Als in Bayreuth geborener echter Bayer hat aireg-Präsident und ehemaliger Lufthansa-Chefpilot und Vorstand Operations Jürgen Raps in die Bayerische Landesvertretung in Berlin zur ,2. Internationalen Biokraftstoffkonferenz Anfang der Woche nach Berlin eingeladen. Führende Vertreter aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft diskutierten dort darüber, dass alternative Flugkraftstoffe eines der entscheidenden Instrumente sind, um die Klimaschutzziele des Luftverkehrs zu erreichen. Neben Staatssekretär Rainer Bomba, waren es die brasilianische Botschafterin Maria Luiza Viotti, die Leiterin der EU-Politik Landwirtschaft und Biomasse Martina Fleckenstein, Airbus Group-Vorstandsmitglied und –Technikchef, Dr. Jean Botti, Boeing-Chef für Deutschland und Nordeuropa, Dr. Matthew Ganz, Prof. Dr. Ing. Martin Kaltschmitt, TU Hamburg-Harburg, Vertreter der Mineralölfirmen Total, Neste Oil, um nur einige zu nennen.
Vertreter aus 19 Ländern weltweit waren der Einladung gefolgt. Rege Diskussionen mit Publikumsbeteiligung gab es bei den drei Podiumsdiskussionen zu den Themen ,Wettbewerbsneutralität bei Markteinfüh-rung alternativer Flugkraftstoffe´, ,Heimische Rohstoffpotentiale und Energieautonomie, ,Bioenergie und ländliche Entwicklung´ und ,Verfahren zur Herstellungv von alternativen Flugkraftstoffen´.
Das zeigt, wie groß das weltweite Interesse ist, sich zum Thema Bioflugkraftstoffe sich zusammenzutun.
Gespräch mit aireg-Präsident Jürgen Raps:
Herr Raps, aireg will als Kompetenzzentrum für alternative Flugkraftstoffe in Deutschland weltweit Ideen ,einsammeln´. Wie muss man das verstehen?
Jürgen Raps: Wir versuchen sämtliche Initiativen in Bezug auf alternative Energien zu katalysieren und zu zentrieren. Das muss man natürlich nicht nur in Deutschland, sondern auch auf europäischer und globaler Ebene machen, denn es handelt sich um ein globales Business.
Was ist bis jetzt passiert?
Erste Schritte sind eingeleitet und eine weltweite Zusammenarbeit kristallisiert sich langsam heraus. Wir arbeiten intensiv mit der Partner-Initiative in den Vereinigten Staaten, mit CAAFI (Commercial Aviation Alternative Fuels Initia-tive) zusammen, haben gute Verbindungen in Europa, vor allem nach Spanien, nach Brasilien – die Botschafterin war Rednerin auf dieser Konferenz – und nach Australien, wo ähnliche Initiativen laufen wie die unsere. Es tut sich weltweit extrem viel auf dem Sektor alternative Energien, Biokersosin und zukünftige Technologien.
Nur die Umsetzung dauert…
Eigentlich ist alles da, was man braucht. Den Sprit gibt es, beim Thema Forschung und Entwicklung ist man extrem weit, vieles ist erforscht. Bioflugkraftstoff ist zertifiziert. Lufthansa hat 2011 eine A321 ein halbes Jahr lang damit fliegen lassen. Andere Airlines haben Ähnliches gemacht. Es ist also ,angerichtet´. Man muss es jetzt industriell und kommerziell umsetzen. In erster Linie ist jetzt auch die Politik gefragt, die entsprechenen Regularien auf die Beine stellen und auch Anschubförderungen auf den Weg zu bringen. Wie schnell so was möglich ist, hat in Deutschland der Ausstieg aus der Atomkraft gezeigt.
Nun hat Herr Bomba heute ja einiges angekündigt. Wie beurteilen Sie das?
Da hat er noch einiges vor sich. Wenn man sich die selbstgesteckten ICAO und IATA-Ziele und auch die der Bundesregierung anschaut, dann sind wir um in der Pilotensprache zu sprechen: ,behind the power curve´. Für einen Flieger ist das immer schlecht. Wir müssen also kräftig Gas geben, um diese Nachhaltigkeits- und Klima-Ziele zu erreichen, vor allem vor dem Hinter-grund der Wachstumsszena-rien für den Luftverkehr, der Verdoppelung der Weltflotte und Euroflotte bis 2032. Durchschnittliche Wachstumsszenarien von 5 Prozent, natürlich unterschiedlich in den verschiedenen Märkten. Da kommt noch einiges auf uns zu.
Es ist also höchste Zeit zu handeln? Kann aireg ein Treiber, ein Beschleuniger sein?
Man kann aufrütteln, immer wieder betonen, wie dringich die Sache ist und uns weltweit zusammtun. Die Dringlichkeit vor dem Hintergrund des Wachstums-Szenarios kann man mit einem Tsunami vergleichen. Solange man ihn nicht sieht, wird er nicht ernst genommen. Im übertragenen Sinn: der Tsunami ist da. Dass bei der heutigen 2. Internationalen Biofuel Conferene 2014 insgesamt 19 Nationen vertreten sind, zeigt das weltweite große Interesse, sich zusammenzutun.
Interview: Johanna Wenninger-Muhr
Herstellungstechnologien, die aireg vorantreibt:
Gas-to-Liquid (GtL)
Die GtL-Technologie wird seit vielen Jahren zur Erzeugung von Kraftstoffen aus gasförmigen Energieträgern genutzt. Im nächsten Schritt geht es darum, statt fossilem Gas, Biomethan per GtL in Kerosin umzuwandeln. Airbus und die Technische Universität Hamburg-Harburg haben die Wertschöpfungskette von Biogaserzeugung bis zur Biokerosinbereitstellung an Flughäfen analyisert.
HEFA – Für die Herstellung von Hydroprocessed Esters and Fatty Acids (HEFA) können Fette und Öle genutzt werden. Das Verfahren wird von der finnischen Neste Oil im großindustriellen Maßstab angewandt. Das aireg-Mitg-lied betreibt vier HEFA-Raffinierien mit Kapazitäten von 190 000 bis 800 000 Tonnen jährlich.
BtL – Bei Biomass-to-Liquid (BtL) wird aus fester Bio-masse, etwa Stroh, Treib-stoff hergestellt. BtL-Kraftstoffe sind für den zivilen Luftverkehr zugelassen.
DSHC – Zuckermoleküle aus Stärke- und Zuckerpflanzen können über Mikroorganismen und eine Hydrierung zu Biokraftstoffen umgewandelt werden. TOTAL und Amyris, ein US-Start-up, haben mit Farnesen ein Molekül ent-wickelt, das nach Hydrierung zu Farnesan fossilem Kerosin beigemischt werden kann. Bis Ende 2013 waren zwei Produktionsverfahren für Biokerosin zugelassen. Sieben weitere Ansätze werden von der ASTM aktuell überprüft.
,Aviation Initiative for Renewable Energy in Germany e.V.´ (aireg)
Ziel von aireg ist es, die Herstellung und Nutzung von alternativen Flugkraftstoffen zu forcieren. Bis zum Jahr 2025 sollen Biokraftstoffe zehn Prozent des in Deutschland getankten Kerosins ausmachen. Die Biokraftstoffinitiative der deutschen Luftfahrt wurde 2011 gegründet und bündelt Engagement und Knowhow von Luftverkehrsgesellschaften, Flughäfen, Forschungsein-richtungen sowie Unternehmen der Luftfahrt- und Rohstoffindustrie.
Fotos: Christiane Trabert, Berlin