„Wir haben es noch in der Hand“

LatifLogistikbranche und Wissenschaft diskutierten kürzlich in Frankfurt über Heraus-forderungen für eine umweltfreundliche Luftfracht. Namhafte Referenten, darunter Klimaforscher Mojib Latif, stellten in ihren Vorträgen aktuelle Trends und Zukunftsszenarien vor.

Echsenfuß-Dinosaurier, Raubtierfuß-Dinosaurier, Schild- und Vogelfuß-Dinosaurier schauen herablassend auf die Teilnehmer der ,Cargo Climate Care Conference‘ im Senckenberg-Naturmuseum in Frankfurt. Lufthansa Cargo hatte nicht ohne Hinter-gedanken hierher eingeladen. Museums-Direktor Professor Volker Mosbrugger erinnerte denn auch zur Einstimmung  daran, dass die Erde fünf Milliarden Jahre alt ist, es seit vier Milliarden Jahren Leben auf der Erde gibt, seit 400 Millionen Jahren auf dem Festland, aber erst seit 200 000 Jahren Menschen. Der Mensch, so Mosbrugger, sei erdgeschichtlich betrachtet eine ,Randerscheinung‘, dennoch richte er seit zirka hundert Jahren einiges auf diesem Planeten an. Mojib Latif, Meteorologe und Klimaforscher, verdeutlichte dies am Beispiel der Veränderungen der Erderwärmung der letzten hundert Jahre. In seinem Vortrag ,Verheizen wir unser Klima?‘ zeigte er anhand von Schaubildern, wie die Erde in den letzten Jahrzehnten immer mehr ,rote‘ Flecken bekam, dass es immer wärmer wurde.Ursache, so Latif, ist die Verwendung von fossilen Brennstoffen. Sein Appell trotz allem: „Wir haben es noch in der Hand“. Das Thema ,Klimakatastrophe‘, meint der Wissenschaftler, werde von den Medien und in öffentlichen Diskussionen auch hochgespielt. Aufmerksamkeit erzeugen sei nun mal wichtig für gute Quoten.

Fuel Efficiency – Schritt in die richtige Richtung

Als Schritt in die richtige Richtung sieht er die Summe jeglicher Nachhaltigkeits-Beiträge, auch jene, die Lufthansa Cargo-Flugbetriebsleiter Kapitän Claus Richter in seinem Vortrag vorstellte. So etwa die Fuel-Efficiency-Aktivitäten der gesamten Lufthansa Group, ihren Einsatz von Electronic Flightbags oder Lightweight-Containern und – wo immer möglich – die Nutzung kürzerer Flugrouten. All das reduziere das Ausmaß des CO2-Ausstoßes.
Professor Volker Gollnick vom Deutschen Zentrum für Luftund Raumfahrt stellte klar, dass sich auf dem Gebiet einer weiteren nachhaltigen Entwicklung von Fluggerät bis zum Jahr
2030 nicht all zu viel tun werde, weil alle potenziellen Flugzeugmuster technologisch bis 2030 definiert sind. Deshalb könne das Blended Wing Body Flugzeug, der ,Einflügler‘, erst ab diesem Zeitpunkt Thema für Hersteller und Airlines werden.

Eine logistische Zukunftsvision stellte Dr. Jan Dietrich Müller von der Deutschen Post DHL vor. Fünf Logistik-Szenarien für das Jahr 2050 zeigen eine Welt, geprägt von ungezähm- tem Materialismus und Konsum, in der sich das Machtzentrum der globalen Wirtschaft nach Asien verlagert hat. Durch den fortschreitenden Klimawandel häufen sich Naturkatastrophen, die zu Unterbrechungen der Lieferketten führen und die Kosten für Logistikunternehmen drastisch erhöhen. Großstädte werden zu Haupttreibern eines ,grünen Wachstums‘, Verbraucher haben ihre Konsumgewohnheiten verändert: Es wird eher gemietet, als gekauft. Neue Lösungen für den öffentlichen Personennahverkehr haben die Verkehrsbelastung reduziert. Ein globales Transportnetz, aus Lastwagen, Schiffen und Flugzeugen gewährleistet die Handelsverbindungen zwischen den Großstädten. Die Logistikbranche reagiert auf die ,Entmaterialisierung‘ des Konsums mit einer Vielzahl an Miet- und Sharing-Dienstleistungen.

3-D-Drucker
Individualisierte Lebensstile treten immer mehr in den Vordergrund. Konsumenten erfinden und entwickeln eigene Produkte. Neue Produktionstechnologien wie 3-D-Drucker beschleunigen diesen Individualisierungs-Trend . Die ,Maßanfertigung‘ hat auch den Energie- und Rohstoffverbrauch insgesamt erhöht. Bis zum Ende des Jahrhunderts zeichnet sich dadurch eine Erderwärmung um 3,5 Grad Celsius ab. Die zunehmende Bedeutung des 3-D-Drucks beeinflusst auch die Logistikindustrie. Sie führt zu einem geringeren Bedarf für Ferntransporte fertiger und halbfertiger Produkte und es entwickelt sich ein neues Transportnetz für die ,letzte Meile‘ zum Kunden. Letztendlich ist die Globalisierung im Zuge eines ausgeprägten Nationalismus und Protektionismus aufgelöst und das globale Handelsvolumen zurückgegangen, weil viele Länder Handelshürden errichtet haben. In der Welt des Jahres 2050 mit regionalen Handelsstrukturen setzt die Industrie auf Lagerhaltung in der Nähe der Produktionsstätten, weil Katastrophen in vielen Telen der Welt zu großen Herausforderungen geworden sind. Soweit eine mögliche Welt des Jahres 2050.

Ein paar Cents mehr
Weiterer Programmpunkt der Konferenz war die Schilderung des britischen Wissen-schaftsjournalisten Fred Pearce, der an die Produktionsstätten von T-Shirts, Jeans und Computermäusen reiste, mit Produzenten und Arbeitern vor Ort sprach, um herauszu-finden, welche Bedeutung Produktion und Transport zum Endverbraucher für die Umwelt haben. Bei allen Nachhaltigkeits-Überlegungen, so Pearce, dürfe man die soziale Komponente nicht vergessen. Die schwere und schlecht bezahlte Arbeit habe den Menschen in diesen Teilen der Welt auch bescheidenen Wohlstand gebracht. Die Bereitschaft, ein paar Cents mehr für das Endprodukt zu bezahlen, würde vieles an den Arbeitsbedingungen dieser Menschen verbessern.
Zwei Podiumsdiskussionen zum Thema ,Logistik und weniger CO2 ‘ sowie ,Grüne Lösungen für die Luftfracht‘, moderiert von Bettina Jansen, der Leiterin des Umweltmana-gements von Lufthansa Cargo, ergänzten das Programm. Die Verleihung des ,Cargo Climate Care Awards‘ schlossen den Tag. Zurück bleibt der Eindruck, dass trotz ,Fünf vor Zwölf‘-Stimmung bei Umweltvorsorge und Nachhaltigkeit Einiges noch in die richtige Richtung gelenkt werden kann.
Johanna Wenninger-Muhr

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