Zehn Trends für die Zukunft

Der kürzlich erschienene `Trend-Report 2013´ des Kelkheimer  `Zukunftsinstituts´ von Matthias Horx liefert Einschätzungen zu zehn aktuellen Trends. So würden die Trends  `Lifestyle of Resilience´,  `Augmented Outdoor´, `Hacking  als neue Kulturtechnik´,  `Bactereality´, `Cyberflaneur´, `Peer-Education´, `Post-TV-Zeitalter´, `Urban Exploration´, `Beau Teen´ und  last not least `iBorg-Society´,  nach Ansicht des Instituts, Gesellschaft, Kultur und Wirtschaft in nächster Zeit prägen.

Der Trend `Lifestyle of Resilience´
`Resilience´ ist eines der vielen Schlagworte vergangener Monate. Nach Interpretation des Zukunftsinstituts bedeutet es  höhere Krisensicherheit durch Redundanz und selbstheilungsfähige Strukturen und sei eine Antwort auf die Anfälligkeit übersteigerter Verschlankung und überzogener Vorstellungen, alles bis ins Letzte planen und berechnen zu können. Auch Rebellion sei wieder möglich. Widerstand gegen elterliche Wertvorstellungen und Konventionen gehöre dazu, ebenso wie gezielter Tabubruch. Was individualpsychologisch gern mit pubertären  Entwicklungsphasen erklärt werde, habe gesamtgesellschaftlich eine wichtige Funktion.

Die Rebellion der Jüngeren gegen die Älteren markiere immer einen Wertewandel, einen Trend. Namhafte Veröffentlichungen wie die Shell Jugendstudie hätten in den Jahren zwischen 2000 und 2010 den Eindruck einer übermäßig angepassten Jugend entstehen lassen. Aus den Reihen der Jüngeren sei oft die Klage zu hören gewesen, ihre Eltern böten nicht genug Angriffsfläche für jugendlichen  Widerstand. Das werde sich in Zukunft ändern. Denn die Generation der sogenannten LOHAS (LOHAS ist ein Akronym für `Lifestyle of Health and Sustainability´ und steht für einen Lebensstil oder Konsumententyp, der durch Konsumverhalten und Produktauswahl Gesundheit und Nachhaltigkeit fördern will)  werde selbst zur `Elterngeneration´ . Und die LOHAS-Eltern böten mehr  Angriffsfläche als Elterngenerationen  zuvor. `No Health And Sustainability´sei  deshalb das Motto der neuen Subkultur, die einfach nur Ungesundes tun müsse, um zu provozieren. Wer es glaube, dass der Tabubruch so einfach sei , möge sich nur in einem familienfreundlichen Café eine Zigarette anzünden und die Reaktionen beobachten. Zur Bühnenausstattung der neuen Talkshow Roche & Böhmermann des Senders zdf.kultur gehörten neben Mikrofonen in 70er-Jahre-Optik, große Glaskaraffen mit Whisky und Aschenbecher. Vor der Kamera darf ausdrücklich geraucht werden. Die Nutzung von Kraftausdrücken und tätowierte Studiogäste rundeten den Gesamteindruck einer zelebrierten Unkorrektheit vor laufender Kamera ab  (www.rocheundboehmermann.de). Hinter diesem Gegentrend stecke aber mehr  als nur die rebellische Geste. Im Kern seien die LOHAS konservativ,  möchten nichts entwickeln oder voranbringen. Sie  richteten sich nicht an der Zukunft aus, sondern an einer eingebildeten Vergangenheit:  Die `intakte Natur´ wollten sie schützen, die `Gesundheit´  nicht als Prozess, sondern als Zustand. Die Sehnsucht der LOHAS speise sich aus der Vorstellungen einer ´heilen Welt´, die es nie gegeben habe.

Der Trend `Augmented Outdoor´
Über den Outdoor-Begriff werde Natur in spätkapitalistischen Gesellschaften neu codiert: Am technologisch unterstützten Umgang mit dem `Draußen´ zeige sich, dass in Zukunft Natur und Technik nicht mehr als Gegensätze aufgefasst würden, sondern als zwei Seiten eines Naturerlebenisstils. Natur werde durch Technik erst richtig schön.  `Augmented Outdoor´ steigere den Genuss bei gemindertem Risiko. Technologie und Natur seien nur scheinbar ein Widerspruch. Folgendes Beispiel wird dazu angeführt. Eine kleine Gruppe Skibergsteiger ist vom Gipfel des Großvenedigers auf 3.662 Meter Meereshöhe zur Abfahrt gestartet. Nach wenigen Schwüngen setzt Nebel ein. Was tun, angesichts der Überquerung eines spaltenreichen Gletschers und der Gefahr, ohne Sicht in absturzgefährdetes Steilgelände zu geraten? In einer solchen, früher lebensbedrohlichen Situation lasse sich die Gefährdung heute stark reduzieren. Mit Hilfe ihres GPS-Gerätes könne die Gruppe auch bei Sichtweiten unter zehn Meter sicher über den Gletscher ins Tal steuern, denn das ´Navi´ zeige den Weg. Ebenso spannend sei es, dank moderner Mobilfunktechnologie im Unterholz des Birkenwaldes an Ort und Stelle bestimmen zu können, ob der gefundene Pilz in den Korb wandert oder lieber nicht. Die Pilzbestim-mungs- App mache es möglich.
Mit dem Aufstieg der Outdoor-Branche setzte eine Umwertung ein. Unter Outdoor ließen sich viele Begriffe fassen, die mit einem Mal schick wurden: Aus Kletternsei  Climbing geworden. Regelmäßiges Training  könne heute in einer der 400 Kletterhallen durchgeführt werden, die es alleine in Deutschland gibt. In Deutschland bewegten sich rund 350 000 Sportkletterer regelmäßig. Von den gut 892 000 Mitgliedern des Deutschen Alpenvereins gäben 25 Prozent an, regelmäßig klettern zu gehen.  Aus Wandern sei Hiking geworden. Mittlerweile halte der Buchhandel einschlägige Literatur bereit für leichte Bergtouren mit Kinderwagen oder auch Rollstuhlfahrer bereit. Aus Fahrradfahren wurde Biking. Schon seit Jahren boome die Fahrradindustrie. In Deutschland gebe es geschätzte 70 Millionen Bikes (aber nur 41 Millionen Autos ).  Jährlich verkauften die unzähligen Hersteller vier  Millionen Räder aller Art. Aus Joggen wurde Running und mittlerweile ginge  es längst nicht mehr um den lockeren Trab, sondern darum, jedes mögliche Gramm Gewicht an der Ausrüstung  einzusparen, Körperflüssigkeiten noch effektiver abzutransportieren.
Skibergsteigen und Winterwandern:  Pisten und abgelegene Gegenden würden auch im Winter immer mehr zu Wanderzielen. So gebe es in Österreich 350 000 bis 650 000 Skitourengänger, mit zweistelligen Zuwachsraten im Prozentbereich. Der Markt an Wintersportartikeln hätte  von 2009 bis 2011 um 20 Prozent zugelegt. Im Jahr 2010 setzte das Outdoor-Segment nach Angaben des Anbieters Intersport 1,8 Milliarden Euro um. Für 2011 gab die European Outdoor  Group die Marktumfänge in Europa mit zehn Milliarden Euro an.
Forschungsabteilungen zögen alle technologischen Register. Physikalische und chemische Aspekte machten moderne Outdoor-Kleidung zu Technologiewundern: Die menschliche Grundfeuchte werde  abtransportiert, äußere Nässe am Eindringen gehindert, jeder halbwegs vernünftige Janker funke heute die Position seines Trägers in die Umgebung, falls dieser einmal verschüttgehen sollte. Halterungen für den obligatorischen Netzanschluss durch mobile Geräte seien Pflicht.
Augmented Outdoor sei  in jedem Fall ein großes Feld, von dem in den kommenden Jahren noch eine Menge an Entwicklungen zu erwarten sei. Über den Outdoor-Begriff werde dabei die Beziehung des Menschen zu seiner Umgebung immer mehr als Wechselwirkung verstanden.  Nicht mehr die Veränderung der Umwelt als solche sei  das Thema, an dem man sich abarbeiten müsse, sondern die Frage, wie sich diese Veränderung gestalten lasse, um positive Wirkungen für beide Seiten zu erzeugen: den Menschen und seine Umwelt.

Hacking  als neue Kulturtechnik
Die Hack-Generation, die mit dem Netz groß geworden sei und die dortigen Praktiken wie Teilen, Tauschen und Transformieren gelernt und verinnerlicht habe, trage nun „Hacking“ als Kulturtechnik in den Alltag. Hacker würden in Zukunft den Alltag erobern und auf kreative Art und Weise Regeln von Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft brechen. Die im Netz praktizierten Prinzipien des Teilens, Tauschens und Transformierens würden in den Alltag integriert.  Hacking meine dabei weniger die Zerstörung von etwas, vielmehr rüttele eine junge Generation, die auf Beteiligung und Transparenz setze, am Status quo. Gehackt würden Situationen, Kampagnen und das Alltagsleben. Urban Hacker zerstörten nicht, sondern schafften  neue Orte.  In New York beispielsweise würden kaum noch genutzte Fernsprecher zu öffentlichen Bibliotheken umgestaltet. Beliebt seien Guerillaaktionen, in denen Bekanntes umprogrammiert, neu „geadded“ (hinzugefügt), kopiert und bespielt werde. Durch unzählige Maßnahmen würde öffentlicher Raum personalisiert. Das Ergebnis seien ungewöhnliche Sofortverbesserungen ohne langwierigen Planungsaufwand.

Der Trend `Bactereality´
Jeder erwachsene Mensch trage bis zu zwei Kilo Bakterien am und im Körper mit sich herum.  Während einer gesamten Lebenszeit produziere ein Mensch Darmbakterien, deren Gewicht fünf ausgewachsenen Elefanten gleichkomme. So befremdlich die Vorstellung sein möge, so überraschend sei es, dass die Bedeutung und die positiven Effekte dieser mikroskopischen Mitbewohner  lange übersehen wurden. Unsere Vorstellung von Hygiene lege nahe, dass Bakterien am Körper etwas seien, das mit Seife und Sagrotan bekämpft werden müsse. Dabei wäre kein Mensch ohne sie lebensfähig. Mehr noch: In ihrer Ganzheit bildeten die Körperbakterien in ihrer Ganzheit eine Art Organ, auch „Mikrobiom“ genannt. Diese Sicht ist neu und komme  einer Revolution gleich.
Mikroorganismen sind laut Zukunftsinstitut die Überraschungskandidaten im Rennen um nachhaltige Gesundheit, individuelle Medizin und Recycling wertvoller Ressourcen. Von Forschung und Industrie lange übersehen, emanzipierten sich Bakterien als unerforschte Türsteher großer Märkte.
Dass die Biotechnologie das Zeug habe, die Medizin und den industriellen Sektor zu revolutionieren, bezweifle kaum jemand. Während sich in den Bereichen von Bio-Mining relativ schnell Profite erzielen ließen und leicht neue Investoren angelockt würden, hinke die medizinische Forschung hinterher. Dabei könnte die Umstellung von Humangenomik auf den Einsatz von Mikroorganismen der von Rückschlägen hart getroffenen Biotech-Branche durchaus neuen Schwung verleihen. Das eigentliche Potenzial des Trends schlummere aber im Ernährungssektor. Und, wenn  sich aufgrund der neuen Einsichten in die symbiotische Nützlichkeit bestimmter Mikroorganismen auch das häusliche Hygieneverhalten ändere, könnte das nicht zuletzt auch die Hersteller von Haushaltsreinigern und Funktionsbekleidung betreffen, die bislang noch alles auf maximale Sterilität setzten.

Der Trend `Cyberflaneur´
Ein Cyberflaneur sei ist kein bösartiger Troll, auch wenn er das Hacking gerne als die ihm eigene Kulturtechnik einsetze. Die Suche nach dem Neuen, Zufälligen lasse ihn manchmal einige Regeln vergessen, auch seine voyeuristische Ader könne er kaum verbergen. Doch ähnlich wie die bürgerliche Gesellschaft des 19. Jahrhunderts das soziale Sicherheitsnetz für das Individuum gewesen sei, sorgten heute die Netz-Communitys für eine Kontrolle derer, die meinen, sie müssten das anonyme Cyberflanieren übertreiben. Der Cyberflaneur wolle eines auf keinen Fall: in einer langweiligen, vorhersagbaren Welt leben. Und werde damit genau das retten, was den Menschen von der Maschine unterscheide: den Zufall.
Der Zufall der unerwarteten Entdeckung werde zum größten Gut. Auch E-Commerce richte sich neu aus.  Empfehlungen, Kommentare oder Feeds auf Produkte und Marken steuerten  die Märkte mit. Kunden-Daten seien der Rohstoff des 21. Jahrhunderts.  Heute existierten 2,7 Zettabyte an Daten im digitalen Universum. Diese auszuwerten werde zur wichtigsten Aufgabe für Unternehmen. Sie müssten lernen, dabei wie ein Kurator zu agieren. Die besten Stücke würden ausgewählt und entsprechend der Zielgruppe angeboten.

Der Trend `Peer-Education´
Die Prinzipien von Open Source, DIY und Social Networking erreichten das Bildungswesen: Eine durch und durch vernetzte und globalisierte Generation spinne sich ihre eigenen Lernnetzwerke. Jenseits etablierter Institutionen wie Schulen, Universitäten und Unternehmen organisiere sie gemeinschaftliche Lernprozesse in Peer-to-Peer-Netzwerken. Dem Trend zur professionellen Unterstützung der eigenen, unverwechselbaren Persönlichkeitsentwicklung kämen neue Bildungsformate entgegen. Zum Beispiel die in London angesiedelte „School of Life“.  Sie biete ein breitgefächertes Angebot an Kursen, psychotherapeutischen Sitzungen, Reisen und Vorträgen an, die auf eine gute Lebensführung, ethisch-philosophische Fragen, Persönlichkeitsbildung und alltagstaugliche Erfahrungen zielten. Das Themenspektrum reiche von „How to find the Job you love“ über „How to stay calm“ bis hin zu einem Wochenende in einem britischen Seebad mit dem weltberühmten Fotografen Martin Parr (www.theschooloflife.com).
Neben den geschlossenen Ausbildungsinstitutionen etablierten sich so verstärkt neue Lernumgebungen, die auf Offenheit, Zugang für alle und die Selbstbestimmung der Lernenden setzten. Die Öffnung und Entgrenzung von Bildung und Lernen finde auf unterschiedlichen Ebenen statt. Das Lernen verlasse die Institutionen und beschränke sich nicht mehr auf Klassenzimmer und Hörsaal. Gelernt werden könne jederzeit und überall  allein, in Gruppen oder durch persönliche Lerncoaches. Formale Qualifikationen und Abschlüsse träten gegenüber persönlichen Lernprozessen und dem individuellen Wunsch und Bedarf, neue Kompetenzen zu erwerben, in den Hintergrund.

Der Trend `Post-TV-Zeitalter´
Vom „Leitmedium“ Fernsehen könne keine Rede mehr sein. Selbst wenn Umfragen längeren und häufigeren Konsum belegt. Es werde heute anders genutzt als in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Die Nutzung werde immer situativer. Während Fernsehen früher nach einem vorgegebenen Programm konsumiert wurde, richte sich der Zuschauer nicht mehr nach den Programmdirektoren, sondern werde zu seinem eigenen Intendanten.  Inhalte rufe er dann ab, wenn sie in seine Lebenssituation passten. Fernsehen spalte sich in den kommenden Jahren zusehends in „Hochkonzentrations-TV“ und „Stimmungsbegleiter“. Die immer breitere Auffächerung der Medien-Kanäle untergrabe die Monopol-Stellung des TVs und erzeuge zugleich völlig neue Sehgewohnheiten. Fernsehen der Zukunft sei überall. Mit Apps für Videoportale wie Hulu, BBCiPlayer, Myvideo oder YouTube verlagere sich Fernsehen zunehmend auf mobile Geräte und erobere Unterwegs-Sendeumfelder. Der Sehkonsum wandele sich dadurch enorm. Unterwegs, jederzeit, überall. Durch VPN-Server sei auch internationaler Zugang möglich. Hierbei wähle man sich bei einem externen Server ein, etwa in den USA oder England, und surfe dann anonym mit einer lokalen IP-Adresse. Angebote, die bislang nur US-Bürgern zugänglich waren, könnten dadurch auch außerhalb der USA abgerufen werden. Chancen. Erste Sender testeten Serien bereits zunächst auf ihren Online-Portalen, bevor sie im klassischen Fernsehen gezeigt werden. Etwa ProSieben, das die US-Serie „Spartacus“ erst auf MyVideo laufen ließ, wo die Folgen der ersten Staffel rund 15 Millionen Mal gesehen wurden, bevor sie mit ähnlichen Quoten ins reguläre Programm kam. Der zweigleisige Weg zeige, welche Folgen die neuen TV-Serien-Konsumgewohnheiten für die Sender mit sich brächten ingen. Der klassische TV-Fernsehgerät-Zuschauer sei  nicht länger primärer Ansprechpartner für Erstausstrahlungen. Flop-Risiken könnten so neu eingeschätzt werden, Werbepartner der Sender könnten über das Online-Angebot gezielter angesprochen werden.
Fernsehmacher müssten den Zuschauer  in die Programmgestaltung mit einbeziehen, der über den „Second Screen“, also über Smartphone, Tablet, Handheld, Konsolen zu der aktuell laufenden Sendung mit anderen kommunizieren könne. Statt TV für die breite Masse zu produzieren, müssten künftig mehr „Nischenformate“ kreiert werden, während das klassische, stationäre Fernsehprogramm zu einem wenig beachteten Begleitmedium mutiere. Werbung würde leiser werden müssen, um mit Intelligenz, Charme und per Dialog den Zuschauer zu gewinnen. Gleichzeitig ließe sich Werbung wesentlich zielgerichteter platzieren.

Der Trend `Urban Exploration´
Auf der Suche nach Nostalgie und Authentizität entdeckten und erkundeten `Urban Explorer´ verlorene Orte und hielten ihre Abenteuer in eindrucksvollen Fotos fest. Urban Explorer, oder kurz Urbexer, entdeckten, erkundeten und dokumentierten vergessene Orte, die in keinem Reiseführer auftauchen. Je vergessener, desto besser. Beliebte Orte seien  psychiatrische Anstalten,  Krankenhäuser, alte  Industrieanlagen, verlassene Militärkomplexe, Freizeitanlagen, oder unterirdische Bauten wie Tunnel und Kanalisationen, verfallene Schlösser und marode Stadtvillen. Manche Urban Explorer vergleichen die Wirkung verlassener Orte mit der einer Droge. Urban Exploration sei ein multi-sensorisches Erlebnis. Stimmungssituationen regten die Fantasie des Explorers an, er male sich aus, wie das Leben hier früher ausgesehen haben möge. Urban Explorer suchten die Interaktion mit den Spuren der dort gelebten Leben. Verschiedene Zeiten scheinen gleichzeitig zu existieren; die Explorer halten die unausweichliche Vergänglichkeit dieser Orte in ihren Dokumentationen fest.
Urban Exploration biete  eine Menge Potential und Anknüpfungspunkte, Der  Wunsch nach Abenteuer und dem Reiz des Verborgenen sei ein wichtiger Kontrapunkt zum überplanten Leben. Raum für Erkundung gebe es in den tendenziell schrumpfenden Städten Europas in den kommenden Jahren genug. Dabei werde es darauf ankommen, eine Balance zu finden zwischen der  kommerziellen Nutzbarmachung durch touristische Anbieter oder Stadtverwaltungen und dem Bedürfnis der Nutzer nach dem Authentischen einer „nicht angefassten“ Umgebung. Hierzu seien  neue Konzepte nötig: Einer Gewinnmaximierung im herkömmlichen Sinne widersetze sich der Trend, denn eine Las-Vegas-artige Konservierung würde jeden Urbexer sofort abstoßen.

Der Trend `Beau Teen´ – Präpubertäre Jungen entdecken das Self-Design
Schnell das T-Shirt von gestern übergeworfen, die Haare gewuschelt und raus – diese Zeiten seien  vorbei: Jungen im Teenie-Alter  entdeckten Mode und Pflegeprodukte, der Trip zum Friseur sei ein  Happening, das auf Facebook zelebriert werde. Jungen fingen zunehmend früher an, sich zu stylen, dafür spezielle Produkte zu kaufen und auf ihr mediales Image zu achten. Bei den vor- bis frühpubertierenden Kids sei „Hey, Styler“ eine häufig zu hörende Phrase. Das eigene Image werde sorgfältig auf sozialen Netzwerken konstruiert und gepflegt – wer kenne nicht das typische Profilbild vor dem Spiegel, das Handy in der Hand. Bei jedem Foto oder Video werde überlegt: Wie sieht das jetzt auf Facebook, auf YouTube aus? Online-Medien förderten so vermehrt die Aufmerksamkeit, was das eigene Aussehen und Styling anbelange, liefere aber auch die Vorbilder.
Ein erheblicher Teil menschlicher Erfahrungen im frühen 21. Jahrhundert werde aus den Medien gespeist. Medientexte vermittelten Werte, Normen und Ideologien und seien von Bedeutung bei der Vermittlung von Stereotypen, in Bezug auf Geschlecht und Berufsbilder, von Wertvorstellungen, von Sprachstil, Mode und Körpersprache. Sie prägten Kommunikationsstil, die emotionale Entwicklung und die des Weltbilds. Neben Familie, Peergroup und Schule seien sie für viele Autoren die bedeutsamste Sozialisationsagentur für Kinder und Jugendliche. Die medial vermittelten Informationen hätten,  was künftig bei den ganz Jungen gehe : Style, aber auch Tabuprodukte.
In den kommenden Jahren sei zu erwarten, dass der Beauty- und Modemarkt vermehrt auf das neue Körperbewusstsein der Jungen reagieren wird.  Auch die Anforderungen an die Medien selbst würden sich ändern, sie müssten cooler aussehen oder eine coole Marke sein – Jungen „liken“ auf Facebook  Sony, Nike, Hollister und Co., um ihrem Image eine Aura des gediegenen Geschmacks zu verleihen. Sie geben beim Kauf ihrer neuen Handys, Kopfhörer und sonstigen technischen Geräte gerne mehr aus, um den richtigen Style, das richtige Image zu haben.
Die „Facebookisierung“ der Kommunikation unter Jugendlichen führe  zur permanenten  Selbstdarstellung und zu forciertem „Self-Design“. Always-on-Geräte, die mobil permanent als Spiegel mit dabei seien, verstärkten den Drang, am Äußeren zu  „arbeiten“, nun auch schon bei Schülern unter zehn Jahren. Die Vorbilder würden medial transportiert– Teenie-Stars von Justin Bieber bis Tokio Hotel machten vor, wie alternative Lebens- und Karriereentwürfe funktionierten.
Kinder und Jugendliche hätten eine größere Kaufkraft als jemals zuvor, und es stehe ihnen heute eine wachsende Palette an Produkten zur Verfügung, ihre Einzigartigkeit zum Ausdruck zu bringen. Das  traditionelle Produktangebot werde in den kommenden Jahren vor allem für Jungen um Parfüms, Pflegeprodukte und Schmuck erweitert.

Last but not least:  der Trend ` iBorg-Society´
Die künstliche Intelligenz sei in der Gegenwart angekommen, doch ganz anders als erwartet. Maschinen werden Menschen so bald nicht ersetzen, denn statt zu Androiden würden sie eher zu `Intelligenten Agenten´, die unsere Aufgaben besser verstünden und einfacher lösten. Die Kommunikation mit ihnen sei allerdings immer noch nicht so einfach. Eine wirklich reibungslose Symbiose zwischen menschlicher und ´maschineller´Intelligenz wäre mehr als die Summe der einzelnen Teile und müsste so intuitiv funktionieren, dass sie Teil des menschlichen Organismus werde: zu einer persönlichen Me-Ware, zusammengesetzt aus individueller Soft- und Hardware. Man könnte diese Art substanzieller Weiterentwicklung des Menschen durch Technik als `iBorg´ bezeichnen. Das sei nach wie vor Utopie. Doch die Entwicklung unterstützender Elemente zur Erweiterung der menschlichen Fähigkeiten sei eindeutig im Gange. Die kommende Marktentwicklung werde daher einen klaren Fokus haben: das physische Interface.
Das „iPhone“ versprach eine neue Verbindung zwischen Mensch („i“) und Maschine („Phone“). Schon der Markenname hätte  nicht die Maschine an sich, sondern die Schnittstelle zwischen Maschine und Mensch in den Vordergrund gerückt. IT-Innovationen müssen unter neuen Vorzeichen betrachtet werden.
Nicht die Rechenleistung, nicht der Intelligenzquotient der Künstlichen Intelligenz, sondern das physische Interface spiele die Hauptrolle.
„Unsere Hoffnung ist, dass, in nicht allzu vielen Jahren, menschliche Gehirne und Rechenmaschinen sehr eng miteinander verbunden sein werden, und dass die daraus resultierende Gemeinschaft denken wird, wie kein menschliches Gehirn jemals gedacht hat, und Daten verarbeiten wird, wie es keine der bisher bekannten Maschinen konnte.“ Dieses Zitat beschreibe das Konzept der `Intelligence Augmentation´, der Erweiterung menschlicher Intelligenz durch Rechenmaschinen. J.C.R. Licklider beschrieb damit die Symbiose zwischen Mensch und Computer. Der Psychologie-Professor arbeitete in den 50er Jahren am Massachusetts Institute of Technology und verfasste im Jahr 1960 den Text `Man-Computer Symbiosis´, aus dem das Zitat stammt. Licklider sah zu dieser Zeit bereits voraus, dass es das Internet geben werde und gehörte zu den wenigen, die sich keine Sorgen darüber machten, dass die Menschheit bald durch übermächtige Roboter von der Erde verdrängt werde. Obwohl er zu den Wegbereitern der A.I. zählt, der „Artificial Intelligence“, sah er das größte Potenzial nicht in einer Menschwerdung der Maschine, sondern in der Zusammenarbeit zwischen Mensch und Computer. Damit stehe sein Konzept der „I. A.“, der Erweiterten Intelligenz, dem der „A. I.“, der Künstlichen Intelligenz, gegenüber.
Tastaturen, Computermäuse und auch Touchscreens seien Schnittstellen, die der Benutzer in die Hand nehmen müsse. Unter den Begriffen „Ubiquitous Computing“, „Pervasive Web“ und „Internet der Dinge“ tobe aber  längst die Diskussion darüber, ob sich in Zukunft Interfaces durchsetzen werden, die für Außenstehende und am Ende sogar den Benutzer gar nicht mehr wahrnehmbar sind und die damit ganz neue Mensch-Maschinen-Kombinationen schaffen könnten. Solche Symbiosen seien in in Einzelfällen heute bereits Realität. Und im Grunde schrieben  diese Entwicklungen zunächst die lange Geschichte der Technik als Lebensverbesserung des Menschen fort: Auch Augengläser und Kontaktlinsen seien eine Mensch-Technologie-Symbiose, die über Jahrhunderte immer weiterentwickelt wurde und deren aktuellste Variation die Datenprojektion im Auge des Betrachters sei. Extrembeispiel für eine solche „verschwundene“ Schnittstelle sei  der „Cyborg“, der „Cybernetic Organism“ als Mischform aus biologischem und maschinellem Organismus. Der australische Wissenschaftler Manfred Clynes und der US-amerikanische Mediziner Nathan S. Kline prägten diesen Begriff in den 60er Jahren, um ein Mischwesen aus Mensch und Maschine zu beschreiben. Schon vorher gehörte die Menschmaschine zum Standardrepertoire der Science Fiction,  doch seit 2004 gebe es sie wirklich: der britische Künstler Neil Harbisson wurde farbenblind geboren. Er kann nicht nur Rot und Grün nicht voneinander unterscheiden, sondern nimmt seine Umgebung nur in Schwarz und Weiß wahr. Unter erheblichem bürokratischem Aufwand gelang es ihm, sich von seinen Ärzten eine „Eyeborg“-Kamera einbauen zu lassen, die Farbspektren in Vibrationen überträgt. Auf diese Weise ist es Harbisson möglich, Farben gleichsam zu hören.
Yoga hier, Zumba Dance da – der Trend zu Fitness und Selfness sei nach wie vor ungebrochen und biete ein Beispiel, wie Mensch-Technologie-Schnittstellen künftig definiert würden. Denn falsche Bewegungen, speziell bei Anfängern, könnten das beste Fitness-Vorhaben schnell als Arztbesuch enden lassen. Die US-Firma Electricfoxy wolle das verhindern und verbinde Sensortechnologie mit Sportkleidung, um vor falsch ausgeführten Übungen zu schützen. Ein in der Konzeptphase befindliches Oberteil ist mit vier Sensoren ausgestattet, die es dem Träger ermöglichen soll, Bewegungen richtig auszuführen. Ob bei Yoga, Pilates, Tanz oder Golf, das Move-Oberteil erkennt falsche körperliche Bewegungsabläufe und weise durch leichten Druck an der jeweiligen Stelle darauf hin. Die Sensoren können Körperhaltungen und Muskelbewegungen erkennen und sind vorne, hinten und an den Seiten des Shirts eingelassen. Eine mit den Sensoren verbundene App lässt den Nutzer im Detail nachvollziehen, wie richtige Bewegungen aussehen, wo er sich verbessert und wo noch Nachholbedarf besteht. Self-Tracking-Services und eine Community aus anderen Move-Sportlern und Experten umrahmten das Ganze (www.electricfoxy.com/move).
Die Zukunft des Interfaces liege aber nicht nur in der Beziehung zwischen Maschinen und dem menschlichen Körper, sondern auch in der zwischen Computern und seiner natürlichen Umgebung. `Ubiquitous Computing´ habe schon jetzt einen beachtlichen Medienhype hinter sich, doch wie so oft kämen auch hier die entscheidenden Schritte in der technischen Entwicklung erst nach dem Hype. Near Field Communication, kurz NFC, biete Möglichkeiten, die Anbieter vernetzter Heimelektronik jetzt schon wahrnehmen. Die smarte Wohnung habe im Jahr 2013 Marktreife erreicht. Bis zum viel beschworenen `intelligenten Kühlschrank´ werde es bei diesem Trend nicht kommen, denn Menschen wollten nicht nur über ihren Körper, sondern auch über ihren Haushalt die Kontrolle behalten. Es gebe aber Konzepte, die dem Benutzer Arbeit abnehmen und ihm zugleich mehr Kontrolle geben würden.
Die Zukunft unseres digitalen Lebens hänge also davon ab, wie Interfaces das Digitale in unser Leben integrieren könne. Die `Intelligence Augmentation´, die erweiterte Intelligenz im Spiel zwischen Mensch und Maschine, stehe  und falle mit den Schnittstellen zwischen den beiden Welten. Die Frage „Was kommt nach dem Touchscreen?“ entscheide  sich im Balanceakt zwischen Nähe und Distanz. Auf dem Weg in die `iBorg-Society´ arbeiteten Technologiekonzerne fieberhaft an ihren Touchscreens, Tastaturen und Displays, an Systemen für Sprachsteuerung und Gesten-Erkennung . Der nötige Evolutionsdruck –Technolutionsdruck – sei da und das sei Rennen eröffnet.

Zur Vertiefung:
Trend-Report 2013 Matthias Horx, Dezember 2012, 128 Seiten, ISBN: 978-3-938284-71-1, 125.00 € zzgl. 7 % MwSt.

Das Zukunftsinstitut (www.zukunftsinstitut.de), gegründet 1998 von Matthias Horx , arbeitet als Think Tank und Unternehmensberatung im Bereich der Strategie- und Innovations-entwicklung. Studien zum gesellschaftlichen und ökonomischen Wandel liefern die Grundlage für die Beratungstätigkeit.

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