Exakt definierte Zielgruppen gibt es nach einer neuen Studie des Frankfurter Zukunftsinstituts nicht mehr. Die traditionelle Beschreibung der Zielgruppe über soziodemografische Merkmale, zum Beispiel Alter und Familienstand, oder geografische Gebiete würden an Zugkraft verlieren. In einer hoch individuali-sierten Gesellschaft lebe jeder seinen eigenen Lebens- und Konsumstil.
Sei es früher die Sehnsucht gewesen, „so zu sein wie alle anderen“, sei heute das Bedürfnis, „gerade nicht so zu sein wie alle anderen – sondern wie die präferierte Nische“.
Die aktuelle Studie des Zukunftsinstituts mit dem Titel „Die neuen Trendsetter – 20 Nischen, die den Konsum von morgen prägen“ zeigt, wie ganz bestimmte Bedürfnisse der Konsumenten die Zuordnung zu selbst gewählten `Peer-Groups´ prägen. Zukunftsträchtige Geschäftsmodelle müssten sich an diesen Veränderungen orientieren und erforderten neue, innovative Angebote.
Die aktuelle Studie beschreibt 20 neue Zielgruppen, die sich über Vorlieben und Werte clustern lassen. Aufgezeigt werden Einstellungen und Bedürfnisse sowie das daraus resultierende Konsumverhalten. Es erfolgt eine Zuordnung zu den elf Megatrends des Zukunftsinstituts und eine Einschätzung zur Branchenrelevanz. Nischen hätten nachfolgende Kennzeichen: keine Mehrheitsakzeptanz in der Gesellschaft, oft monothematisch, Stil prägend und ikonisch, schnelle Veränderung, Eigenständigkeit, Basis durch geteilte Codes und zeigten hohe Kommunikationsfreudigkeit.
Nischenstile würden für ein bestimmtes Lebensgefühl stehen. Umso wichtiger sei die exakte Ansprache, um potenzielle Kunden zu erreichen und von Dienstleistungen oder Produkten zu begeistern. Der Konsument der Zukunft schätzemultiple und flexible Angebote. Kennen Sie Ihre Nische?
Genervt von der `Always-On-Kultur´
`App-Schalter´ nutzen Offline-sein als Mittel der Abgrenzung vom Mainstream. Sie sind jung und genervt von der Always-On-Kultur, die ihnen von Eltern und Gleichaltrigen vorgelebt wird. Sie pflegen einen Lebensstil, in dem Digitalität nicht abgelehnt wird, aber auch nicht Zentrum des Lebens ist. Sie leben ein entspanntes On-Off-Dasein, das weder von Sucht noch Angst geprägt ist. Zunehmend wird es cool, offline zu sein. Für Markt und Medien ist diese Nischengruppe spannend, da sie eben nur über traditionelle Wege erreichbar ist. Sie sind nicht zwangsläufig konsumkritisch, hinterfragen aber Angebote, Dienstleistungen und Artikel.
`Female Enabler´ sind eine neue Art Frauenbewegung. Nach Kompetenz, Expertentum, Wissen und Fachkräften suchen sie zunächst unter ihresgleichen, wenn es gilt, einen Job, Auftrag oder Projekt zu vergeben – und erst in zweiter Instanz nach Männern. Soziale Netzwerke wie Twitter, Pinterest oder Facebook bilden die Basis der Female Enabler, wenn sie nach Frauen suchen bzw. Frauen sichtbar machen wollen. Sie verstehen sich als Türöffner und geben den Impuls, dass auch andere Frauen der männlich dominierten Medienwelt zeigen, was sie ausmacht. Die diesjährige Bundestagswahl könnte einen Wendepunkt einleiten. Es treten so viele Frauen wie noch nie an. Märkte und Marketing tun gut daran, Abstand von alten Rollenbildern und Klischees zu nehmen.
`Buggy Boys´ sind keine Ersatzmütter, sondern Vollzeitväter und bleiben bewusst zu Hause. Oft teilen sie sich die Elternzeit. Sie haben den Anspruch, genauso selbst-verständlich für die Kinder da zu sein wie die Mutter. Sie möchten von der Gesellschaft gesehen werden, wie sie sind: Väter ohne „Wenn“ und „Aber“. Das gleichberechtigte Miteinander steht für sie im Vordergrund, denn auch Buggy Boys wollen beides: Kind und Karriere. Das erfordert ein Umdenken in den Beschäftigungsverhältnissen. Die „Väter gGmbH“ versteht sich als erste Unternehmensberatung für Familienfreundlichkeit aus Vätersicht. Ihr Credo: Ressourcen für Väter schaffen Ressourcen für Unternehmen.
`Smart Seniors` wollen ein selbstbestimmtes Leben führen und nutzen smarte und innovative Technologien, die das ermöglichen. Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels wird selbstbestimmtes Leben zu einem immer höheren Gut. Bereits heute ist jeder fünfte Smartphone-Besitzer in Europa über 55 Jahre alt und somit im Umgang mit Smart-Tech-Geräten geübt. Das Projekt „Silverline“ der Firma Silverline Moblile Ltd mit Sitz in Singapur basiert auf der Idee, die Technologien bereits existierender Smartphones so zu verbessern, dass auch die Generation 60plus Nutzen davon trägt. Die Initiatoren rufen dazu auf, Smartphones zu spenden. Diese werden dann überholt und mit Apps ausgestattet. Die fünf installierten Apps motivieren die zumeist isoliert wohnenden Senioren zu sozialen Aktivitäten oder zum Gedächtnistraining. Dieses Projekt schafft emotionalen Mehrwert, denn bestenfalls erklären die Spender den Senioren die Geräte und fördern so den sozialen Austausch.
Gewinner am Markt seien jene in Zukunft jene Unternehmen, die es schaffen, nicht nur passgenaue Kundenbedürfnisse zu wecken, sondern auch zu befriedigen.
Angaben zur Studie:
Die neuen Trendsetter, Anja Kirig, Thomas Huber, September 2013, 92 Seiten
ISBN: 978-3-938284-79-7, 150.00 € zzgl. 7 % MwSt.
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