Eine Geschäftsidee, spontan auf eine Cocktail-Serviette gekritzelt, irgendwo in Texas im Jahr 1966 war der Beginn von dem was heute, 50 Jahre später, die Luftfahrtbranche umtreibt und klassische europäische Airlines mitunter zu radikalen Unternehmensumbauten zwingt. Warum aber erst jetzt?
Die Geschichte der Billigfluggesellschaften – oder Lowcost Airlines – beginnt 1966 in San Antonio, Texas. Sie ist bekannt. Anwalt Herb Kelleher hatte einem seiner Klienten Rollin King soeben geholfen, seine kleine unprofitable Fluggesellschaft zu schließen. Da kommt King eine neue Geschäftsidee: die Gründung einer Airline für ganz Texas. Er nimmt eine Cocktail-Serviette und zeichnet ein Dreieck darauf, schreibt ,Dallas´, ,Houston´ und ,San Antonio´ in die Ecken. Mit diesem Streckennetz, erklärt King dem Anwalt, würde die Fluggesellschaft nicht unter die damals bestehende staatliche Regu- lierung fallen. Außerdem biete Texas mit seiner boomenden Wirtschaft ein großes Passgier-Potenzial. Kelleher schließt kurz die Augen, dann ruft er: „Rollin, du bist verrückt! Let’s do it!“. Die Geburtsstunde von Southwest Airlines hatte geschlagen. Seit 1973 hat die vielleicht ungewöhnlichste Airline der Welt jedes Jahr Gewinn eingeflogen. Nach Passagierzahlen liegt sie in Amerika mit gut 65 Millionen Fluggästen im Jahr an sechster Stelle, weltweit auf Rang zehn. Dies erreicht sie ausschließlich mit billigen Linienflügen im Inland und einem schlichten Konzept: Fliegen muss einfach und billig sein.
Das Geld für Werbung fehlte
Doch bis zur Neugründung nach Rechtsstreitigkeiten gegen Behörden und Mitbewerber sollten noch mehr als drei Jahre vergehen. Am 18. Juni 1971 war es dann soweit: Mit drei Boeing 737-200, deren Finanzierung zu 90 Prozent Boeing übernahm, ging der Newcomer an den Start. Weil Geld für Werbung fehlte, musste man auf andere Weise bekannt werden. Ungewö-liche Stellenanzeigen wurden geschaltet, um Flugbegleiterinnen zu finden. 1 200 Frauen aus ganz USA schickten ihre Bewerbungen, um eine der 40 Stellen zu ergattern. Jene, die es geschafft hatten, wurden in aufreizende Uniformen gesteckt: Ultrakurze Hot Pants in Leuchtorange, dazu kniehohe Go-Go-Schnürstiefel und breite, figurbetonende Gürtel. Das nicht ohne Grund, denn die Hauptzielgruppe der jungen Airline waren männliche Geschäftsreisende. Southwest Airlines-Tarife waren einfach strukturiert und sehr niedrig. Tagsüber kostete ein Oneway-Flug 20, später 26 Dollar, abends und nachts zahlte man man auf den rund einstündigen Flügen innerhalb des texanischen Städtedreiecks zehn, später 13 Dollar.
Rekorde, was die Bodenzeiten anbelangt
Außerdem erzielte Southwest Rekorde, wenn es um die Kürze ihrer Bodenzeiten ging. 1972 genehmigte sich die Gesellschaft zehn Minuten zum Umdrehen, für den ,Turn-around´. Heute liegen die Texaner mit 20 Minuten immer noch um mehr als die Hälfte unter dem branchenüblichen.
Southwest befördert gerade sieben Prozent des gesamten Fluggastaufkommens in den USA, doch auf allen Strecken geht sie massiv in den Markt. Zu neuen Zielen wird mit einem Minimum von zwölf Flügen pro Tag gestartet, in der Erwartung, das Angebot innerhalb von ein paar Jah-ren auf 20 Flüge zu steigern.
Die Nachahmer in Europa ließen auf sich warten
Ende der 1970er Jahre versuchten sich Nachahmer auch in Europa. Beim Versuch ist es vorerst geblieben, wie die Geschichte von Laker Airways zeigt. Die erste europäische Billigfluggesellschaft setzte das ,No-Frills´(ohne Schnickschnack) -Konzept nicht konse- quent genug um und ging 1982 in Insolvenz. Es dauerte ein ganzes Jahrzehnt, bis Ryanair sich in Europa durchsetzen konnte. 1985 in Dublin gegründet, konnte sich Ryanair nur mäßig erfolgreich am Markt positionieren. Dies änderte sich als Michael O`Leary die Geschäftsführung im Jahr 1988 übernahm. Es folgte ein radikaler Wandel zum Lowcost Carrier und O`Leary erreichte damit enormes Wachstum.
Easyjet, ein weiterer ernst zu nehmener europäischer Lowcostplayer, wurde 1995 vom griechischen Reedersohn Stelios Haji-Ioannou gegründet. Er lieh sich fünf Millionen Pfund von seiner Familie und startete mit zwei von British Airways geleasten Boeing 737-200, die auf den Routen von London Luton nach Glasgow und Edinburgh flogen. Am 18. Mai 2005, wurde der 100-millionste Fluggast begrüßt. Im Mai 2011 erhielt easyJet ihr 200. Flugzeug von Airbus. Seit dem Markteintritt im Jahr 2004 in Deutschland verzeichnet easyJet enormes Wachstum auch hierzulande. Berlin hat sich inzwischen zur größten Basis von easyJet außerhalb Großbritanniens entwickelt. jwm