Art – Déco und Industriearchitektur im Norden Frankreichs

 Villa Cavrois mit geometrischem Wasserspiegel/Foto:
Villa Cavrois in Croix, Nordfrankreich mit geometrischem Wasserspiegel/Foto: Tobias Metzger

Auf unserer Reise durch Nordfrankreich lassen wir Kohlebergbau und Kriegsgräber links liegen. Wir nehmen uns Zeit für architektonische Schätze des Art Déco und deren Geschichte. Dazu  lassen wir uns von Kunst und Kultur inspirieren.

Ein Bericht von Suse Rabel-Harbering

In neuem Glanz erstrahlt die Villa Cavrois, eine Villa der besonderen Art. Ganz anders als die gediegenen Bungalows, die sich auf dieser Seite des Parks Barbieux – ein sich über 34 Hektar ausbreitender Englischer Landschaftsgartens, der die nordfranzösische Stadt Roubaix von dem Vorort Croix trennt. Nicht ganz so groß, aber nicht minder beeindruckend mit geometrischem Wasserspiegel, mit üppigem Baumbestand und mit akurat gestutzten Buxbaumsträuchern ist die Parkanlage des Anwesens Cavrois aus.

Paul Cavrois, ein wohlhabender Industrieller, beauftragte den Stararchitekten Frankreichs der zwanziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts Robert Mallet-Stevens mit dem Plan. So entstand ein Paradebeispiel der Moderne mit den bahnbrechenden Imperativen einer neuen Bauweise, die sich auf Form und Funktion, auf Licht und Luft konzentrierte. Dazu kamen in der Villa Cavrois erlesene Materialien zum Einsatz sowie das damals hypermoderne Mobiliar im Art-Deco-Stil, von dem heute nur noch wenige Teile vor Ort vorhanden sind. Im Jahr 1990 wurde das Gebäude samt Garten unter Denkmalschutz gestellt. Dadurch und mit Hilfe einer privaten Initiative konnte die Restaurierung des historischen Bauwerkes mit seiner wechselvollen Geschichte im Jahr 2015 vollendet und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.

Zwischen Art-Déco und Industriearchitektur

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La Piscine in Roubaix: das zu einem Museum umgebaute ehemalige Hallenbad, einst gedacht zur Ertüchtigung der Arbeiterschaft/ Foto: Suse Rabel-Harbering

Auch in Roubaix, auf der anderen Seite des Parks werden wir mit einer weiteren Trouvaille des Art-Déco fündig, nämlich mit dem einstigen Hallenbad, das zur Ertüchtigung und zur Hygiene der Arbeiterschaft gedacht war. 1990 wurde es zu einem Museum umgebaut. Dabei blieb das geflieste Schwimmbecken erhalten mitsamt der kunstvoll gestalteten Wellenlinien am Beckenrand, einem zentralen Motiv des japanischen Malers Hokusai. Große Rundbögen an den Stirnseiten falten sich wie japanische Fächer auf und filtern bernsteinfarben das Tageslicht.

Bauhistorisches Erbe der einstigen Textilindustrie/Foto: Tobias Metzger
Bauhistorisches Erbe der einstigen Textilindustrie/Foto: Tobias Metzger

Die einstige Textilindustrie hat mit ihren Fabriken aus rotem Backstein mit hohen Schornsteinen, mit Zinnen und Türmen ein breites bauhistorisches Erbe hinterlassen. Schmuck restauriert, dienen einzelne der Industriegebäude  heute als  Kulturzentrum oder als Museum.

 

Louvre Lens

Weiter südlich in Lens wird man am Bahnhof erneut mit Art-Déco empfangen. Das lang gezogene Gebäude mit hohen Rundbögen und mit dem Uhrturm an der Spitze gleicht einer Lokomotive. Kein hypermoderner Hochgeschwindigkeitszug, sondern eine gute, alte Dampflok. Dennoch sei an dieser Stelle erwähnt, dass der TGV von Paris nach Lens ungefähr eine Stunde braucht. Von hier aus führt ein anmutiger Fußweg (Gehzeit 20 Minuten) zum Louvre Lens, die im Jahr 2012 eröffneten Dependance des Louvre in Paris. Für diejenigen, die es eilig haben, verkehren alle 25 Minuten Pendelbusse. Untergeschoss und Ateliers, in denen Gemälde restauriert werden, sind durch eine Glaswand getrennt und bieten somit dem Besucher die Möglichkeit, den Restaurateuren bei der Arbeit zuzusehen.

Im Gegensatz zu anderen Museen besitzt der Louvre-Lens keine eigene Sammlung. Gezeigt werden Leihgaben aus dem Louvre in Paris. Dabei handelt es sich um Kunstwerke aus verschiedenen Kulturkreisen, die jedoch im selben geschichtlichen Zeitraum entstanden sind. Sie werden in der “Galerie du Temps“ auf einer einzigen Ausstellungsfläche in direkter Nachbarschaft präsentiert: Steintafeln mit eingravierten Menschen und Tieren oder mit ersten Schriftzeichen, Skulpturen aus Bronze, Statuen aus Marmor, Mosaike und Ölgemälde. Vom vierten Jahrtausend vor Christus bis ins Neunzehnte Jahrhunderte erstreckt sich die Zeitspanne.

Gelebter Kunstunterricht – spannend und anschaulich

Schüler aller Altersstufen wuseln mit Fragebögen durch das Museum und versuchen eifrig, die ihnen gestellten Aufgaben zu lösen. Dabei sollen sie die Kunstwerke in die erfragte Epoche eintragen, dann wiederum gilt es entsprechende Kulturkreise miteinander zu vergleichen – gelebter Kunstunterricht wie er spannender und anschaulicher nicht sein könnte. Die Jugendlichen sind begeistert bei der Sache.

Ebenfalls eine Auszeichnung, nämlich zwei Sterne im Guide Michelin erwarb Marc Meurin mit seinen Kochkünsten auf Schloss Beaulieu in Busnes in der Nähe von Lille. Es ist das einzige mit Sternen gekrönte Restaurant nördlich von Paris. Seit 2015 verwöhnt er nun mit herrlichen Speisen Besucher und Gäste in einem Glaspavillon im Garten des Louvre-Lens.

Die Stadt entpuppt sich mit seinem neuen Museum und mit seiner industriellen Vergangenheit als ein Schauplatz aufblühender und untergehender Kulturen. Von Untergang und Zerstörung als   Resultat der beiden Weltkriege des vergangenen Jahrhunderts zeugen  viele Denkmäler und Erinnerungsstätten in der näheren Umgebung.

Lens liegt im Zentrum des Kohlebeckens von Nord-Pas de Calais, das 2012 von der UNESCO zum Weltkulturerbe erhoben wurde. Besonders der nördliche Teil der Stadt ist geprägt von den Überresten des einstigen Kohlebergbaus. Fördertürme und Gleisanlagen für den Abtransport der Kohle, Teile ehemaligen Arbeitersiedlungen aus rotem Backstein und Wohnhäuser für höhere Angestellte im Chaletstil mit Holzveranden sind restauriert und dokumentieren somit den Charakter der ehemaligen Bergbaustadt. Weitere Zeichen dieser industriellen Epoche sind die beiden zu Pyramiden aufgeschichteten Abraumhalden von Loos-en -Gohelle. Eine davon ist begehbar, das heißt, man kann in einer guten Stunde deren Gipfel erklimmen und die eigenwillige Flora und Fauna bewundern. Die andere steht unter Naturschutz.

Mehr Infos:

www.rendezvousenfrance.com

www.crt-nordpasdecalais.fr

www.tourisme-lenslievin.fr

www.villacavrois.fr

 

 

 

 

 

 

 

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