Die Ergebnisse von NORAH, der derzeit umfassendsten internationalen Lärmwirkungsstudie, waren das diesjährige Leitthema von ICANA. „An NORAH führt kein Weg mehr vorbei“ sagte Bernhard Maßberg, Ministerialdirigent und Abteilungsleiter Verkehr und Straßenbau im Hessischen Ministerium für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung. Er überbrachte die Grußworte des hessischen Landes chefs Volker Bouffier am Beginn der ,Internationalen Tagung Aktiver Schallschutz ICANA 2015´ in Frankfurt.
Damit machte er deutlich, dass sich in Zukunft auch die Pollitik auf Basis der Erkenntnisse von NORAH maßgeblich in das Thema ,Aktiver Schallschutz´ einmischen wird. Zwei Tage lang haben sich internationale Wissenschaftler, Politiker, Vertreter der Verkehrswirtschaft und internationale Akustiker über die Ergebnisse der umfassendsten internationalen Lärmwirkungsstudie NORAH, die sich aus fünf Teilstudien zusammensetzt, ausgetauscht.
Die Lebensqualitätsstudie untersuchte, welche Arten von Verkehrslärm sich wie stark auf die Belästigung und Lebensqualtiät auswirken. Über 29 000 Menschen im Umkreis von vier deutschen Flughäfen nahmen an den Befragungen über die Verkehrslärmbelästigung teil. Im Vergleich zu den Flughäfen Köln/Bonn und Stuttgart fühlten sich Menschen in Fankfurt bei gleichem Lärmpegel stärker belästigt. Die Belästigung stieg nach Eröffnung der Landebahn Nordwest im Jahr 2011 an und sank 2013 wieder ab. Die Wissenschaftler sprechen von einem ,Change Effekt´ im Zusammenhang mit dem Flughafenausbau.
Die Studie zu Krankheitsrisiken erforschte, ob Krankheiten wie Herz-Kreislaufleiden oder Depressionen unter Lärmeinfluss häufiger auftreten. Die Basis waren Krankenkassendaten von rund einer Million Versicherter im Rhein-Main-Gebiet. Die Studie konnte für alle drei untersuchten Verkehrsarten einen Zusammenhang mit Auftreten von Herzinfarkt, Schlaganfall, Herz schwäche und einer Depression feststellen. Das höchste Risiko für eine Herzschwäche fand sich beim Schienenlärm. Beim Schlaganfall fand sich tendenziell eine Abnahme des Risikos bei steigendem Dauerschallpegel. Beim Herzinfarkt ließ sich ein Zusammenhang zum Straßen- und Schienenlärm nachweisen. Alle drei Verkehrlärmarten können dazu beitragen, eine Depression zu entwickeln. Die Wissenschaftler konnten berechnen, dass das Risiko für eine Depression durchschnittlich um 8,9 Prozent zunimmt, wenn die Fluglärmbelastung um zehn Dezibel steigt. Beim Straßenlärm sind es 4,1 und beim Schienenlärm 3,9 Prozent.
Die Blutdruckstudie ging der Frage nach, wie sich Fluglärm auf den Blutdruck auswirkt. Dazu wurde bei 800 Studienteilnehmern aus dem Rhein-Main-Gebiet morgens und abends der Blutdruck gemessen. Ein signifikanter Zusammenhang zwischen Fluglärm und Blutdruck ist aber nicht nachweisbar. Gleiches bei Straßen-und Schienenlärm.
Für die Schlafstudie haben die Wissenschaftler dreimal jeweils drei bis vier Nächte lang die Schlafqualität von über 200 Fluglärmbetroffenen im Rhein-Mainn Gebiet gemessen. Die Studienteilnehmer schliefen dazu in ihrem gewohnten Zuhause allerdings mit mehreren Elektroden am Körper. Gleichzeitig zeichnete ein Schallpegelmesser alle Geräusche auf, die während der Nacht das Ohr der Schlafenden erreichten. Die ersten Messungen fanden im Sommer 2011 statt, vor der Einführung der Kernruhezeit und der Eröffnung der Landebahn Nordwest. In 2012 und 2013 folgten weiterer Messungen an denselben Personen.
Studienteilnehmer wurden zudem befragt, wie sie den Flugverkehr insgesamt beurteilen. Interessant ist, dass ein Vergleich mit den Schlafmessungen ergab, dass Menschen mit negativer Einstellung gegenüber dem Flugverkehr schlechter schliefen. Sie brauchten auch länger, um einzuschlafen, waren weniger lang im Tiefschlaf und lagen länger wach. NORAH konnte nicht klären, ob die negative Einstellung die Ursache oder die Folge des schlechten Schlafs ist. Erkenntnisse von Schlafstudien im Umfeld des Köln/-Bonner Flughafens können nicht auf Frankfurt übertragen werden, weil der Fluglärm und seine Auswirkungen an beiden Standorten zu unterschiedlich sind. In Köln/Bonn wird nachts durchgehend geflogen.
Die NORAH-Kinderstudie sollte erforschen, wie sich Fluglärm auf die kindliche Ent- wicklung auswirkt. Dazu wurden Befragungen an 29 Schulen, 85 Schulklassen bei 1243 Kindern, 1 185 Eltern und 85 Lehrkräften im Rhein-Main-Gebiet durchgeführt. Konzerntriert hat sich die Studie auf das Lesenlernen, das gesundheitliche und schulische Wohlbefin- den der Kinder sowie die Lärmbelästigung beim Lernen zuhause und in der Schule. In stark vom Fluglärm belasteten Gebieten lernen Grundschulkinder langsamer lesen als Kinder in ruhigen Lagen. Bei den untersuchten Zweitklässlern verzögerte eine Zunahme des Dauerschallpegels um zehn Dezibel das Lesenlernen um einen Monat. Die NORAH-Kinderstudie wurde im Herbst 2014 der Öffentlichkeit vorgestellt. Sie hat bereits zu einem Beschluss der Landesregierung in Hessen geführt, die Schallisolierung solcher Schulen zu verbessern, die hohen Fluglärmbelastungen ausgesetzt sind.
Interessant die Frage von Dr. Ian Flindell von der University Southhampton: Warum wird Fluglärm in Frankfurt und Stuttgart als störender empfunden, als etwa in Berlin? Er rät die psychosozialen Faktoren stärker einzubeziehen und diese nochmal genauer zu betrachten. jwm
Die NORAH-Studie
Die Lärmwirkungsstudie NORAH (Noise-Related Annoyance, Cognition and Health) ist international die bislang umfangreichste Studie zu den Auswirkungen des Lärms von Flug-, Schienen- und Straßenverkehr auf die Gesundheit und Lebensqualität der Bevölkerung. Im Forschungskonsortium von NORAH haben sich neun renommierte Forschungs- und Fachinstitutionen aus Medizin, Psychologie, Sozialwissenschaft, Akustik und Physik zusammengeschlossen. Die Untersuchungen wurden vornehmlich im Rhein-Main-Gebiet sowie teilweise auch in den Regionen um die Flughäfen Berlin-Brandenburg, Köln/Bonn und Stuttgart durchgeführt. Auftraggeber der NORAH-Studie ist die Umwelt- und Nachbarschaftshaus GmbH (UNH) in Kelsterbach, eine Tochtergeselschaft des Landes Hessen. An der Finanzierung der Studie waren neben dem Land Hessen die Kommunen, Fraport, Luftverkehrsgesellschaften und das UNH beteiligt. http:www.norah-studie.de