Die meisten Luftfahrt-experten sind sich si- cher: Die sogenannten ,Lowcost-Modelle´ werden im Kurzstreckenmarkt langfristig siegen. Können europäische klassische Air lines ohne Verluste mitmischen, mit alt- hergebrachten Kosten- und Unternehmens- strukturen? Wie hoch ist der Preis? Was ist zu tun? Mit eigenen Lowcost-Marken gegenhalten?
Während die Airlines in der Golfregion und in Asien boomen, kämpfen die klassischen europäischen Fluggesellschaften IAG (British Airways/ Iberia), Lufthansa und Air Fran- ce-KLM mit Problemen. Welche Chancen haben sie angesichts der Konkurrenz durch Lowcost-Airlines und Golf-Carrier? „Die traditionellen Fluggesellschaften werden sich aus dem Kurzstreckenmarkt zurückziehen, der für sie nicht rentabel ist“, glaubt Easyjet-Chefin Carolyn McCall. „In Zukunft wird der Großteil der Luftreisen in Europa von Low-Cost-Airlines organisiert werden.“ Mit dieser Meinung steht McCall nicht alleine da. Inzwischen setzen aber auch die klassischen europäischen Fluggesellschaften auf Lowcost Töchter. Doch extremer Preisdruck und Yieldverfall werden sich weiter verstärken, das liegt auf der Hand. Germanwings war trotzdem erfolgreich und hat im vergangenen Winter mit 1 800 Starts pro Woche und einem Marktanteil von 38 Prozent Air Berlin mit 1 700 Starts und 35 Prozent Marktanteil auf Platz zwei verdrängt. Das steht im kürzlich veröffentlichten ,Lowcost-Monitor´ des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR). In der Rang- liste folgen in Deutschland Ryanair mit acht Prozent Marktanteil und Easyjet mit 7,2 Prozent. Wesentlicher Grund für den Wechsel an der Spitze sei, dass Lufthansa fast alle innerdeutschen und europäischen Linien an Germanwings übertragen hat, so Studienleiter Peter Berster.
32 Prozent aller Fluggäste in Deutschland nutzten 2014 Billigflieger,
Am Flughafen Köln/Bonn war 2014 fast jeder zweite Fluggast ein Germanwings-Passagier. Der Lowcost-Anteil am gesamten Flugaufkommen lag bei 73,5 Prozent. Insgesamt wurden laut DLR-Studie seit Anfang 2015 in und ab Deutschland so viele Billigflug-Strecken angeboten wie nie zuvor: 518 Ziele steuerten die Lowcost-Airlines an, 52 mehr als im Vorjahreszeitraum. Mehr als 67 Millionen Menschen nutzten im vorigen Jahr auf den 26 deutschen Verkehrsflughäfen Billigflieger, 32 Prozent aller Fluggäste (rund 209 Millionen)in Deutschland. Die meisten Lowcost-Passagiere wurden an den Berliner Flu-häfen registriert, es folgen Düsseldorf, Köln/Bonn und Hamburg. Durch das verstärkte Angebot von Günstigflügen an großen Flughäfen, insbesondere durch die Pläne von Ryanair, innerdeutsche Verbindungen wie Köln/Bonn-Berlin wieder aufzunehmen, werde dieser direkte Wettbewerb künftig weiter zunehmen.
Europaweiter Spitzenreiter bleibt Ryanair
Europaweiter Spitzenreiter im Billigflug bleibt die irische Ryanair: Mit 8400 Flügen pro Woche auf mehr als 1500 Strecken erreichte die Airline einen Marktanteil von 24 Prozent. Easyjet auf Rang zwei bringt es auf 17 Prozent. Die meisten Billigflüge werden laut DLR-Studie in Großbritannien angeboten, es folgen Deutschland, Italien und Spanien. Die Stadt mit den meisten Lowcost-Starts pro Jahr ist Barcelona (1 185).
Besonders heiß umkämpft ist Brüssel. Der Anteil der Lowcoster liegt bereits bei über 40 Prozent. Die Lowcoster wollen teilhaben am Flugverkehr nach und von Europas Hauptstadt mit Sitz der Europäischen Union, der EU Kommission, des europäischen Parlaments, des Rats der Europäischen Union, der Nato und Eurocontrol. In Brüssel sind zudem zahlreicheinternationale Unternehmen angesiedelt, unter anderem Siemens, Glaxo SmithKline, Pfizer, Unilever, Volvo, oder Toyota. Der Markt ist außerordentlich attraktiv auch für die Lowcoster. Ryanair ist seit 1997 in Belgien, am Charleroi Airport, 60 km von Brüssel. Seit Februar 2014 fliegen die Iren auch mit vier in Brüssel stationierten Flugzeu- gen täglich zu vielen Zielen in Europa. Im Jahr 2014 hat sich die Lowost-Landschaft am Brüsseer Flughafen nochmals verändert mit insgesamt 1,4 Millionen zusätzlichen Sitzen, 16 Prozent mehr, verglichen mit 2013. Und das Lowcoster-Angebot auf Brüssels Flughafen steigt auch in 2015 weiter, auf 2,0 Millionen Sitze, 23 Prozent mehr als im Jahr 2013.
Warnsignal?
Das könnte ein Warnsignal sein für andere europäische Metropolen. Denn die Lowcoster haben sich vorgenommen, auch die letzte Bastion in der Mitte Europas anzugreifen. Lufthansa und Germanwings, aber auch Austrian Airlines und Swiss haben dort viel zu verlieren. jwm