Ein Spätsommer auf Mallorca

Strandkörbe tragen Zöpfe am Strand von Colonia Sant Jordi/Foto: Johanna Wenninger-Muhr
Die Strohsonnenschirme tragen Zöpfe im Oktober am Strand von Marques in Colonia Sant Jordi/Foto: Johanna Wenninger-Muhr

Den Wellen zu lauschen, sich mit Glück berauschen.                                         Die Sinne zu schärfen, unnötigen Ballast abwerfen

Mit sich im Reinen zu sein bei schönem Glas Wein
seine Sorgen versenken
Glück und Zeit, sich selber schenken

https://www.youtube.com/watch?v=h6Y1efbK7Dw

©Gerhard Ledwina(*1949), 30.07.2016,Nr. 1416 aus Band 53

Samstagmarkt in Santanyi, Mallorca/Foto: Johanna Wenninger-Muhr
Samstagmarkt in Santanyi, Mallorca/Fotos: Johanna Wenninger-Muhr
Samstagmarkt in Santiny, Mallorca/Foto: Johanna Wenninger-Muhr
Ein Fest für die Sinne: der Samstagmarkt von Santanyi, Mallorca

Den Sommer verlängern auf einer der schönsten Inseln im Mittelmeer, auf Mallorca, war die Idee. Sie war gut. Der Oktober ist ein idealer Reisemonat für die größte, der fünf bewohnten Baleareninseln. Die Strände sind (fast) leer und das Klima ist angenehm. Die in den touristischen ,Gründerjahren´ als Massenurlaubsziel verschrieene Insel Mallorca hat sich zu einem mulikulturellen Mikrokosmos mit hervorragender Infrastruktur und hochwertiger Gastronomie entwickelt, ohne ihr höchstes Gut zu verschandeln: die überwältigend schöne Natur!

Die reiche Geschichte der Insel

Mallorca hat eine reiche Geschichte. Man nimmt an, dass die ersten Menschen vor zirka 4000 Jahren die Insel besiedelten. Sie ließen sich in den zahlreichen natürlichen Höhlen an den Küsten nieder.

Talaiot-Siedlung in Capocorb Vell/Foto: wikipedia
Die Talaiots sind die charakteristischsten Zyklopen-Bauten Mallorcas, denen man auch heute noch begegnet. Das Wort Talaiot oder kastilisch Talayot ist abgeleitet vom katalanischen Talaia für Beobachtungs- und Wachturm und gab dem gesamten Kulturzeitraum von 1300 v. Chr. bis zur Romanisierung ab 123 v. Chr. den Namen Talaiotikum. Es ist die nach einer Bauform benannte balearische Variante der Bronze- und Eisenzeit. Talaiots sind Türme auf rundem oder quadratischem Grundriss mit Innenraum, manchmal mit einer Mittelsäule oder verschiedenen Stockwerken. Ihr Zweck ist bis heute nicht geklärt. Es wird vermutet, dass sie als Verteidigungs- oder Beobachtungstürme, Begräbnisstätten oder Wohnräume des Stammesoberhauptes genutzt wurden.
Nekropole von Son Real/Foto: wikipedia
Um 654 v. Chr. gründeten die Karthager ihre Handelsniederlassung Ebusim auf Ibiza. Damit kamen die Balearischen Inseln in den Machtbereich der aufstrebenden phönizischen Kolonie an der nordafrikanischen Küste nahe dem heutigen Tunis. Nach dem Untergang Karthagos durch die Niederlage gegen Rom im dritten punischen Krieg (149 bis 146 v. Chr.) entstand auf Mallorca ein Machtvakuum, das durch die Bewohner der Insel für Piratenüberfälle, auch auf römische Schiffe, genutzt wurde. Dies beendete das erstarkende Römische Reich mit der Besetzung der Insel 123 v. Chr. Mit römischen Siedlern wurden im Jahre 122 v. Chr. die Stadt Palma de Mallorca im Süden und um 70 v. Chr. die Stadt Pollentia beim heutigen im Norden gegründet. Insgesamt sollen nach der Eroberung Mallorcas etwa 3000 Neusiedler, meist aus der ab dem Jahre 206 v. Chr. römischen Provinz Hispania auf die Insel gekommen sein.
Ruinen von Pollentia (Alcúdia)/Foto: wikipedia
Neben der vom spanischen Festland erfolgten Christianisierung zwischen dem 2. und 4. Jahrhundert ist die Übernahme der Sprache der nachhaltigste Einfluss der Herrschaftszeit Roms, der bis heute in Form der katalanischen Sprache nachwirkt. Der Inselname ist abgeleitet von der römischen Bezeichnung Insula Maior oder Maiorica für die „große“ Balearen-Insel, im Gegensatz zu Insula Minor für das „kleine“ Menorca. Unter der 588 Jahre währenden römischen Herrschaft erlebte Mallorca eine erste Blütezeit. Grund scheint die zentrale Lage im westlichen Mittelmeer gewesen zu sein. Nach der römischen Eroberung der nordafrikanischen Provinzen lag die Insel weit entfernt von den umkämpften Randprovinzen des Römischen Reiches. Auf Mallorca verloren die befestigten Talayot-Dörfer an Bedeutung. Die Neugründungen, darunter auch Sinium und Cunium, nahe Manacor wurden nach römischem Muster angelegt, mit allen Annehmlichkeiten wie Wasser- und Abwasserleitungen, Bädern, Theatern, Einkaufsstraßen und öffentlichen Plätzen. Pollentia war vor Palma die bedeutendste Stadt der Insel. Haupterwerbsquellen in römischer Zeit waren Landwirtschaft, Handel und Handwerk, hauptsächliche Handelsgüter Weizen, Wein und Olivenöl.
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Fränkische Truppen verteidigten die Insel vor arabischen Überfällen

Arabische Eroberer kamen erstmals im Jahre 707 nach Mallorca, konnten sich jedoch nicht festsetzen. Nach weitgehender Unabhängigkeit von Byzanz ab Mitte des 8. Jahrhunderts übte das Frankenreich von 754 bis 798 eine Art Schutzherrschaft über die balearischen Inseln aus. Noch 799 verteidigten fränkische Truppen die Inseln vor arabischen Überfällen. Danach bestand ein Nichtangriffspakt zwischen Muslimen und den Inselbewohnern der Balearen, den diese jedoch nicht einhielten. Nach Angriffen auf muslimische Schiffe, bei denen die Mallorquiner reiche Beute machten, schickte 848 der Emir von Córdoba, Abd ar-Rahman II, eine Strafexpedition auf die Balearen. Nach hohen Verlusten auf Seiten der Insulaner waren diese bereit, gegen Erhalt ihrer Unabhängigkeit den Nichtangriffspakt einzuhalten und dem Emir einen geforderten Tribut zu zahlen.

Für das Emirat von Córdoba

Nach mehr als 50 Jahren Waffenstillstand wurden die Balearischen Inseln dann doch dem muslimischen Machtbereich eingegliedert. General El Jaulani eroberte im Jahre 902 die strategisch interessanten Inseln für das Emirat von Córdoba und wurde erster islamischer Statthalter von Mallorca in der nun Medina Mayurka genannten Stadt Palma. Die Mauren und Araber herrschten vom zehnten bis zum dreizehnten Jahrhundert, in dem Mallorca von den Christen wiedererobert wurde. Aus der Araberzeit ist die Errichtung von Trockenmauern zum Bau von Terrassen überliefert, stammen die Bewässerungsgräben und Brunnen, die für die Landwirtschaft gebraucht wurden. Es sind noch heute Ortsnamen erhalten, die auf arabischen oder Berber-Ursprung hinweisen. 1229 dringt  Jaume I. von Aragón und Katalonien in Medina Mayurka ein und besiegt die Militärmacht der Mauren, die entweder fliehen oder sich mit den neuen Herren arrangieren mussten. Jaume gründet das Königreich Mallorca und kurze Zeit später wird mit dem Bau der Kathedrale begonnen, die nach dem ausdrücklichen Willen des Königs der Jungfrau Maria geweiht ist.

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Kathedrale La Seu, Palma de Mallorca/Foto: Johanna Wenninger-Muhr

 

 

 

 

 

Unter den Katholischen Königen war Mallorca selbständiger Teil der Krone von Aragón und später von Spanien, bis es Anfang des 18. Jahrhunderts seine Selbständigkeit verlor. Erst mit der Wiedereinführung der Demokratie in Spanien sind die Balearen seit 1983 wieder autonom. Die Inseln bekamen eine autonome Regierung, und jede Insel einen eigenen administrativen Rat. War es den Mallorquiner unter Franco untersagt, sich in ihrer eigenen Sprache zu verständigen, so wurde das Mallorquin von nun an zur offiziellen Sprache.

Von Colonia de Sant Jordi nach Artá

Jeden Samstag ist Markt in Santanyi, einer beschaulichen Kleinstadt im Südosten der Insel mit ockerfarbenen Sandsteinhäusern und einer wuchtigen Wehrkirche. Es ist die erste Station der kleinen Erkundungsreise. In der Kirche von Santanyi ist eine der schönsten historischen Orgeln Mallorcas (von Meister Jordi Bosch) zu bewundern. Zu hören ist die Kostbarkeit in den alljährlichen Orgelwochen. 

Die historische Orgel von Meister Jordi Bosch, eine der schönsten Mallorcas in der Kirche Sant Andreu von Santanyi/Foto: Johanna Wenninger-Muhr
Die historische Orgel von Meister Jordi Bosch, eine der schönsten Mallorcas, in der Kirche Sant Andreu von Santanyi/Foto: Johanna Wenninger-Muhr

 

 

Körbe, wohin das Auge reicht. Samstagmorgen in Santiny, Mallorca/Foto: Johanna Wenninger-Muhr
Körbe, Paprika und Chilis in Reih´und Glied wohin das Auge reicht. Ein Samstagmorgen in Santinyi, Mallorca/Foto: Johanna Wenninger-Muhr

 

 

 

 

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Ein Sinnesrausch - der Samstagmarkt in Santinyi, Mallorca/Foto: Johanna Wenninger-Muhr
Ein Sinnesrausch – der Samstagmarkt von Santinyi, Mallorca/Foto: Johanna Wenninger-Muhr

 

 

 

 

 

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….und weiter geht es nach Felanitx, einem verschlafenen Städtchen im Landesinneren und östlichen Teil der Insel. Felanitx war zu arabischen Zeiten eine Hochburg der Herstellung von Azulejos (blauen Kacheln). In der Stadt wurde der bedeutendste mallorquinische Maler der Gegenwart, Miquel Barcelo, geboren. Seine Werke (vorwiegend Naturmotive) sind im Prado von Madrid ausgestellt. Über eine imposante Freitreppe erhebt sich die mit einem prächtigen Rosettenfenster und einem reich geschmückten Portal ausgestattete Fassade der Kirche Sant Miquel.

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img_0738Die Stufen der breiten Freitreppe auf die das Auge erstmal gelenkt ist, tragen geometrische Muster, kunstvoll zusammengefügt aus Kieselsteinen. Das wunderschön verzierte Eingangsportal wird von einer Statue des Hl. Michaels, der als Drachentöter dargestellt ist, bewacht. Im Inneren der Kirche gibt es einen vergoldeten Altar, eine in den Jahren 1696-99 erbaute Orgel, wunderschöne Glasfenster und ein außergewöhnliches Deckengewölbe im Kirchenschiff zu bestaunen.

Pfarrkirche Sant Miquel, Felanitx, Mallorca/Foto: Johanna Wenninger-Muhr
Pfarrkirche Sant Miquel, Felanitx, Mallorca mit einem vergoldeten Altar, einer Orgel aus dem 17. Jhdt, wunderschönen Glasfenstern und einem außergewöhnliche Deckengewölbe /Foto: Johanna Wenninger-Muhr

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.…und weiter geht die Reise, vorbei an Kakteen, jetzt Richtung Norden, nach Arta.

Mallorcas Kakteen erreichen eine stattliche Größe/Foto: Johanna Wenninger-Muhr
Mallorcas Kakteen erreichen eine stattliche Größe/Foto: Johanna Wenninger-Muhr

 

 

 

img_0796img_0826Finkas, verfallene, in Renovierung befindliche und liebevoll renovierte, sind von der Straße aus, frei stehend oder halb versteckt hinter Gärten mit blühenden Hecken und Klettergewächsen, auszumachen.

arta_sant_salvador_01In der Ferne ist eine trutzige Zitadelle zu sehen, aus der sich die Wallfahrtskirche Sant Salvador des Landstädtchens Artà erhebt. Zypressen und Mandelbäume setzen aus der Ferne gesehen grüne Tupfer in das Ocker der Mauern. img_0754

 

Ein zypressengesäumter, 180-stufiger Kreuzweg führt zur Festung. Aus dem einst arabischen wehrhaften Palast (Almudaina) wurde unter König Jaume I ein christliches Bollwerk.

Im Inneren der Wallfahrtskirche illustriert ein Gemälde die Übergabe Mallorcas durch den arabischen Wali an den Christenkönig. Um die hier verehrte Madonna aus dem 17 Jhdt. ranken sich Legenden von wiederholter Rettung vor Piratenangriffen.

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Ein Sonntag im Oktober in Palma de Mallorca

Er musste beginnen mit der Sonntagsmesse um 12 Uhr in der Kathedrale La Seu,

img_0758dem wohl berühmtesten Inselbauwerk mit einem 110 Meter langen Hauptschiff und dem von Antoni Gaudi restaurierten Altar.

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Der von Antonio Gaudi umgestaltete Altar von Le Seu

 

 

 

 

 

 

Sehr touristisch, aber absolut informativ, ging es weiter mit einer Sightseeing Tour in einem der unübersehbaren roten ,City Sightseeing Hop On-Hop off`-Busse. Dieser hält an 18 ,Hot Spots´ von Palma, an denen man aus- und wieder zusteigen kann. Bleibt man sitzen, hat man nach etwa zwei Stunden einen ersten guten Eindruck von dieser wunderschönen Stadt, die mich sehr an Barcelona erinnert. Über Kopfhörer gibt es viele Informationen über die Stadt und die Stationen, an denen der Bus sich gerade befindet.

In Palma ist alles ganz dicht beieinander: die malerischen Innenhöfe der prächtigen Adelspaläste, die Jugendstilbauten, der Hafen von Palma, die zahlreichen Straßencafés,

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img_20161009_151153… und an vielen Ecken Delikatessenläden, die einladen einzukehren und Tapas mit einem Glas Wein oder Sangria zu genießen und ein wenig zu verweilen …

 

 

Von Port d´Andratx nach Vallemossa

Port d`Andratx, so heißt der Jachthafen von Adratx. Man muss einfach mal so viel Reichtum auf so engem Raum gesehen haben: das hügellige Hinterland zwischen der Halbinsel Sa Mola und der Hochküste über der Klippenbucht. Wahrscheinlich muss man auch dazugehören und eine Luxusvilla auf der Halbinsel Sa Mola besitzen,

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Die Halbinsel Sa Mola. Ihre extreme Bebauung geriet 2006 durch Korruptionsskandale in die Schlagzeilen/Foto: Johanna Wenninger-Muhr

um sich unten am Jachthafen, am Port d`Andratx, wohlzufühlen, wenn man Seinesgleichen trifft.

Nicht einmal die Tapas schmeckten hier besonders gut, das kann auch nur Zufall gewesen sein…sie waren nur viel teurer als anderswo auf der Insel.

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Ein Nachmittag in Port d´Andratx, aber ohne Luxusvilla auf der Halbinsel Sa Mola….

 

 

 

 

 

 

 

 

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…also ging es weiter. Entlang der malerischen Küstenstraße mit atemberaubenden Aussichten – vorausgesetzt man hat den Mut, runterzuschauen –  in Richtung Valldemossa…..

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…und dann verschlägt es einem schier die Sprache, so zauberhaft präsentiert sich das Bergdorf Valldemossa. König Jaume II, ließ hier einen Sommerpalast errichten, der von seinem Sohn und Nachfolger Sancho I, weiter ausgebaut wurde.

 

 

 

 

 

 

 

 

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Idylle, wohin das Auge blickt: Valldemossa, Mallorca/Fotos: Johanna Wenninger-Muhr

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,Das Bergdorf des Coll Bardolet´, wird Valldemossa auch genannt, Der katalanische Maler hat hier 60 Jahre lang, bis 2007, gelebt. Seinen berühmten Tanzmotiven begegnet man in vielen Orten im Dorf.

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Einige Tanzmotive von Coll Bardolet auf Kacheln gemalt.

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….und dann, ungewollt eigentlich, weil beseelt von vielen schönen Eindrücken, die man sich bewahren möchte, wird man durch die aktuelle Ausstellung mit der Geschichte des ,Winters von Chopin und George Sand auf Mallorca´ konfrontiert…

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Doch dieser Reisebericht soll nicht traurig enden, denn die Spätsommerreise nach Mallorca war pralles Erleben, war Wohlgefühl und Glückseeligkeit, sind schöne Erinnerungen und Eindrücke, begleitet mit dem Wunsch wiederzukommen, noch ganz oft…..

Johanna Wenninger-Muhr

2 Gedanken zu „Ein Spätsommer auf Mallorca“

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