„Jeder unserer Kunden hat mindestens einmal jährlich einen größeren Hacking-Vorfall, egal ob Flughäfen oder Fluglinien. Doch niemand gibt gerne zu, dass er ein ernsthaftes Problem hat“, sagt Sandro Lindner, Geschäfts-führer UNISYS Deutschland. Im Gespräch mit visionsblog.info, am Rande des Aviation Event 2017 erklärt er, wohin die Reise für die IT-Sicherheit im Avation Bereich führt.
Herr Lindner, was ist derzeit die größte Herausforderung im Aviation Bereich bezüglich IT-Sicherheit?
Jeder unserer Kunden, egal ob Flughäfen oder Fluglinien, wird mindestens einmal jährlich in größerem Umfang gehackt. Niemand gibt jedoch gerne zu, dass er ein ernsthaftes Problem hat. Mit dem Kunden eine so vertrauensvolle Beziehung aufzubauen, dass er bereit ist, mit uns offen darüber zu sprechen, welche seiner Daten eines ganz besonderen Schutzes bedürfen, das ist die große Herausforderung. Kunden wissen oft gar nicht so genau, welche ihrer Daten besonders geschützt werden müssen. Auch die neue europäische Datenschutzregelung zwingt die Unternehmen noch mal genauer hinzuschauen. Vor allem die hohen Strafen, die bei Verstößen drohen, zwingen die Unternehmen dazu. Das ist besonders für den Aviation-Bereich relevant, weil jede Flugbewegung, die mit einer Person verbunden ist, geschützt werden muss. Wir bieten die ,Stealth-Lösung´ an. Das heißt, einzelne Netzwerkbereiche werden unsichtbar- hacking-sicher- gemacht. Es ist eine Art Mikrosegmentierung. Bisher ist es nicht gelungen, diese Mikrosegmente zu hacken, weil sie für Hacker, wenn sie in die Systeme einzudringen versuchen, nicht sichtbar sind. Selbst, wenn ein Hacker die Firewall durchdringt, richtet er den Schaden nur in jenem Segment an, in das er eingedrungen ist.
Seit wann gibt es diese Stealth-Lösung?
Der Trend, auch ,Mikrosegmentierung´ genannt, ist etwa zwei Jahre alt und kommt aus dem Bereich des Militärs. Es ist eine software-basierte Lösung und keine Firewall-Lösung. Mikrosegmentierung macht aber nur dann Sinn, wenn der Kunde bereit ist, mit uns vertrauensvoll und offen zusammenzuarbeiten und mit uns gemeinsam in die Analyse zu gehen. Anwendung findet diese Lösung für ganz bestimmte Bereiche, etwa in den Finanz- oder Personalbereichen.
UNISYS ist derzeit mit IT-Lösungen auf 100 Flughäfen vertreten, 18 der Top 25 Airlines nutzen UNISYS, 20 Prozent des weltweiten Passagier Boardings und der Luftfrachtprozesse laufen über UNISYS. Wer ist im Geschäft mit den restlichen 80 Prozent und den restlichen 7 Top-Airlines?
Amadeus etwa in Europa, was das Thema Passagierboarding betrifft. Im Frachtbereich sind es oftmals Systeme, die die Airlines selbst entwickelt haben.
Welche Rolle spielen IBM, Microsoft, Oracle, oder Dell Technolgies?
IBM sehen wir teilweise als Wettbewerber, die anderern sind Partner von uns. Microsoft ist beispielsweise nicht nur einer unserer größten Kunden, sondern auch unser Partner für Office-Lösungen. Dell Technologies oder Oracle haben keine Lösungen für den Aviation-Bereich.
Wie sieht die IT-Lösung für die Aviation-Branche in fünf oder zehn Jahren aus?
Unser Ansatz ist eine Art ,Cloud´, eine Software-Lösung für mehrere Carrier gleichzeitig. Alle, die ein gemeinsames Thema haben, können die von uns entwickelten Lösungen nutzen. Unternehmen werden immer mehr ,Software as a Service´ einkaufen, gegenseitig profitieren und Entwicklungskosten gemeinsam tragen. Der ,Community-Gedanke´ wird in Zukunft eine immer größere Rolle spielen.
Im welchen Aviation-Bereich wird es die größten Veränderungen durch die fortschreitende Digitalisierung geben?
Eine große Herausforderung für große Airlines wird sein, die IT ihrer althergebrachten, vor Jahrzehnten entwickelten und seit vielen Jahren genutzten, ,Legacy-Systeme´ in moderne Architekturen zu transferieren. Der Cloud-Gedanke, `Software as a Service´ beschreibt hier eindeutig den Weg. Im Cargo-Bereich wird sich das Geschäftsmodell total verändern, vor allem die Rolle der Spediteure. Neben den Sicherheitsthemen wird das Retailgeschäft, also ,Einkaufen am Flughafen´ eines der spannenden Themen der Zukunft sein. An die Daten der Reisenden zu kommen, um ihr Zusatzgeschäft ,Einkaufen auf dem Flughafen´- das inzwischen an die 50 Prozent der Umsätze der Flughäfen ausmacht – zu optimieren. Das interessiert auch die Airlines. Der Passagier soll so gläsern wie möglich werden, um ihn optimal bedienen und an ihm verdienen zu können.
Interview: Johanna Wenninger-Muhr