Der Flug der Kraniche – nicht ungefährlich für die Luftfahrt

kranich 4 Reiseflug
Foto: Eckhard Scherff (http://eckhardscherff-fotografie.de/blog/)

Zweimal im Jahr sind sie in unterschiedlichen Himmelsrichtungen auch über der Bundesrepublik unterwegs: tausende Kraniche auf ihren Flugreisen zu ihren Sommer- oder Winterquartieren. In Gruppen von mehreren hundert Vögeln fliegen sie in der bekannten Keilformation wetterabhängig in unterschiedlichen Flug- höhen zwischen 200 und 2000 Metern. Sie sind nicht ungefährlich für Luftfahrt.

Ein Bericht von Hans-Ulrich Ohl

Während Störche sich ebenfalls in Gruppen auf die Reise begeben, unterscheidet sich ihr Flugverhalten grundsätzlich von denen der Kraniche. Sie bilden keine geordneten Flugformationen, sondern fliegen zwar ebenfalls in größeren Gruppen, jedoch nur sehr selten in einem organisierten Verband. Der Grund für diese andere Strategie sind die unterschiedlichen Flugtechniken dieser beiden Vogelarten. Störche sind hervorragende Segler, die auf ihrer Flugreise thermische Aufwindfelder ansteuern und durch Kreisen in diesen Aufwindgebieten versuchen soviel Höhe wie nur irgend möglich zu gewinnen. In einem sich daran anschließenden optimierten Gleitflug versuchen sie dann das nächst-gelegene Aufwindfeld zu erreichen. In sofern haben diese beiden Vogelarten auch keine identischen Flugwege auf ihren Langstreckenflügen zu ihren Sommer- oder Winter-quartieren.

Störche orientieren sich überwiegend an thermisch besonders günstigen Strecken-führungen, während die Kranichformationen den direkten Flugweg zu ihren Zielgebieten wählen. Und noch etwas unterscheidet den Storchenflug von denen der Kraniche. Ihre Flüge absolvieren sie meist lautlos und überwiegend am Tag, während die Kraniche auch im Flug trompetenartige Rufe erschallen lassen und so akustisch auf sich aufmerksam machen. Flüge bei Nacht sind zwar schon mal beobachtet worden, sind jedoch mehr die Ausnahme als die Regel.

Von den  Kranichen lernen

Hubschrauber der Bundeswehr haben in den sechziger/siebziger Jahren Erkundungs- und Kranichbegleitflüge durchgeführt und  aus dem Zugverhalten der Kranichformationen erstaunliche Erkenntnisse gewinnen können. Nicht nur dass diese Vögel über hervorra- gende navigatorische Fähigkeiten verfügen. Auch  Schlechtwetterlagen mit stark redu- zierten Sichtverhältnissen führen keineswegs zu ernsthaften Orientierungsproblemen. Selbst bei Nebellagen oder geringen Wolkenuntergrenzen setzen sie ihre Flüge unbeirrt und zielgerichtet fort. Überrascht hat auch ihre Fähigkeit, intensive Schlechtwettergebiete rechzeitig zu erkennen und sie erfolgreich zu umfliegen. Dabei wurde auch beobachtet, wie bei erschwerenden Wind- und Wetterverhältnissen ein Altvogel, begleitet von zwei Jungvögeln, zur Erkundung des Wetterumfeldes aus der Formation ausscherten und Wettererkundungsflüge vornahmen. Das führte besonders während der Herbstmonate zu erkennbaren Neuausrichtungen der Flugrouten mit günstigeren Wind- und Wetterverhält-nissen, wie die  Hubschrauberpiloten mehrfach beobachten konnten.

Soziales Verhalten und reibungsloses Formationsfliegen

Während der  zahlreichen Verfolgungsflüge durch Hubschrauber der Bundeswehr wurde auch beobachtet, wie jede Formation von einem erfahren Altvogel angeführt wird. Ihm fol- gen drei bis vier Jungvögel, die  wiederum von einem Altvogel begleitet werden. Trifft ein neuer kleinerer Verband auf eine relativ größere Formation, so kommt es in aller Regel zu einer Vereinigung der beiden Gruppen. Die Eingliederung durch ein seitliches Einordnen der kleineren Gruppe erfolgt völlig unproblematisch und absolut sozialverträglich. Jeweils ein Altvogel mit zwei bis drei Jungvögeln reiht sich seitlich in die vorhandene Formation ein. Der eine Formation anführende Altvogel wird nach etwa zwei bis drei Stunden Flugzeit abgelöst, indem er sich zusammen mit den ihn begleitenden Jungvögeln ans Ende des Verbandes zurückfallen lässt. Die beobachtete durchschnittliche Reisefluggeschwindigkeit dieser Formationen bewegt sich im Mittel um die 40 Stundenkilometer.

Kraniche sind ,Nestflüchter´

Kraniche haben ein Gewicht von vier bis sieben Kilogramm und eine  Lebenserwartung von ungefähr zwanzig Jahren. Vogelkundler weltweit haben sich sehr intensiv mit dem  Verhalten dieser Vögel beschäftigt und konnten erstaunliche Verhaltensmuster beobach- ten. Von Haus aus sind Kraniche Bodenbrüter, die für ihre Nistplätze Feuchtgebiete oder Hochmoore bevorzugen. Diese Orte bieten einen gewissen Schutz vor Nesträubern, wie Fuchs oder Marder. Das Gelege besteht meistens nur aus zwei Eiern. Während der Brutzeit von etwa 30 Tagen in den Monaten März und April, wird das Gelege von den Eltern akribisch bewacht. Erstaunlich ist auch, dass die Jungvögel als sogenannte Nestflüchter ihr Brutnest bereits nach etwa 24 Stunden verlassen. Danach werden sie von ihren Eltern teilweise auch außerhalb des eigentlichen Brutplatzes versorgt. Nach etwa zehn Wochen ist ihr Federkleid soweit gediehen, dass sie ernsthaft zu Flugschülern mutieren. Nach drei Jahren erlangen sie die Geschlechtsreife. Dann gehen die männlichen Vögel auf Braut- schau. Eine erfolgreiche, in jeweils beiderseitigem Einvernehmen erfolgte Damenwahl, führt dann in aller Regel zu einer lebenslangen monogamen Partnerschaft.

Kraniche 8 Rastplatz
Kraniche am Rastplatz

Verhaltensmuster der Kraniche setzen Vogelkundler immer wieder in Erstaunen und Bewunderung. Obwohl sie während der gesamten Sommermonate ihre Reviere kaum verlassen, begeben  sie sich während der Monate Oktober November  immer wieder den gleichen örtlichen Sammelplätzen. Erst nachdem die Gruppe, die schon leicht einmal aus mehreren hundert Vögeln bestehen kann vollständig versammelt ist, erfolgt das Signal zum Aufbruch. Dabei spielen auch die Großwetterlage und die Windverhältnisse eine Rolle. Ungünstige Voraussetzungen können eine Abflugverzögerung von mehreren Tagen durchaus zur Folge haben.

Flugstrecke der Kraniche wichtig für den Sichtflugverkehr unterhalb 10 000 Fuß

Dies alles wird von den unterschiedlichen Vogelwarten entlang der zu erwartenden Flugstrecke  aufmerksam verfolgt und gemeldet. Besonders der kontrollierte Luftverkehr im Umfeld der Ein- und Abflugschneisen internationaler Verkehrsflughäfen ist an solchen Informationen brennend interessiert. Sichtflugverkehr der „Allgemeinen Luftfahrt“ unterhalb von 10 000 Fuß sollte in den kritischen Monaten März/April (nördliche Flugrichtung) und September/Oktober (südliche Flugrichtung) dem Luftraum besonders aufmerksam beobachten und jede geortete Kranichformation der Flugsicherung auf einer der FIS – Frequenzen  zur Kenntnis bringen. Die Meldung sollte die folgenden Informationen enthalten: Ort der Beobachtung, Geschätzte Flughöhe und Flugrichtung der Formation sowie die geschätzte Anzahl der Kraniche in der Formation.

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Kranich-Flugrouten mit Rastplätzen

DieKranichformation stellt auch für Verkehrsflugzeuge im Umfeld von Verkehrsflughäfen eine ernstzunehmende Gefahr dar, wie wir spätestens seit der Notwasserung eines Airbusses kurz nach dem Start in New York auf dem „Hudson River“ wissen. So ist es denn   auch gängige Praxis, den jeweiligen Flugverlauf einer beobachten Kranichforma-tionen  den Fluglotsen in den Kontrollzentren und  auf den Kontrolltürmen zur Kenntnis zu bringen, um eventuelle Gefährdungspotentiale für den an- und abfliegenden Flugverkehr rechtzeitig zu erkennen.

 

 

Alle Bilder NABU

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