„Kann ich jetzt noch mit Air Berlin nach Malle fliegen?“ titelte die Bildzeitung mit großen Lettern. Das stehe noch nicht ganz fest, hätte es von Air Berlin auf Anfrage von BILD geheißen. Die Details werden nun nach und nach bekannt.
Das Mallorca-Magazin wusste schon seit einiger Zeit, dass die meisten Verbindungen zwischen Deutschland und Mallorca an Eurowings gehen. Lediglich von den Air Berlin Drehkreuzen Berlin und Düsseldorf wolle die Airline noch selber fliegen. 25 Prozent der Air-Berlin-Flotte sollen künftig unter der Lufthansa-Marke Eurowings fliegen. In seiner Aufsichtsratssitzung vom 28. September in Frankfurt hatte der Lufthansa Konzern denn auch grundsätzlich grünes Licht für die Fortsetzung der Verhandlun- gen über das Leasing von Air-Berlin-Flugzeugen einschließlich Personal („Wet-Lease“) für die Lufthansa-Tochter Eurowings gegeben.
Nach zahlreichen Medienberichten plant Air Berlin 1200 Mitarbeiter zu entlassen. Das rief die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) auf den Plan. Sie fordert ein Zukunftskonzept und eine umfassende Neuausrichtung der Fluggesellschaft Air Berlin, um die dortigen Arbeitsplätze langfristig zu sichern. „Wir werden um jeden Arbeitsplatz bei Air Berlin kämpfen. Wenn sich ein Abbau nicht vermeiden lässt, dann so sozialverträglich wie möglich“, betonte Christine Behle, ver.di-Bundesvorstands-mitglied.
Betriebsbedingte Kündigungen müssten weitgehend ausgeschlossen werden, vielmehr solle Air Berlin auf freiwillige Lösungen setzen. ver.di als zuständige Gewerkschaft für das Bodenpersonal und die Kabine bei Air Berlin befindet sich bereits seit Dienstag (28. September 2016) in ersten Verhandlungen zu den Rahmenbedingungen in der Kabine.
„Wir begrüßen diese Pläne, die bedeuten, dass ein großer Teil der Arbeitsplätze bei Air Berlin abgesichert werden kann und die Beschäftigten weiterhin zu den von ver.di ausgehandelten tariflichen Bedingungen arbeiten“, so Behle. Allerdings seien vom Wet-Lease nur die Arbeitsplätze im Cockpit und in der Kabine betroffen. Für die Arbeitsplätze in Verwaltung und Technik kündigte Air Berlin einen Abbau von bis zu 1 200 Stellen an. In diesen Bereichen hatte es bereits in jüngster Vergangenheit schmerzliche Einschnitte gegeben. Laut Behle, werde das Wet-Lease nicht ausreichen, um Air Berlin zu erhalten. ver.di fordert deswegen ein tragfähiges Zukunftskonzept und eine nachhaltige Neuausrichtung der Airline, um die Arbeitsplätze langfristig zu sichern. Air Berlin müsse sich strategisch anders aufstellen, um zu überleben. Die angekündigten Pläne zur Umstrukturierung werde ver.di konstruktiv begleiten.
Fünf Air-Berlin-Jets sollen zu Austrian Airlines gehen, weitere Maschinen und Besatzungen könnten zu einem neuen gemeinsamen Ferienflieger geschoben werden, über dessen Aufbau Air-Berlin-Großaktionär Etihad mit dem Tui-Konzern verhandeln soll.
Man klappt nicht einfach 40 Flieger von einem System in das andere
Beim Deal zwischen Air Berlin und Lufthansa zur Übernahme von bis zu 40 Flugzeugen haben die Parteien bisher nur die Rahmenbedingungen festgelegt. Für die Übernahme von bis zu 40 Flugzeugen im sogenannten Wet Lease gebe es noch keine abgeschlossenen Verträge, betonte das für Eurowings zuständige Lufthansa-Vorstandsmitglied Karl Ulrich Garnadt.
Bis zu 40 Flieger zu integrieren, sei eine enorme Herausforderung. Mit Beginn des Sommerflugplans 2017 Ende März sollen die Air Berlin-Flieger an Eurowings angedockt haben. Bis dahin gebibt es noch einiges zu tun. Man klappe nicht einfach 40 Flieger von einem System in das andere, betont Garnadt. Ziel sei es, bei den dazukommenden Kapazitäten das bei Eurowings erreichte Kostenniveau hinzubekommen.
Es gibt Spekulationen, dass Air Berlin eine weitere Kapitalspritze vom Großaktionär Etihad braucht, um über den Winter zu kommen. Die Rede ist von einem mittleren dreistelligen Millionen-Euro-Betrag.
Für Garnadt sind die Transaktion mit Air Berlin und die Komplett-übernahme der Brussels Airlines Marktpositionen der Eurowings, aber auch der Tochter Austrian Airlines, an die fünf der Air Berlin-Flieger gehen sollen, werde gestärkt, es handele sich außerdem um einen ersten Schritt zur Konsolidierung der europäischen Luftfahrtbranche.
So werden von Experten die Folgen des ,Lufthansa/Air Berlin-Deals´ gesehen…
…für die Passagiere:
Der veröffentlichte Flugplan und gebuchte Tickets bleiben gültig, betont die Airline. Doch dann? Weniger Auswahl, höhere Preise – das prophezeit der Wettbewerbs-experte Justus Haucap. Die Erfahrung zeige, wenn man auf einer Strecke die Reduktion von zwei auf einen Anbieter hat, müsse man schon sehr gutgläubig sein, zu denken, dass die Preise dort nicht steigen. Konkurrenten wie Ryanair und Easyjet bräuchten Zeit, um auf den Strecken nachzuziehen. „10 bis 20 Prozent höhere Preise halte ich für realistisch. Das würde vor allem Vielflieger und Geschäftsreisende treffen“ so Haucap gegenüber Focus,de. Der Experte geht davon aus, dass das Geschäft ein Fall für das Bundeskartellamt wird, das dann möglicherweise wieder für mehr Wettbewerb auf den Strecken sorgt. „In anderen Fusionsverfahren gab es beispielsweise die Auflage, einzelne Slots (Start- und Landerechte) für die Konkurrenz freizugeben.“
Air Berlin selbst sieht den Schritt dagegen als Voraussetzung für mehr Effizienz. „Eine schlankere, dynamische und stärkere Air Berlin ist zukunftsfähig“, betonte Vorstandschef Stefan Pichler. Im Langstrecken-Geschäft sei sogar der Aufbau neuer Verbindungen vor allem in die USA geplant.
…für die Mitarbeiter:
Air Berlin will bis zu 1200 Vollzeitstellen streichen. Den Mitarbeitern sollen Möglichkeiten zur Weiterbeschäftigung innerhalb der Etihad Airways Partners Group angeboten werden. Das fliegende Personal dürfte dagegen zunächst keine Entlassungen fürchten, weil die geplanten Flüge unter der Eurowings-Flagge ja weiter absolviert würden. Bei allen beteiligten Airlines machen sich die Gewerkschaften dennoch Sorgen um das bisherige Lohn-Niveau und die Sicherheit der Arbeitsplätze. Bei Air Berlin hieß es: „Das Unternehmen nimmt unverzüglich Gespräche mit Vertretern der Betriebsräte auf, um bis Februar 2017 freiwillige und betriebsbedingte Kündigungen zu bestätigen.“
…für Lufthansa:
Europas größter Luftverkehrskonzern ist im Lowcost-Segment auf Aufholjagd und will dringend wachsen. Die Europaflotte von Eurowings von derzeit 90 Jets würde mit dem Leasing-Deal schnell und ohne großes wirtschaftliches Risiko um bis 35 Maschinen wachsen und das vorhandene Netz aus Hamburg und Stuttgart ergänzen. Mit einer schnellen Übernahme der touristischen Air Berlin-Flüge vermeidet Lufthansa zudem, dass die Start- und Landeslots neu vergeben werden.
Weitere 29 Mittelstreckenjets dürften von der bisherigen Minderheits-beteiligung Brussels Airlines kommen, die Lufthansa Anfang 2017 ganz unter ihre Fittiche nehmen will. Mit dann mehr als 150 Maschinen wäre Eurowings hinter Ryanair (aktuell 357 Jets) und Easyjet (256) die klare Nummer drei in Europa. Brussels hat auch Regionalflugzeuge in der Flotte sowie neun Langstreckenjets vom Typ Airbus A330 – dem gleichen Modell, das auch Eurowings schon auf Billig-Langstreckenflügen einsetzt.
…für Etihad:
Für die Golfairline ist Air Berlin bisher ein Fass ohne Boden. Seit die Etihad Anfang 2012 als Großaktionär und Kooperationspartner bei den Berlinern eingestiegen ist, haben die Araber schon mehr als eine Milliarde Euro zugeschossen. Mehrere Sanierungsprogramme konnten nicht verhindern, dass Air Berlin immer mehr Geld verschlang, ohne welches zu verdienen. Nur Geldspritzen vom Persischen Golf hielten die Gesellschaft in der Luft. Durch die Deals mit Lufthansa kann Etihad zumindest einen Teil des Lochs stopfen – und Etihad-Chef James Hogan hätte in der Heimat weniger Erklärungsbedarf. Die verbleibende Air Berlin mit 75 Flugzeugen dürfte weiterhin die gewünschte Rolle als Zubringer für Etihads Langstrecken-Drehkreuz Abu Dhabi spielen.
…für TUI:
Für die Mitte 2007 aus dem Billigflieger HLX und Hapagfly entstandene Tuifly könnte die Aufteilung von Air Berlin eine Neuordnung ihres Fluggeschäfts bedeuten. Tuifly als Saison-Airline bietet bislang ohne Drehkreuze vor allem Direktflüge zu den angebotenen Urlaubszielen an. Der Mutterkonzern Tui aus Hannover hat schon heute das Problem, in der Hauptsaison zu wenige und in der Nebensaison zu viele Flugzeuge zu haben. Die langfristig samt Besatzung an Air Berlin vercharterten 14 Boeing-737-Jets müssten nach den bisherigen Spekulationen künftig wieder in Eigenregie profitabel in die Luft gebracht werden. Insidern zufolge kämen noch 17 Maschinen der österreichischen Air-Berlin-Tochter Niki hinzu, so dass auch eine komplette Ausgliederung der Flugsparte möglich scheint.
Quellen: dpa, Börsenzeitung, Bild, Handelsblatt, Focus.de/finanzen