahr 2030 um 40 Prozent gegenüber dem Niveau von 1990 reduzieren. Die USA planen ihre Emissionen bis zum Jahr 2025 um mindestens 26 Prozent gegenüber dem Niveau von 2005 zu senken. China, der weltweit größte Emittent von Treibhausgasen, hat sich immerhin bereit erklärt, dan Ausstoß von Treibhausgasen von 2030 an nicht mehr weiter zu erhöhen. Kleinere Entwicklungsländer wollen sich verpflichten, künftig mehr Strom aus erneuerbaren Quellen zu gewinnen oder energieeffizientere Technologien einzuführen. Sollten alle geplanten Maßnahmen auch tatsächlich umgesetzt werden, ließe sich der globale Temperaturanstieg Berechnungen zufolge auf etwa drei Grad begrenzen.

Johanna Wenninger-Muhr

Literatur: Hans Joachim Schellnhuber, „Selbstverbrennung“. C. Bertelsmann Verlag, München 2015. Naomi Oreskes, Erik M. Conway, „Vom Ender der Welt,“ oekom Verlag München 2015.

 

 

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