Transportkisten erwarten uns im Foyer des Weltkulturen Museums in Frankfurt. Es sind keine herkömmlichen Gepäckstücke. Der bunte Anstrich und die Signatur verleihen ihnen eine geheimnisvolle Aura. Reiselust regt sich. Willkommen zur Ausstellung „Painting, Performance, Politics“.
Ein Bericht von Suse Rabel-Harbering
Die Ausstellung ist El Hadji Sy gewidmet. Er selbst hat die unkonventionellen Koffer für die Versendung seiner Werke von Dakar nach Frankfurt gestaltet. Schräg gegenüber im Treppenhaus hängen bemalte Drachen an der Decke und im Garten vor der alten Villa flattern bunte Fahnen im Wind. Bewegung ist also angesagt. Ein Thema, das im Leben des Künstlers eine Rolle spielt und sich in seinem Werk niederschlägt.
Während der Führung mit Philippe Pirotte, einem der Kuratoren der Ausstellung und Sy erfahren wir eine ganze Menge über dessen Werk über die Besonderheiten der bildenden Kunst und des Kunsthandwerkes im Senegal, der Heimat des Künstlers. So etwas, dass Leopold Sedar Senghor, der erste Präsident des Landes nach der Unabhängigkeit 1966, ein Drittel des Staatsbudgets in Bildung und Kultur investierte. Im Rahmen dieser ungewöhnlichen Maßnahme wurde 1966 in Anlehnung an die ehrwürdige Einrichtung in Paris die Ecole des Beaux Arts in Dakar eröffnet. Was für Sy bedeutet, dass er einen Studienplatz bekommt und sich der im Senegal ganz und gar unbekannten Malerei widmen kann. Zu diesem Zeitpunkt bestimmten dort wie in den meisten Ländern des afrikanischen Kontinents Stoffe, Skulpturen, Masken, Musik und Tanz den Kunstkanon.
Bald wird Sy Vorsitzender des senegalesischen Künstlerverbandes. Er versucht, gegensätzliche Positionen zwischen Autodidakten und der von Senghor protegierten Malerbewegung der Ecole de Dakar einzubeziehen. Immer bleibt er seiner kritischen Haltung gegenüber der staatlichen Kulturpolitik treu. An dieser Stelle ist vielleicht ein Blick auf Präsident Senghors Philosophie der ,Négritude´ hilfreich, die dieser als Gegenmodell zur westlichen Kulturtradition, aufgedrängt durch die Kolonialpolitik Frankreichs im Senegal – aufstellte und mit der er sich während seines Studiums in Frankreich auseinandersetzte. Négritude stellt dem analytischen Verstand der Weißen die Emotionalität die Empathie der indigenen Völker gegenüber. Diese Polarisierung wurde von vielen afrikanischen Intellektuellen schon damals kritisiert. So auch von Sy.
Das von El Hadji Sy im Jahr 1977 gegründete Village d’Art in Dakar, ein Zentrum für Musiker, Filmemacher und Autoren wird fünf Jahr später während einer Razzia geräumt und viele der Werke zerstört. Sy kann seine Arbeiten zu seinem Freund und Mäzen Friedrich Axt in Sicherheit bringen, der sie nach Deutschland überführt. In Frankfurt hatte schon in den achtziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts – ganz im Gegensatz zu der üblichen Sammlerpraxis, die sich hauptsächlich auf europäische und nordamerikanische Kunst konzentrierte – das Weltkulturen Museum einen Fokus auf afrikanische Gegenwartskunst gerichtet.
Leinwand, Jutesack und ausrangierte Planen mit Füßen treten
El Hadji Sys Blick ist auf Dakar, auf den Senegal gerichtet. Er weicht ab von kolonialen Sujets, von herkömmlicher Malweise. Sy verlagert den Schwerpunkt weg von der Staffelei, verzichtet auf das Zusammenspiel von Auge, Hand und Pinselführung. Dagegen breitet er Jutesäcke auf dem Boden aus und setzt seinen Körper ein. Er experimentiert, indem er Tanz und Musik in ihm vertraute Kunstformen in die Malerei miteinbezieht. Er prägt sich mit seinem Körper in die mit Öl oder Acryl getränkten Maschen und Fasern des rauen Gewebes ein. ,Footprints´ heißt eine Serie seiner ersten Schaffensperiode.Während sich Poeten in Französisch artikulierten, das zwar offizielle Landessprache gleichzeitig aber auch Fremdsprache ist, versuche er sich mittels Körpersprache auszudrücken, erläutert Sy. Er will vor den Traditionen westlicher Vorstellungen von Malerei fliehen. Nicht dem Gemalten gegenüberstehen, eher auf der ausgerollten Leinwand, dem Jutesack, der ausrangierten Plane herumtrampeln, darüber laufen und mit Füßen treten.
Für die derzeitige Ausstellung hat Sy seine Arbeiten, die schon seit über dreißig Jahren zum Bestand des Weltkulturen Museums gehören, neu gesichtet. Er lässt sie in Kontakt treten mit einer Auswahl der etwa 70 000 ethnologische Objekte umfassenden Sammlung des Hauses. Gegenstände, deren Funktion erschlossen werden konnte, vielleicht der Kulturkreis, dem sie entstammen, mehr nicht – stumme Zeugen einer rätselhaften Vergangenheit. Nun, vor dem Hintergrund zeitgenössischer, afrikanischer Gemälde, die zwar signiert und mit Datum versehen, deren Autoren im Westen jedoch weitgehend fremd geblieben sind, entspinnen sich Geschichten, eröffnet sich spontan eine Performance.
So schiebt der Künstler die Stoffbahn eines mobilen Paravants in die Höhe, hebt ein Bein, senkt leicht sein Haupt und geht einfach durch. Dann fällt die Stoffbahn – wie ein Vorhang. Ihm sei es wichtig, den Betrachter miteinzubeziehen, einen interaktiven Umgang herzustellen, erläutert Sy. Wenn in einem Raum vier Hocker aus Papua-Neuguinea auf einem von Sy verfertigten Bodengemälde aus Jute arrangiert sind, könnte man sich vier darauf sitzende Gesprächspartner vorstellen.Vielleicht spiegeln sie sich im Brunnen, dem Motiv des Bodengeemäldes.Vielleicht imaginieren sie visuelle Gebilde. Vielleicht tauschen sie sich aus über die Reise von Dakar nach Frankfurt.
El Hadji Sy, Painting, Performnce, Politics.
5. März – 18. Oktober 2015.
Weltkulturen Museum, Schaumainkai 29-37, 60594 Frankfurt, Tel. 069 212 45115.
Öffnungszeiten: Di-So 11-18 Uhr, Mi 11-20 Uhr.
Sehr Guter Bericht… Weiter so!